Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
das Geschäftsjahr 2010 geht zu Ende – und zwar genau so turbulent wie es angefangen hat. Für einige Geschäftsführer war es das beste Geschäftsjahr überhaupt. Andere mussten sich komplett neu aufstellen. Für einige Geschäftsführer bedeutete das zurückliegende Geschäftsjahr aber auch das „Aus“.
Viele Kollegen sind auch im Geschäftsjahr 2010 an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen. Angefangen von der zeitlichen Dauerbelastung, dem nervlichen Stress, die Situation überhaupt beherrschen zu können, bis hin zu unkalkulierbaren finanziellen Abhängigkeiten und Willkürlichkeiten, die tatsächliche Existenzängste brachten. Insgesamt bedeutete das für viele der Verantwortlichen in den Firmen einen hohen Grad von körperlicher, nervlicher und seelischer Belastung. Nutzen Sie also die bevorstehenden Feiertage und die Tage zwischen den Jahren dazu, sich ein wenig zurückzulehnen, sich neu zu orientieren und Kräfte zu sammeln, um Ihre Aufgaben 2011 mit neuer Energie anzupacken und wieder voll Gas zu geben. Denn das wird notwendig sein: Auch wenn sich für kleine und mittlere Unternehmen die Situation bei der Beschaffung von Firmenfinanzierungen und Krediten zumindest oberflächlich erst einmal entspannt hat, ist die Finanzkrise keinesfalls ausgestanden. Darüber sind sich alle Experten und Beteiligten im Klaren. Folgen:
- Die Finanzierung von Großprojekten wird unsicherer und ist damit so gut wie nicht mehr kaufmännisch zu kalkulieren. Das betrifft alle kleineren und mittleren Unternehmen, die darauf angewiesen sind, als Zulieferer oder Dienstleister in solchen Projekten Umsätze zu generieren.
- Zweite Folge: Es wird schwieriger langfristige Vorhaben „sauber“ zu kalkulieren. Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleitungen mit großen Vorleistungen erbringen, sind also gut beraten, sich neben der herkömmlichen Banken-Finanzierung nach zusätzlichen Finanzierungsquellen umzuschauen. Dabei sollten Sie ich nicht scheuen, neue Wege zu gehen – in Form von Privat Equity, mit der Herausgabe von Anleihen (etwa im Rahmen einer Mittelstandsanleihe) oder durch Bereitstellung zusätzlichen Eigenkapitals, etwa indem neue Geschäftspartner mit ins Boot genommen werden (z. B. Kunden oder Zuliefererfirmen).
- Weitere Folge der Finanzkrise: Finanzierungen werden (noch) teurer. Ganz gleich wie Sie finanzieren: Die Kosten der Finanzierung werden steigen. Das betrifft alle Komponenten die Finanzierung, angefangen von den Gebühren, den Nebenkosten, den Zinsen und den Kosten für (zusätzliche) Sicherheiten. Damit erhöht sich auch für kleine und mittlere Unternehmen der Druck, das interne Liquiditätsmanagement zu erhöhen und den Effizienzdruck auf alle Abteilungen und Projekte hoch zu halten oder noch zu erhöhen.
Neben diesem bankverursachten Druck auf die Preise erhöht sich auch der konjunkturelle Druck auf das Geld. Die Niedrigzinspolitik der EZB wird nicht mehr lange durchzuhalten sein. Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen bereits in der 2. Jahreshälfte 2011 nach oben korrigieren wird. Stellen Sie sich darauf ein, dass die Banken diese Preiserhöhung nicht nur voll weitergeben werden, sondern sogar noch eins draufsetzen werden. Kleine und mittlere Unternehmen sind gut beraten, langfristige und feste Zinsen zu vereinbaren.
