Geschäftsführer-Kompetenz: Führung in schwierigen Zeiten + Gesellschafter-Ausschluss: Und immer noch kein Ende des Konflikts in Sicht + Geschäftsführer-Perspektive: Die A1-Bürokratie + Geschäftsführung/Compliance: Was SIE noch erledigen sollten … + Digitales: Pharma schlägt Kosmetik + GmbH/Finanzen: Vorsicht mit Ratenzahlungsvereinbarungen + Neues BGH-Urteil: Haftung der Gesellschafter + Mitarbeiter: Zeiterfassung per Fingerabdruck + Aufsichtsrats-/Beirats-Tätigkeit: Kein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmerlohn + Neue Argumente für eine totale Arbeitszeiterfassung …
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Der Volkelt-Brief 08/2020 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 21. Februar 2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
wenn es gut läuft, lässt sich auch Unternehmenskultur gut leben. Alle Beteiligten profitieren. Kunden erleben entgegenkommen, Mitarbeiter Wertschätzung und auch Ihnen als Unternehmer tut Guttun gut. Schwieriger ist das, wenn weniger verdient wird. Noch schwieriger wird das, wenn dazu auch noch ein Paradigmenwechsel kommt. Etwa wie in der Bankenbranche. Genauer: In der FinTech-Branche. Hier gilt es, den schmalen Grat zwischen nachhaltigem Invest und Rendite zu finden. Ein Thema, das sich auch die Macher der zweiten Staffel der ZDF-Serie Bad Banks angenommen haben und allen dabei auftretenden menschlichen Makel akribisch herausgearbeitet haben. Die Realität ist allerdings facettenreicher und braucht keine Übertreibungen, um Zielkonflikte offenzulegen.
Hier kommt es auf wirkliche „Führung” an. Zumal für den GmbH-Geschäftsführer meist auch die persönliche Existenz mit auf dem Spiel steht und Fehleinschätzungen der wirtschaftlichen Situation, Fehler und Versäumnisse in der Restrukturierung und im Sanierungsverfahren schnell das Ende der Firma bedeuten können. Das gilt auch für Fehler im Umgang mit den Mitarbeitern. Wer kein Vertrauen in die Führung hat, verlässt das sinkende Schiff und hinterlässt eine hilflose Mannschaft.
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Gesellschafter-Ausschluss: Und immer noch kein Ende des Konflikts in Sicht
„Es geht nicht mehr. Wir müssen einen unserer Gesellschafter aus der GmbH ausschließen. Worauf müssen wir dabei achten?”. So die Anfrage eines Kollegen, deren Mit-Gesellschafter sich im Laufe der Jahre „auseinandergelebt” haben und zwischen denen es keine Gemeinsamkeiten mehr gibt. ACHTUNG: Wollen Sie einen GmbH-Gesellschafter per Gesellschafterbeschluss oder per Gerichtsurteil aus der GmbH ausschließen, muss das Vorgehen juristisch abgesichert sein und Unwägbarkeiten möglichst ausgeschlossen werden. Zum Beispiel: Was passiert, wenn die GmbH den eingezogenen Geschäftsanteil nicht bezahlen kann oder es keinen anderen Käufer für den Anteil gibt?
Problem: Darf der (ausgeschlossene) Gesellschafter bei Nicht-Zahlung der Abfindung seine Gesellschafterrechte (Gewinnbezugsrecht, Stimmrecht) doch wahrnehmen? Die Rechtslage zu dieser Frage ist nicht eindeutig. Da gibt es auch gegensätzliche Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH). Je nach Einzelfall und besonderen Voraussetzungen müssen Sie also davon ausgehen, dass der Konflikt mit dem Ex-Gesellschafter mit dem Ausschlussbeschluss längst noch nicht ausgestanden ist. Selbst die Richter innerhalb des BGH vertreten hier unterschiedliche Positionen:
Hat die GmbH die Abfindung auf den Geschäftsanteil nicht bezahlt, bleiben die Gesellschafterrechte bestehen. Der auszuschließende Gesellschafter hat weiterhin Anspruch auf seinen Gewinnanteil bzw. auf sein Stimmrecht. Der einzelne Gesellschafter hat damit eine Sicherheit, dass er nicht leer ausgeht. Laut BGH kann aber im Gesellschaftsvertrag der GmbH vereinbart werden, dass der Gesellschafter seine Stellung sofort nach der Beschlussfassung verliert, also noch vor Zahlung der Abfindung (vgl. zuletzt BGH, Beschluss v. 8.12.2008, II ZR 263/07).
