Die Themen heute:
GmbH in der Krise: Hängepartie um die Überschuldung + Geschäftsführer im Konzern: Auch hier werden Stühle gerückt + Geschäftsführer-Perspektive: Der Stress geht in die nächste Runde + Praktisch: Zukaufen und Verkaufen in der Krise + Digitales: Die App für die Software + GmbH-Sanierung: Was tun, wenn ein Gesellschafter nicht mitzieht? + Arbeiten: Neue Arbeitsschutzregeln in Corona-Zeiten + GmbH/Kosten: Anwaltsgebühren steigen + Neues Urteil: Kein Versicherungsschutz für Corona-Betriebsschließung + GmbH/Recht: Pfändung der Geschäftsführer-Altersversorgung + Recht: Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt
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Freiburg, 21.8.2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
offizielle Zahlen, wie viele Firmen ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen nur noch aus Zuschüssen oder zusätzlichen Krediten zahlen, gibt es nicht. Aber so viel weiß man: Es sind viele – alleine in der Hotel- und Gastronomiebranche stehen laut DEHOGA 70.000 „auf der Kippe”. Viele davon sind überschuldet. D. h., die Schulden – auch oder gerade mit den neuen Krediten – sind höher als das Vermögen der GmbH/UG. Alle diese Unternehmen müssen nach dem 30.9.2020 Insolvenzantrag stellen – dazu ist die Geschäftsführung rechtlich verpflichtet (vgl. zuletzt Nr. 32/2020). So die derzeitige Rechtslage.
Im Bundesjustizministerium (BMJ) befürchtet man unterdessen, dass es nach dem 30.9. zu einem regelrechten Massenandrang bei den Insolvenzgerichten kommen wird. Und man geht davon aus, dass viele der bilanziell überschuldeten Unternehmen doch noch gerettet werden können. Voraussetzung: Der Aufschwung kommt. Um einen Run auf die Registergerichte zu vermeiden, wird überschuldeten Unternehmen wohl doch noch eine weitere Überlebenschance gewährt. Für sie soll es eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.12.2020 oder sogar bis zum 31.3.2021 geben. Dazu wird es noch Abstimmungen in der GroKo bzw. zwischen den zuständigen Ministerien geben. Das CDU geführte Wirtschaftsministerium ist hier für die kürzere Frist, wird sich aber u. E. nicht gegen das SPD-geführte Justizministerium durchsetzen können. Überschuldete Firmen dürfen sich also auf einen Aufschub bis zum 31.3.2021 einrichten.
Für die Praxis: Keine Verlängerung gibt es für die GmbH/UG, die nach wie vor Zahlungsschwierigkeiten haben. Hier müssen Geschäftsführer bei Illiquidität bzw. bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Schlusstermin 30.9. beachten und entsprechend handeln.
Geschäftsführer im Konzern: Auch hier werden Stühle gerückt
Nicht nur in kleineren und mittelständischen GmbHs wirkt die Corona-Krise mit zunehmendem Druck auf die Geschäftsführung und alle anderen Führungskräfte. Auch in vielen verbundenen Unternehmen und Konzernen gibt und gab es vielfaches Stühlerücken. Enttäuschte Geschäftsführer sind gut beraten, ihre rechtliche Situation genau prüfen zu lassen. Krisengewinnler müssen darauf achten, wie sie als neuer Geschäftsführer rechtlich in den Konzern eingebunden sind. Worauf sollten Sie unter veränderten Bedingungen achten?
Wechselt ein Angestellter im Konzern in die Geschäftsführung einer Tochter-Gesellschaft und schließt er dazu einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ab, endet damit automatisch das bisher bestehende Arbeitsverhältnis. Das war rechtlich lange umstritten. Unterdessen hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtslage in mehreren Entscheidungen bestätigt (vgl. zuletzt BAG, Urteil v. 19.7.2007, 6 AZR 774/06). Das Arbeitsverhältnis besteht nur dann ausnahmsweise weiter, wenn im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbart wird, dass der Geschäftsführer nach Abberufung und Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages Anspruch auf sein (ruhende) Arbeitsverhältnis und eine entsprechende Beschäftigung hat.
