Themen heute: ACHTUNG – fehlerhafte Steuerbescheide – auch Geschäftsführer betroffen + Beweisnot: Geschäftsführer muss nach Kündigung alle Unterlagen herausgeben – was tun? + 3 neue BFH-Urteile, die es „in sich haben” + Insolvenz: Keine GF-Haftung bei Zahlung rückständiger Steuern und Sozialabgaben + GmbH-Verkauf: Verkäufe muss Verbinbdlichkeiten offen legen + BISS …
14. KW 2011
Freitag, 10.4.2011
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
Geschäftsführer, die im vergangenen Jahr mehr als 45.000 € verdient haben und freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, müssen ihren Steuerbescheid für das Jahr 2010 ganz genau prüfen. Aufpassen müssen alle Geschäftsführer, die aufgrund ihres Verdienste über der Beitragsbemessungsgrenze von der Pflichtversicherung freigestellt sind, die aber freiwillig in der gesetzlichen Versicherung versichert sind – das sind z. B. die Geschäftsführer, die ihre Familie günstig mitversichern wollen. Die automatisch erstellten Steuerbescheide dieses Personenkreises sind zum Teil fehlerhaft. Durch einen Auswertungsfehler kann Ihnen als Geschäftsführer ein Schaden von bis zu 1.000 € entstehen.
Laut Bundesfinanzministerium können die von den Unternehmen übermittelten Daten mit der Auswertungs-Software nicht korrekt verarbeitet werden. Das Problem ist im Finanzministerium unterdessen bekannt – konnte aber bisher noch nicht abgestellt werden. In den betroffenen Fällen werden die Steuer-Bescheide „von Hand“ nachgebessert. Dennoch gehen in Einzelfällen immer noch falsche Bescheide heraus. Im Einzelfall sollte der Steuerbescheid also genau nachgerechnet werden.
Für die Praxis: Prüfen Sie, ob die von Ihnen gezahlten Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung (Zeile 25 und 26 der Lohnsteuerbescheinigung) im Steuerbescheid so wie gezahlt (also Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) in voller Höhe als Sonderausgaben von der Steuerlast abgezogen wurden. Ist das nicht der Fall, sollten Sie Widerspruch gegen den Bescheid einlegen – mit Hinweis auf den oben genannten Fehler. Geschäftsführer, deren Steuerbescheid für 2010 vom Steuerberater bereits erstellt wurde, sollten den Steuerbescheid genau prüfen lassen und beim Finanzamt entsprechend nachhaken.
Geschäftsführer-Haftung: Abläufe immer doppelt protokollieren
Als Geschäftsführer einer mittelgroßen oder großen GmbH besteht für Sie per Anstellungsvertrag in der Regel eine Aktenherausgabeverpflichtung. Danach müssen Sie zum Ende Ihres Anstellungsvertrages sämtliche Unterlagen der GmbH, die sich in Ihrer Verfügung befinden, an Ihren Arbeitgeber herausgeben. Problem dabei: Kommt es nachträglich zu Haftungsansprüchen oder Schadensersatzansprüchen der GmbH gegen Sie, fehlt Ihnen das Beweismaterial. Sie sind darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber Ihnen die Unterlagen aushändigt, die Sie zur Beweisführung brauchen (Akteneinsichtsrecht). Damit liegt es in der Hand Ihres ehemaligen Arbeitgebers, welche Unterlagen Sie tatsächlich bekommen.
Wie können Sie sich hier schützen: Gute Erfahrungen gibt es mit einem zusätzlichen privaten Tage- oder Log-Buch zum betrieblichen Ablauf. Vermerken Sie darin in eigenen Worten – ohne ausschließlich offizielle betriebliche Dokumente zu verwenden – alle Vorgänge, zumindest die mit weit reichenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Das sind Entscheidungsvorbereitungen, Gedächtnis-Protokolle zu Entscheidungsabläufen, Abstimmungen mit Mit-Geschäftsführern, Gespräche mit Mit-Gesellschaftern.
Für die Praxis: Ist in Ihrem Anstellungsvertrag per Formularklausel jedes Zurückbehaltungsrecht von betrieblichen Unterlagen ausgeschlossen, müssen Sie nicht klein begeben. Selbst dann können zurückbehaltene Unterlagen im gerichtlichen Verfahren eingesetzt werden. Die Gerichte akzeptieren den formularmäßigen Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nicht. Der Geschäftsführer wird mit einer solchen Klausel unangemessen benachteiligt.
Interessant: Neue Unternehmens-Börse im Internet
Seit Anfang April hat die Deutsche Unternehmens-Börse (DUB) ein neues Portal für Unternehmenskäufe/-verkäufe online gestellt. Unter www.dub.de können Verkaufswillige Ihr Unternehmen vorstellen.