In 2011 wird sich auch auswirken, worauf Volkswirte als Folge der Finanzkrise hingewiesen haben: Das Geld, das zusätzlich in den (Welt-) Markt gepumpt wurde, treibt die Preise. Bereits in 2010 konnte man in vielen Branchen hohe Preissteigerungen feststellen. Zwar betrafen die meisten Preiserhöhungen bisher die Endverbrauchermärkte. In den letzten Monaten stiegen aber auch gleich in einer ganzen Reihe von Branchen die Preise auf den Beschaffungsmärkten und zwar für inländische Vorprodukte genau so wie für Importe. Beispiele: Lebensmittelindustrie, Rohstoffe, Vorprodukte. Dieser Trend wird sich in 2011 nicht nur fortsetzen. Die Preise werden noch schneller steigen. Für Sie als Unternehmer bedeutet das:
- Für alle längerfristigen Projekte müssen die Preissteigerungen in der Kalkulation berücksichtigt werden. Sei es, dass mit prognostizierten Preisen gerechnet wird oder dass Sie Festpreise vereinbaren, Verträge mit (Tages-) Preisklauseln schließen oder sogar spekulativ mit Vorräten wirtschaften. Umgekehrt sind Verträge mit Zulieferern und Lieferanten unbedingt auf Preisklauseln zu prüfen, damit Sie wissen, auf was Sie sich tatsächlich einlassen.
- Unternehmen, die in angemieteten oder gepachteten Geschäftsräumen tätig sind, sollten prüfen, ob sich die Anschaffung einer Immobilie (im Privat- oder Geschäftsvermögen) rechnet. Insbesondere dann, wenn Teile des Vermögens in weniger wertbeständigen Anlageformen gehalten werden, die von dem oben beschriebenen Inflationsprozess betroffen sind.
- Besonders achten sollten Sie auf die Energiekosten. Dieser Kostenblock wird überproportional steigen, weil es auch in den letzten Jahren nicht gelungen ist, wirklichen Wettbewerb zu schaffen. Im Gegenteil: Alles deutet darauf hin, dass das Energie-Oligopol die Marktlage zu seinen Gunsten voll ausschöpfen wird. Stellen Sie dazu einfach einmal die Energiebilanz für Ihr Unternehmen auf.
Weniger dramatisch als im Moment abzusehen wird sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt entwickeln. Zwar steigt der politische Druck in Sachen Mindestlohn und Neuausrichtung der Zeitarbeit bzw. der Arbeitnehmerüberlassung. Die Handlungsfähigkeit der Parteien geht hier aber in Richtung Null. Auch die angekündigten Lohnerhöhungen einiger Konzerne werden in der Breite keine Wirkung entfalten. Lediglich in den technischen Branchen wird die Konkurrenz um Facharbeiter zunehmen, so dass die Löhne steigen. Für kleinere und mittlere Unternehmen heißt das: Unternehmen in technischen Branchen, die in 2011 zusätzliches Personal brauchen, müssen sich etwas einfallen lassen. Dabei gilt: Der Wettbewerb um Arbeitnehmer entscheidet sich nicht nur am Gehalt. Eine vorbildliche Unternehmenskultur wird von den Arbeitnehmern ebenfalls honoriert. Beziehen Sie Ihre zufriedenen Mitarbeiter in das Bewerbungsverfahren mit ein.
Auch an der Steuerfront wird es in 2011 für Unternehmen und hier auch für Kapitalgesellschaften (GmbH, UG) eher ruhig bleiben. Aus den Gesetzesänderungen mit Wirkung ab 2011 sind keine Steuermehrbelastungen zu erwarten. Das bedeutet aber nicht, dass Sie sich als Unternehmer hier zurücklehnen können. Im Gegenteil: Bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr zeichnete sich ab, wo die Reise in Sachen Steuern in den nächsten Jahren und auch schon in 2011 hingehen wird. Stellen Sie sich auf folgendes Szenario ein:
- Viele Kommunen haben bereits 2010 die Gewerbesteuer erhöht. Dieser Trend wird sich 2011 flächendeckend durchsetzen und auch vor größeren Städten und ausgewiesenen Gewerbeansiedlungen nicht halt machen. Der Druck auf die Kommunen wird sofort dann steigen, wenn – wie angedacht – Mieten, Pachten und Zinsen nicht mehr in die Gewerbesteuer einbezogen werden.
- Angedacht ist, dass Steuererleichterungen aus dem Steuervereinfachungsgesetz 2012 (Volumen: 4 Mrd. EUR) bereits rückwirkend für das Geschäftsjahr 2011 angewandt werden. Mit einer solch vagen Ankündigung lässt sich kaum planen.
Nicht anders sieht es bei den Kosten für Bürokratie aus. In 2010 haben die Unternehmen insgesamt über 40 Mrd. EUR alleine für Transaktionskosten aus alle nur möglichen gesetzlichen Verpflichtungen gezahlt. Das sind Kosten für Meldungen, Statistiken, Genehmigungen, Beratung usw. Im Raum steht die Ankündigung von Schwarz-Gelb, die Bürokratiekosten bis 2011 um 25% zu senken. Das ist aber bisher nicht passiert und bei den Unternehmen auch noch nicht angekommen. Im Gegenteil: Gerade die Kosten für Verwaltungsaufwans und Personal laufen weiter aus dem Ruder. Für Geschäftsführer kleinerer und mittelgroßer Unternehmen ist für 2011 zu erwarten:
- Zwar gibt es für das Projekt ELENA zurzeit offiziell eine Auszeit. Als Unternehmer müssen Sie die Meldepflichten dennoch bis auf weiteres erfüllem und die entsprechenden Bearbeitungshonorare für die monatliche Meldung zahlen.
- Nicht abzusehen ist, mit welchen Kosten Unternehmen für das Lohnstsuerkarten-Nachfolgemodell Elstam II belastet werden, z. B. mit zusätzlichen Gebühren für Abfragen oder Änderungseinträge.
An dieser Stelle muss auch auf eine Entwicklung hingewiesen werden, die auch alle kleineren und mittelgroßen Unternehmen betrifft, die in Märkten mit wenigen Marktteilnehmern tätig sind. Die europäischen und die deutschen Kartellbehörden sind dazu übergegangen, auch „kleinere“ Branchen systematisch unter die Lupe zu nehmen und (vermeintliche) Wettbewerbsverstöße mit Geldbußen zu belegen. Vermeintlich, weil das angewandte Verfahren nicht unumstritten ist. Das betrifft z. B. Kaffeeröster, Sanitärausstatter, Flüssiggasvertreiber, Absprachen über Flugpreise, Kesselhersteller usw. , die Liste der betroffenen Unternehmen lässt sich nahezu endlos fortsetzen. Begünstigt wird das Vorgehen der Kartellbehörden durch die 2002 eingeführte Kronzeugenregelung, wonach das „zur Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden“ bereite Unternehmen straffrei gestellt wird. Hier gilt es Vorkehrungen zu treffen: Als Geschäftsführer müssen Sie sicherstellen, dass Informationen über Kalkulationen, Preise und Konditionen im Hause bestens gehütet und geschützt werden.
Schon an diesen wenigen Themenausschnitten sehen Sie, dass es auch 2011 an der unternehmerischen Front nicht zur Ruhe kommen wird. Dabei ist der Katalog an Stolperfallen und Fallstricken keineswegs vollständig. Hinzuweisen ist etwa auf die zeitnahe Betriebsprüfung mit weiteren Einschnitten in die Autonomie der Unternehmen, die zusätzlichen Anforderungen an die Rechnungslegung zur Angleichung an internationale Standards oder der Anstieg der Beratungskosten für Anwälte.
Ich werde Sie auf diesem Weg auch weiterhin gerne beraten und Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest, ein paar erholsame Tage und auch weiterhin viel Erfolg für das bevorstehende Geschäftsjahr 2011
Mit besten Grüßen Ihr Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur der Volkelt-Brief