Achtung: In der Sache ist ein weiteres Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zu beachten. Dabei geht es um Geschäftsführer, die schon vorher im Konzern beschäftigt waren (z. B. als Projekt- oder Ressortleiter) und innerhalb des Konzerns zum Geschäftsführer in einer anderen, selbständigen Konzerngesellschaft berufen werden (BAG, Urteil v. 24.10.2013, 2 AZR 1078/12). Danach gilt:
- Das vorherige Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers endet nur dann automatisch, wenn die Parteien des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages zugleich die Parteien des Arbeitsvertrages sind.
- Ist das nicht der Fall, muss der vorherige Arbeitsvertrag ausdrücklich und damit schriftlich gekündigt werden. Er endet nicht automatisch mit Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages.
Entscheidend ist dabei nicht, ob die gleiche(n) Person(en) den Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag unterschrieben haben. Also z. B. der Vorstand in Vertretung der Konzern-Muttergesellschaft und zugleich für die Tochtergesellschaft. Entscheidend ist, mit welcher Gesellschaft die Verträge abgeschlossen werden.
Beispiel: Der Mitarbeiter hat einen Arbeitsvertrag als Ressortleiter bei der Konzern-Mutter-AG. Er wird zum Geschäftsführer berufen. Den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag schließt er mit der Tochter-GmbH ab. Folge: Der alte Arbeitsvertrag ist mit Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages nicht automatisch beendet. Schließt er aber den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit der Mutter-AG ab, für die er dann als Geschäftsführer in der Tochter-GmbH tätig wird, endet der bestehende Arbeitsvertrag automatisch.
Für die Praxis: Gehen Sie davon aus, dass die Justitiare/Berater in den Konzernen diese Rechtslage kennen und umsetzen. Man wird darauf achten, dass die sog. Unternehmensidentität gegeben ist. Rechtlich unangreifbar ist es, wenn die Konzern-Mutter den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag abschließt und den Geschäftsführer dann in die Tochter-GmbH delegiert. Für Alt-Verträge gilt: Wurden Sie als Angestellter zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH bestellt und gekündigt, lohnt es zu prüfen, mit welchem Unternehmen der Arbeits- bzw. der Anstellungsvertrag abgeschlossen wurde. In diesem Fall sind Sie als Geschäftsführer u. U. vor dem sog. Hinauskündigen geschützt. Ihre Rechte aus dem vormaligen Arbeitsvertrag bestehen weiter und sind in der Regel nur per Aufhebungsvertrag gegen eine entsprechende Abfindungszahlung aufzulösen.
Geschäftsführer-Perspektive: Der Stress geht in die nächste Runde
Erkenntnis im Justizministerium: Kredite an notleidende GmbH/UG beseitigen Zahlungsunfähigkeit. Nicht aber Überschuldung. Angezählte Unternehmen, die nach dem 30.9. zahlungsunfähig sind (Zombies), scheiden dann ohnehin aus dem Wirtschaftsleben aus. Unternehmen, die überschuldet sind, dürfen in die Verlängerung (vgl. S. 1). Geschäftsführer*innen dieser Unternehmen müssen sich nochmals auf 90 bzw. 180 Tage Schattenboxen einstellen. Wer es nicht schafft, neues Eigenkapital zu beschaffen (woher?), kann den K.o.-Schlag dann zwar noch ein bisschen hinauszögern. Der Rest ist Marktbereinigung bzw. endgültiger k.o.. Der Gesetzgeber ist jedenfalls raus und die Insolvenzzahlen sehen nicht mehr ganz so drastisch aus. Die Bundestagswahl 2021 fest im Visier. Mit freundlichen Grüßen.
Praktisch: Zukaufen und Verkaufen in der Krise
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Verkauf/Zukauf |
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Digitales: Die App für die Software
Im Marketing wird Indesign für die Bereitstellung von Werbematerial und Prospekten eingesetzt. In der Planung eine externe Software für die Projektsteuerung. Per E‑Mail-Software wird der Newsletter an die Kunden erstellt und verschickt. Da kann man schon einmal den Überblick darüber verlieren, wieviel und welche Software in der Firma von den verschiedenen Abteilungen und Projekten genutzt wird. Der Praxistest zeigt: Lizenzen sind oft ungenutzt und trotzdem wird immer noch eine neue Lizenz abgeschlossen, wenn die Abteilung neuen Bedarf anmeldet. Das Berliner StartUp Onetool hat dieses Problem erkannt und dafür eine Lösung entwickelt: Mit Onetool managen Unternehmen die Software-Abos ihrer Mitarbeiter. Das spart Kosten – je nach Größe des Unternehmens bis zu mehreren Tausend Euro im Jahr. Onetool schaffte es bereits an einem Tag, 45 neue Kunden für ihre Lösung zu begeistern. Gute Idee. Vorschlag: Hilfreich wäre es, wenn für den deutschen Markt eine deutsche Internet-Version zur Verfügung stünde.
Für die Praxis: Lassen Sie sich von Ihrer IT bzw. Ihrem IT-Dienstleister eine Liste aller der in Ihrem Unternehmen aktuell genutzten (und bezahlten) Software-Lizenzen erstellen. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Kosten/Lizenzgebühren und über die tatsächliche Nutzung. In vielen Fällen genügt alleine das schon für eine Optimierung.
GmbH-Sanierung: Was tun, wenn ein Gesellschafter nicht mitzieht?
Um Wachstum angemessen zu finanzieren oder – wie jetzt – in der Krise effektiv und schnell zu reagieren, können sich die GmbH-Gesellschafter bereits vorab im Gesellschaftsvertrag dazu verpflichten, der GmbH zusätzliche Mittel bereit zu stellen (Nachschusspflicht). Entweder in vorab festgelegter Höhe oder als Nachschuss in unbegrenzter Höhe. Allerdings hat der Gesellschafter dann das Recht, sich aus der GmbH zurückzuziehen (sog. Abandon). Zieht einer der Gesellschafter bei der Sanierung aus seiner Nachschusspflicht nicht mit, müssen Sie als Geschäftsführer tätig werden und die Einziehung dessen Anteils veranlassen (Kaduzierungsverfahren). Beachten Sie dabei, dass die Auszahlung des eingezogenen GmbH-Anteils durch die GmbH Liquidität kostet, die dann zusätzlich beschafft werden muss. Achtung: Wird einer der GmbH-Gesellschafter aus der GmbH ausgeschlossen oder kündigt er seine Mitgliedschaft, treten die damit verbundenen Rechtsfolgen erst ein, wenn die GmbH für den Geschäftsanteil eine angemessene Abfindung ausgezahlt hat. Hat die GmbH die Abfindung auf den Geschäftsanteil nicht bezahlt, bleiben die Gesellschafterrechte bestehen. Im Klartext: Der auszuschließende Gesellschafter hat weiterhin Anspruch auf seinen Gewinnanteil bzw. auf sein Stimmrecht. Der einzelne Gesellschafter hat damit eine Sicherheit, dass er nicht „leer“ ausgeht. Laut Bundesgerichtshof (BGH) gilt das aber nur unter Einschränkungen. So kann z. B. im Gesellschaftsvertrag der GmbH vereinbart werden, dass der Gesellschafter seine Stellung sofort nach der Beschlussfassung verliert, also noch vor Zahlung der Abfindung (BGH, Beschluss v. 8.12.2008, II ZR 263/07).
Für die Praxis: Aus Sicht der GmbH ist das eine durchaus sinnvolle Möglichkeit, das „schnelle“ Ausscheiden z. B. eines nicht sanierungs-bereiten Gesellschafters zu ermöglichen. Damit gewinnt die GmbH Zeit, nach einem neuen Gesellschafter zu suchen, der den GmbH-Anteil übernimmt. Oder die GmbH gewinnt Zeit, die Finanzierung der Einziehung des GmbH-Anteils in Ruhe zu planen und mit den finanziellen Möglichkeiten der GmbH abzugleichen. Anders die Situation für den ausscheidenden Gesellschafter. Er verliert u. U. sofort mit dem Ausschluss alle Gesellschafterrechte und damit Sicherheiten für den Fall, dass die GmbH für seinen Anteil nicht zahlt. Steht eine solche Klausel im Gesellschaftsvertrag der GmbH, bedeutet das eine klare Schlechterstellung des Gesellschafters gegenüber der GmbH.
Arbeiten: Neue Arbeitsschutzregeln in Corona-Zeiten
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Vorschriften zum Arbeitsschutz aktualisiert. Die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthält Konkretisierungen der Anforderungen der Verordnungen nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Bei Einhaltung dieser Konkretisierungen können Sie davon ausgehen, dass die Anforderungen aus den Verordnungen erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Andere Lösungen können bei abweichenden Rechtsvorschriften der Länder zum Schutz der Beschäftigten vorrangig in Betracht kommen. Das BMAS empfiehlt, sich bei der Formulierung innerbetrieblicher Leitlinien an diesen Vorschriften zu orientieren.
GmbH/Kosten: Anwaltsgebühren steigen
Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) werden alle Anwaltsgebühren linear um 10 % angehoben, bei sozialrechtlichen Mandaten sogar um 20 %. Das betrifft z. B. anwaltliche Beratung und Vertretung im Zusammenhang mit der Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des GmbH-Geschäftsführers. Auch die Gerichtskosten werden pauschal um 10 % angehoben. Neue Gebühren gibt es auch in Sachen außergerichtlicher Einigung, bei der Bemessung der Fahrtkostenpauschale und bei den Tages- und Abwesenheitsgeldern. Stellen Sie sich ab 1.1.2021 auf höhere Kosten für anwaltliche Beratungsleitungen ein. Möglich bleibt aber eine individuelle Pauschalvereinbarung.
Neues Urteil: Kein Versicherungsschutz für Corona-Betriebsschließung
Verspricht eine Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für „nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 nach dem Infektionsschutzgesetz)” Krankheiten und Krankheitserreger, wobei Covid-19 und Sars-Cov‑2 nicht genannt sind, besteht kein Versicherungsschutz bei einer Betriebsschließung wegen des neuartigen Corona-Virus. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm ist die Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger in den vereinbarten Versicherungsbedingungen abschließend. Die Klage eines Gastronomen auf Zahlung von 27.000 EUR blieb damit erfolglos (OLG Hamm, Urteil v. 15.7.2020, 20 W 21/20).
GmbH/Recht: Pfändung der Geschäftsführer-Altersversorgung
Liegt ein – zulässiger und wirksamer – Pfändungsbeschluss über die Versorgungszusage vor, die die GmbH für ihren Geschäftsführer zur Altersversorgung abgeschlossen hat, dann kann diese Pfändung laut Bundesgerichtshof (BGH) auch entsprechend durchgeführt werden. Nur ausnahmsweise kann eine solche Verpfändungsverfügung nichtig sein. Dazu der BGH: „Die Pfändung einer Forderung (hier: Ansprüche einer GmbH-Geschäftsführerin aus der Versorgungsanzeige der GmbH) ist wirksam, solange sie nicht nichtig ist, das heißt unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler leidet. Allein in der Nichtbeachtung von Pfändungsschutzvorschriften liegt kein besonders schwerer und offenkundiger Fehler der Pfändung einer Forderung, weshalb ein etwaiger Verstoß eine Pfändung nicht nichtig werden lässt” (BGH, Beschluss v. 2.7.2020, VII ZA 3/19).
Recht: Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in einem Grundsatzurteil festgestellt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen sind, damit überhaupt ein Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt durchgesetzt werden kann. Danach gilt: „Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist” (BGH, Urteil v. 16.7.2020, IX ZR 298/19).