Fakt ist bisher allerdings, dass die meisten Unternehmen bei einem Merger weitgehend anonym bleiben wollen und es nicht gerne sehen, wenn ihr Unternehmen öffentlich – also z. B. im Internet – gehandelt wird. Das ist verständlich und auch wir raten an dieser Stelle regelmäßig dazu, Verkaufsangebote oder die Suche nach einem Nachfolger vertraulich und seriös abzuwickeln. Dennoch: Unternehmer, die zukaufen wollen, finden in der Unternehmensbörse durchaus interessante Angebote. Noch ist die Börse im Aufbau. Da aber das Handelsblatt, die Unternehmensberatung Ernest & Young und die Commerzbank mit am Projekt Deutsche Unternehmens-Börse beteiligt sind, ist davon auszugehen, dass die beteiligten Unternehmen ihnen bekannte Mergers und Akquisitions in diese Datenbank einstellen werden. Zugang zu den Unternehmensdaten gibt es nach einer Registrierung – z. Z. ist mit der Registrierung eine 6‑monatige kostenfreie Testphase möglich, danach werden – je nach Dienstleistung – Gebühren für die Nutzung fällig.
Für die Praxis: Die (geringen) Nutzungsgebühren der einzelnen Dienstleistungen (Einstellen von Verkaufsangeboten, gezielte Suche nach Kaufangeboten nach Branche, Unternehmensgröße usw.) sind OK und sorgen dafür, dass der Zugang zu den Kauf- und Verkaufsangeboten auf einen interessierten Nutzerkreis beschränkt bleiben wird. Die bis jetzt in der Datenbank gelisteten Unternehmen sind für expansive Unternehmen durchaus interessant.
Neue BFH-Urteile
Der Bundesfinanzhof veröffentlicht alle neuen Urteile regelmäßig mittwochs auf seinen Internet-Seiten. Und es vergeht keine Woche, in der nicht auch neue Urteile speziell zu GmbH-Besteuerungsfragen veröffentlicht werden. Alleine in der letzten Woche hat das höchste deutsche Steuergericht wieder 3 GmbH-Urteile veröffentlicht, die es „in sich“ haben:
- So muss die GmbH nur dann Lohnsteuer für das dem Geschäftsführer zugesagte Weihnachtsgeld zahlen, wenn das Weihnachtsgeld tatsächlich ausgezahlt wird. Selbst wenn der Geschäftsführer einen rechtsverbindlichen Anspruch auf Weihnachtsgeld aus dem Anstellungsvertrag hat und die GmbH das zahlen kann, darf das Finanzamt nicht einfach Lohnsteuer veranlagen (BFH, Urteil vom 3.2.2011, VI R 4/10).
- In einem weiteren Urteil hat der BFH zur steuerlichen Anerkennung des Verlustes aus seiner GmbH-Beteiligung Stellung genommen (§ 17 EStG). Dabei ging es um die steuerliche Behandlung des Gesellschafter-Darlehens, dass in der Krise der GmbH stehen gelassen wurde und von der GmbH nicht mehr zurückgezahlt werden konnte. Dazu der BFH: Der Veräußerungsverlust muss exakt ermittelt werden, eine Verrechnung mit anderen Steueransprüchen ist nicht möglich (BFH, Urteil vom 7.12.2011, IX R 16/10).
- Der BFH hat jetzt klargestellt, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft nur dann begründet werden kann, wenn die beteiligten Unternehmen (GmbH, Personengesellschaften) unmittelbar oder mittelbar aneinander beteiligt sind. Das ist nicht der Fall, wenn die Beteiligung nur über gemeinsame Gesellschafter vorliegt (z. B. Betriebsaufspaltung; Änderung der Rechtsprechung: BFH, Urteil vom 1.12.2010, XI R 43/08).
Geschäftsführer darf rückständige Lohnsteuer und Sozialabgaben anweisen
Laut BGH-Grundsatzentscheidung haftet der Geschäftsführer nicht persönlich für rückständige Zahlungen an das Finanzamt bzw. die Sozialversicherung, die er nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst (BGH, Urteil vom 25.1.2011, II ZR 196/09).
Für die Praxis: Bis dato war immer wieder umstritten, ob der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife überhaupt noch Zahlungen veranlassen darf. In vielen Fällen mussten Geschäftsführer solche Zahlungen anschließend an den Insolvenzverwalter zurückzahlen. Mit dem aktuellen Urteil hat der BGH jetzt rechtliche Klarheit geschaffen. Wichtig: Hier geht es um rückständige Zahlungen. Unabhängig davon darf der Geschäftsführer in der Krise Löhne nur soweit auszahlen, wie die GmbH in der Lage ist, entsprechende Lohnsteuer abzuführen. Kann die GmbH das nicht mehr, muss er die Löhne soweit kürzen, dass die anteilige Lohnsteuer noch beglichen werden kann.
GmbH-Verkäufer muss alle Verbindlichkeiten offen legen
Der Verkäufer eines GmbH-Anteils ist verpflichtet, bei angespannter Lage der GmbH dem potenziellen Käufer sämtliche Verbindlichkeiten der GmbH offen zu legen (OLG Brandenburg, Urteil vom 24.11.2010, 7 U 36/09).
Für die Praxis: Wichtige Voraussetzung für die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung (hier: Vorenthalten von bestehenden Verbindlichkeiten) ist, dass die Frist von einem Jahr auf jeden Fall eingehalten sein muss (§ 124 Abs. 1 BGB). Entscheidend ist die „Kenntnis der Täuschung“, unerheblich ist, ob der Käufer bereits früher hätte wissen können, dass solche nicht offen gelegten Verbindlichkeiten bestehen.
Mit besten Grüßen
Ihr Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur der Volkelt-Brief