Noch GmbH-freundlicher ist ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2012. Danach gilt: Wenn ein Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird, wird die Einziehung mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam (BGH, Urteil v. 24.1.2012, II ZR 109/11).
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Geschäftsführer-Perspektive: Die A1-Bürokratie
Wer – wie die meisten Unternehmen – europaweit unterwegs ist, weiß was eine A1-Bescheinigung ist, wie man sie bekommt und wann man sie nicht bekommt und was passiert, wenn ein Mitarbeiter ohne A1-Bescheinigung arbeitender Weise entdeckt wird. Da geht ganz schnell um Schwarzarbeit und Geldwäsche – verbunden mit allen nur denkbaren Unannehmlichkeiten, über Anhörungen, Geldbußen bis hin zum Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen – nur um einmal die Bandbreite möglicher Vergehen und juristischer Konsequenzen aufzuzeigen. Was viele nicht wissen: Um die A1-Bescheinigung wird derzeit hinter Europas Kulissen heftig gestritten. Die EU-Volksvertreter wollen erreichen, dass europaweit A1-Bescheinigungen nicht mehr nachgereicht werden dürfen, sondern bereits vor Antritt einer Auslandstätigkeit eine solche Bescheinigung ausgestellt sein muss. Peter Altmaier fordert dagegegn, dass Tätigkeiten von maximal 7 bis 30 Tagen ohne A1-Bescheinigung möglich werden sollen. Na dann. Erfreulich: Seit 1.1.2020 ist die sog. „Ausdruckpflicht der A1-Bescheinigung” entfallen. Wie in vielen anderen EU-Ländern bereits üblich, können jetzt auch deutsche Arbeitgeber die A1-Bescheinigung dem Arbeitnehmer in elektronischer Form übermitteln bzw. zukommen lassen. Mit diesem letzten Schritt – so kommentiert das Wirtschaftsministerium im besten deutschen Amtsdeutsch – besteht jetzt ein vollständiges, medienbruchfreies elektronisches Verfahren. Mit freundlichen Grüßen.
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Geschäftsführer/Compliance: Was SIE noch erledigen sollten …
Betrifft … | Darum geht es … | to do … |
Fuhrpark | Wer seinen Fuhrpark in den nächsten Jahren auf E‑Mobilität umstellt, wird großzügig gefördert. Und zwar mit einer einmaligen Sonderabschreibung von 50% und zwar zusätzlich zur üblichen Abschreibung (§ 7 c EStG‑E, Jahresteuergesetz 2019, gilt nicht für Hybrid-Fahrzeuge). | Unterdessen wird das Post-Modell StreetScooter auch für externe Kunden produziert, Preis ca. 40.000 EUR. |
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Digitales: Pharma schlägt Kosmetik
In erfolgsgewohnter Trifalt sind die Unternehmerin Tina Müller (Douglas), der Investor Alexander Dibelius und die Kommunikations-Expertin Nina Ruge (Claim: „Alles wird gut”) dabei, die Kosmetik-Branche mit frischem Wind aufmischen. Stichwort: Anti-Aging. Das Produkt: Ein pharmazeutisches Anti-Narben-Gel, das ganz nebenbei einen hautstraffenden Effekt hat. Daraus machte das StartUp-Unternehmen Tomorrowlabs jetzt konsequenterweise ein neuartiges Kosmetik-Produkt, das dank der oben genannten Trifalt über Nacht die Verkaufstheken nicht nur bei Douglas erobert. Bleibt anzumerken: Bevor der Millionenseller gegen L´Oréal, Procter & Gambler und die anderen Großen der Branche antrat, hatten sich die Protagonisten gerade noch rechtzeitig in das ursprüngliche Medizin-StartUp eingekauft. Alle Beteiligten können sich jetzt auf fette Umsätze und gute Gewinne freuen. Auch die StartUp Gründer Dominik Duscher und Dominik Thor, beide Mediziner und ursprünglich als Forscher in Sachen „Älter werden” unterwegs.
