Jetzt ist es amtlich: Laut Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein „muss sich der Geschäftsführer die notwendigen steuerrechtlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen, um das Amt auszuführen“. Ganz konkret muss er in der Lage dazu sein, eine Jahresbilanz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.2.2010, 5 U 60/09). Wichtig für Sie > Unsere TIPPS
Neu an diesem Urteil ist: Es genügt nicht zu seiner Haftungsfreistellung, wenn er den Jahresabschluss (z. B. beim Erwerb einer GmbH oder bei Vorlage des Jahresabschusses zur Feststellung durch die Gesellschafter) vom Steuerberater erstellen lässt und sich darauf beruft, dass dieser den Jahresabschluss von Berufs wegen korrekt anzufertigen habe. Der Geschäftsführer muss selbst beurteilen können, ob der Jahresabschluss in seinen Rahmenaussagen korrekt ist und dem tatsächlichen Geschäftsverlauf entspricht.
Das Urteil hat ganz praktische und weit reichende Folgen, z. B. bei der Beurteilung einer Fortsetzungsprognose in der wirtschaftlichen Krise der GmbH. Nach Auffassung des Gerichts, muss der Geschäftsführer auch den Ansatz der Bilanzierungswerte im Zusammenhang mit einer Fortsetzungsprognose korrekt beurteilen können, z. B., ob Forderungen vom Steuerberater korrekt aktiviert wurden (hier: Forderungen gegen nicht nachschusspflichtige stille Gesellschafter).
Vorsicht: Geschäftsführer ohne kaufmännische Fachausbildung (z. B. Kfm., BW) sind in der Regel nicht in der Lage, eine solche Beurteilung zu geben – Sie sind dabei auf die Aussagen des Fachbereichs Rechnungswesen/Controlling in Ihrem Unternehmen angewiesen. Da der Sanierungsfall aber auch für die Fachabteilung „Neuland“ ist, sollte auch deren Einschätzung zusätzlich abgesichert werden – nur dann ist der Geschäftsführer wirklich sicher.
Für die Praxis: Das Urteil ist rechtskräftig und dürfte damit zum Maßstab für zukünftige Entscheidungen zur Geschäftsführer-Haftung herangezogen werden. Insbesondere für Geschäftsführer ohne kaufmännische Ausbildung bedeutet das ein zusätzliches persönliches Risiko. Für diese Geschäftsführer ist es wichtig, dass eine hieb- und stichfeste Ressortverteilung vereinbart wird (klare Definitionen der Aufgaben, z. B. der gesamte kaufmännische Bereich, Erstellung des Jahresabschlusses und von Zwischenbilanzen). Achtung: Die Ressortaufteilung entbindet nicht von der Pflicht, die ordnungsgemäße Erfüllung der handelsrechtlichen Vorgaben zu prüfen.
Vorsichtsmaßnahmen: Geschäftsführer, die Bedenken zum Jahresabschluss haben, sollten sich zusätzlich absichern. Entweder, indem Sie sich im persönlichen Gespräch mit dem Steuerberater über die ordnungsgemäße Erstellung versichern und Fragen zum Verständnis stellen. Dokumentieren Sie die Inhalte dieses Gespräches. Bestehen weiterhin Bedenken, sollten Sie sich nicht scheuen, vorab – also vor der Vorlage des Jahresabschlusses an die Gesellschafter – eine freiwillige unabhängige Prüfung zu beantragen. Und zwar zunächst im Geschäftsführungs-Gremium. Geht das nicht durch, sollten Sie die einzelnen Gesellschafter darüber informieren, dass Sie eine unabhängige Prüfung für empfehlenswert halten.
Sonderfall „Sanierung“: Noch schwieriger ist die Beurteilung z. B. der Fortsetzungsprognose in der wirtschaftlichen Krise der GmbH. Sind Ihnen die Sanierungsbemühungen z. B. des kaufmännischen Geschäftsführers „suspekt“, sollten Sie sich auch – wie oben beschrieben – absichern und im Notfall die Niederlegung des Amtes in Ihre Überlegungen einbeziehen. Das sollte aber unbedingt nur nach Absprache mit dem Anwalt erfolgen – hier müssen zusätzliche Rechtsfragen berücksichtigt werden.