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GmbH/Finanzen: Vorsicht mit Ratenzahlungsvereinbarungen
Bei Insolvenz eines Kunden schrumpft Ihr Zahlungsanspruch auf die Quote. Die beträgt meist nur ein Bruchteil der ursprünglichen Kaufpreisforderung. Das fällt noch stärker ins Gewicht, wenn weder Abschlagszahlungen noch ein Eigentumsvorbehalt vereinbart sind. Mögliche Lösung: Sie schließen mit dem Kunden eine Ratenzahlungsvereinbarung, um die Zahlungsunfähigkeit des Kunden und damit die bereits eingetretene Insolvenzreife zu vermeiden. Die Rechtslage: Laut Bundesgerichtshof (BGH) sind Sie dann in Beweisnot: „Kommt es aufgrund der Ratenvereinbarung zu Zahlungen und werden diese später vom Insolvenzverwalter zurückgefordert, so muss der Lieferant beweisen, dass durch die Ratenvereinbarung die Zahlungsunfähigkeit des Kunden tatsächlich nachträglich entfallen ist“ (BGH, Urteil v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12).
Sie müssen dann beweisen, dass der Kunde nicht mehr zahlungsunfähig war. Dazu genügt es nicht, sich einfach auf die Ratenzahlungsvereinbarung zu berufen. Zu Ihren Lasten wird unterstellt, dass Sie bei gewerblich tätigen Kunden damit rechnen müssen, dass noch andere Forderungen bestehen die keinen vergleichbaren Druck zur Eintreibung ihrer offenen Forderungen ausüben. In diesem Fall unterstellt das Gericht dem Lieferanten einen Benachteiligungsvorsatz gegenüber den anderen Lieferanten. Diesen können Sie nur dadurch widerlegen, in dem Sie nachweisen, dass der Kunde nach einer ursprünglichen Zahlungseinstellung nicht nur ihm gegenüber, sondern gegenüber allen Gläubigern die Zahlungen wieder aufgenommen hat. Können Sie das nicht belegen, besteht das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters wegen inkongruenter Deckung. Die Ratenzahlungsvereinbarung ist dann wirkungslos. Im schlechtesten Fall müssen Sie bereits erhaltene Raten zurückzahlen.
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Neues BGH-Urteil: Haftung der Gesellschafter
Verteilt der zur Auflösung der GmbH eingesetzte Gesellschafter-Geschäftsführer das Restvermögen der GmbH vor Ablauf des Sperrjahres an die Gesellschafter, obwohl noch Forderungen ausstehen, ergibt sich daraus dennoch keine unmittelbare persönliche Haftung des Gesellschafters gemäß § 64 GmbH-Gesetz. Dazu der Bundesgerichtshof (BGH): „§ 64 Satz 1 GmbH-Gesetz ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Der Gläubiger einer GmbH kann den Erstattungsanspruch der Gesellschaft nicht selbst unmittelbar gegen einen Gesellschafter verfolgen, auch nicht bei einem Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG” (BGH, Urteil v. 19.11.2019, II ZR 233/18).
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Mitarbeiter: Zeiterfassung per Fingerabdruck
Wollen Sie ein Arbeitszeiterfassungs-System einführen, das mittels Fingerabdruck der Mitarbeiter arbeitet, geht das nur mit der ausdrücklichen Zustimmung aller Mitarbeiter. Weigert sich ein Mitarbeiter, die Arbeitszeit auf diese Art und Weise feststellen zulassen, müssen Sie das akzeptieren. Die Richter des Arbeitsgerichts Berlin halten ein solches Zeiterfassungssystem für „nicht notwendig” (ArbG Berlin, Urteil v. 16.10.2019, 29 Ca 5451/19).
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Aufsichtsrats-/Beirats-Tätigkeit: Kein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmerlohn
Entgegen der Ansicht des Finanzamts und im Einvernehmen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, zur Richtlinie 2006/112/EG) hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt abschließend festgestellt, dass der Aufsichts- oder Beirat nicht als umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer tätig ist, wenn er für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält (BFH, Urteil v. 27.11.2019, V R 23/19).
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Neue Argumente für eine totale Arbeitszeiterfassung
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arbeitszeiterfassung steigt der Druck auf die Politik, entsprechende gesetzliche Maßnahmen umzusetzen (vgl. Nr 4/2020). Erste Initiativen kommen bereits aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Jetzt veröffentlichte Zahlen erhöhen den Druck auf die Politik: Danach verdienen ca. 3,8 Mio. Beschäftigte weniger als den vorgesehenen Mindestlohn (Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf Basis des sozioökonomischen Panels). Das deckt sich auch mit den Ergebnissen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die alleine im Januar bundesweit 185 Verstöße festgestellt und Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.
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Eine informative Lektüre und ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief