Die Themen heute:
Insolvenz-Stichtag 30.9.: Alternativlos … + GmbH-Notverkauf: Gute Vorbereitung ist die halbe Miete + Geschäftsführer-Perspektive: Zweierlei Maß + Ganz praktisch: Neue Hilfen für Export-Unternehmen + Digitales: Die Batterien-Tester + GmbH-Finanzen: Geld aus dem Netz + GmbH/Recht: Ergänzungen zur Gesellschafterliste + Mitarbeiter: Belästigung am Arbeitsplatz + Internet/Marketing: BGH wird über Influencer-Werbung entscheiden + StartUp-Branche: Erleichterungen für Mitarbeiter-Beteiligungen + Zahlen: GmbH und UG weiter im Vormarsch
Volkelt-Brief 29/2020 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 17. Juli 2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
ab dem 30.9.2020 – also in rund 10 Wochen – gilt für alle Kollegen/Innen wieder die 3‑Wochen-Insolvenzantragspflicht (vgl. zuletzt Nr. 22/2020). Im Klartext: GmbH/UG, die überschuldet sind, müssen spätestens dann Insolvenz anmelden. Viele kleinere und mittelgroße Unternehmen konnten zwar mit einem Überbrückungskredit Zahlungsunfähigkeit abwenden. Der Kredit steht aber als Fremdkapital in der Bilanz und erhöht somit das Überschuldungs-Potenzial. In der Folge prognostizieren die meisten Experten und jetzt auch das Statistische Bundesamt schon jetzt für den Herbst (stark) steigende Insolvenzen.
Es gibt Kollegen/Innen, die sich ganz bewusst darauf eingelassen haben, einen Kredit mitzunehmen, um damit das eigene Gehalt und den eigenen Lebensunterhalt wenigstens für ein paar Monate zu sichern. Auch und gerade mit der Aussicht, anschließend Insolvenz anzumelden. Wie viele Kollegen/Innen das sind, darüber kann man nur spekulieren. Aus Gesprächen mit Kollegen/Innen weiß ich allerdings, dass diese Option nicht nur Einzelfall ist, sondern für nicht wenige Kollegen/Innen realistische Option gegen eine existenzielle Notsituation war und ist. ACHTUNG: Pflichtversicherte Geschäftsführer, die in der Insolvenz mit Insolvenzgeld und anschließend mit einem Bezug von ALG1 auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Gehalts rechnen, sind aber gut beraten, sich darauf nicht zu verlassen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wird die Anspruchsberechtigung genauestens prüfen.
GmbH-Notverkauf: Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Expansionsbereite Investoren und Unternehmen nutzen derzeit verstärkt die wirtschaftliche Talfahrt vieler – auch und besonders mittelständischer – Unternehmen, um sich gezielt breiter aufzustellen. Man sucht gezielt nach geeigneten „Objekten”. Für die Kollegen/Innen, die dabei sind, ihre Nachfolge organisieren, ist das eine zusätzliche Chance. Ist ein Konzern an der Übernahme Ihrer GmbH interessiert, prüft der potenzielle Käufer in der Regel die Übernahme nach dem umfassenden und intensiven Due Diligence Verfahren. Bestandteil dieser Prüfung sind die Rechte und Pflichten der Gesellschafter und damit die Reichweite des GmbH-Gesellschaftsvertrages – etwa die Rechte des abzufindenden Gesellschafters oder die Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes. In der folgenden Checkliste haben wir die Punkte zusammengestellt, mit denen Sie Ihre Verhandlungsposition besser machen können. Voraussetzung: Der Käufer ist stark an einem Invest in Ihrer Branche/Ihrer GmbH interessiert und die Substanz und die Aufstellung der GmbH passt zum Erwerber.
Checkliste: Der Käufer ist an einem Invest stark interessiert und der Verkäufer will von seiner starken vertraglichen Position profitieren:
Regelung … |
optimale Regelung … |
Stimmrechtsvereinbarung | Der (Allein-) Gesellschafter, der veräußern will, bleibt zu einem geringen Teil an der GmbH beteiligt (z. B. 26 % = Sperrminorität). Zusätzlich kann im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, dass wichtige Entscheidungen (z. B. Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Abschaffung von Vorkaufsrechten) nur einstimmig gefasst werden müssen. |
Vorkaufsrecht |
Der Gesellschafter, der veräußern will, hat damit Anspruch darauf, dass der neue Gesellschafter seinen GmbH-Anteil nicht einfach weiterveräußern kann. Er muss den GmbH-Anteil zunächst dem anderen Gesellschafter (also Ihnen) zum Kauf anbieten. Damit können Sie verhindern, dass Ihre GmbH in Zukunft z. B. an einen Konkurrenten verkauft wird. |
Zustimmung zur Übertragung von Anteilen |
Ohne Zustimmung des Gesellschafters kann ein GmbH-Anteil nicht veräußert werden. Auch damit behalten Sie die Kontrolle darüber, wer in Zukunft Gesellschafter an Ihrer GmbH wird. |
Befreiung vom Wettbewerbsverbot | Bleiben Sie bei einem Verkauf mit einem Mini-Anteil Gesellschafter und wollen Sie in Zukunft Geschäfte im Gegenstand der GmbH außerhalb der GmbH auf eigene Rechnung machen, müssen Sie darauf achten, dass Sie nicht gegen das bestehende allgemeine Wettbewerbsverbot verstoßen. Das ist z. B. möglich, indem Sie vor dem Verkauf den „Gegenstand der GmbH“ so abändern, dass er nicht mehr die von Ihnen in Zukunft geplanten Geschäfte umfasst. |
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot |
Eine gute vertragliche Ausgangsposition können Sie sich auch für den Fall verschaffen, wenn Sie nach dem Verkauf der GmbH noch für einige Zeit in der GmbH tätig bleiben wollen (z. B. als Geschäftsführer) und sich nach dem Ausscheiden noch nachvertragliche Gehaltsansprüche sichern wollen. Dazu können Sie noch vor dem Verkauf (am besten einige Jahre) Ihren Anstellungsvertrag um ein nachverträgliches Wettbewerbsverbot gegen Anspruch auf Karenzentschädigung und ohne Rücktrittsrecht der GmbH einbauen. |
Geschäftsführer-Perspektive: Zweierlei Maß
1,5 Bio. EUR zur Rettung der Wirtschaft in Europa. Der Bund beteiligt sich mit 9 Mrd. EUR an der Lufthansa. Geld für alle, die Not leiden. Nicht nur der kleine Mann wundert sich. Auch viele Kollegen/Innen fragen sich, warum man nicht schon vorher darauf gekommen ist, Geld nach Bedarf zu drucken und zu verteilen – was in bargeldlosen Zeiten ohnehin kaum ein Problem sein sollte. Keynes lässt grüßen. Allerdings hatte man damals zumindest noch versucht, den Investitionseffekt einigermaßen solide gegenzurechnen. Im Mikrokosmos der Wirtschaft ticken die Uhren etwas anders: Weil sich die Geschäftsführerin einer Mini-UG Rechnungsbeträge der UG auf´s Privatkonto überweisen ließ, musste sie Rechenschaft ablegen und wurde verurteilt – Haft auf Bewährung und Rückzahlung des verursachten Schadens. Richtig: Wer Verantwortung hat, muss die auch tragen. Mit freundlichen Grüßen.
Ganz praktisch: Neue Hilfen für Export-Unternehmen
Der Bund hat die Konditionen für Ausfuhrgeschäfte überarbeitet und an die neuen Risiko-Bedingungen angepasst – befristet bis zum 30.6.2021. Weiterführende Informationen > Hilfsprogramm für die Exportwirtschaft
Digitales: Die Batterien-Tester
Elektromobilität heißt eine der Zukunftstechnologien. Alle renommierten Unternehmen der Branche mischen mit und der Staat sorgt mit einer großzügigen Finanzierung für die Rahmenbedingungen, damit der Hype zum Boom werden kann. Eben erst hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) des Bundesanteil für den Umweltbonus für E‑Fahrzeuge befristet bis 31.12.2021 auf 9.000 EUR verdoppelt. Das Münchner StartUp Twaice hat dazu jetzt als erstes Unternehmen überhaupt ein Batterie-Analyse-Tool entwickelt. Die Software ermöglicht einen Report zum Gesundheitszustand einer Batterie und löst damit gleich ein paar grundsätzliche Probleme der Branche. Zum Beispiel: Dimension und Gewicht der Energiezelle können vom Hersteller besser optimiert, Gerätegarantien können treffsicherer bestimmt und Gebraucht-Verkäufe von E‑Fahrzeugen genauer kalkuliert werden. Automobil-Hersteller, Versicherungsunternehmen und sogar der Gebrauchtwagen-Bewerter Schwacke sind hellauf begeistert von der Lösung – was dazu beitragen wird, dass sich die Software verbreiten und in Windeseile zum Handwerkszeug in jedem Kfz-Betrieb avancieren wird. Beste Voraussetzung zum Skalieren.
Für die Praxis: Das ist wieder mal ein gutes Beispiel dafür, wie es kleine – flexible – Unternehmen mit einer intelligenten Lösung den „Großen” vormachen. Das Rennen um Beteiligungen und/oder Übernahme ist bereits eröffnet. Mit etwas mehr Dynamik hätten die QM-Manager – etwa von Varta und anderen Batterie-Entwicklern – selbst auf diese Produkt-Innovation kommen können.
GmbH-Finanzen: Geld aus dem Netz
Für Privatpersonen gehört die Kreditsuche bzw. ‑aufnahme über das Internet längst zum Alltag. So vermittelt z. B. die Kredit-Plattform Auxmoney (www.auxmoney.de) Kredite von Privatpersonen an private Kreditsuchende. Unterdessen ist ein unübersichtlicher Markt an Kredit-Plattformen für Private entstanden. Unternehmen tun sich da immer noch um Einiges schwerer. Hier spielen Vertrauen und persönliche Beziehungen erfahrungsgemäß noch eine größere Rolle. Dennoch: Das Geld- und Finanzgeschäft hat sich auch für Unternehmen in das Internet verlagert. Hier sind inzwischen einige Online-Kreditmarktplätze etabliert, die sich auf unternehmerische Belange und Besonderheiten eingerichtet haben.
Beispiel: Funding Circle. Mindestvoraussetzungen: Unternehmen, die ihre Tätigkeit bereits seit mindestens zwei Jahren ausführen, einen durchschnittlichen jährlichen Umsatz von 50.000 EUR nachweisen können und nach HGB bilanzieren, können einen Kredit online bei Funding Circle beantragen. Für einen Kredit werden die letzten zwei Jahresabschlüsse nach HGB, eine aktuelle BWA mit Summen- und Saldenliste, Personalausweiskopien des Antragstellers und des Bürgen sowie Kontoauszüge des Hauptbankkontos für die letzten drei Monate benötigt. Sobald die Unterlagen vorliegen und die Kreditanalysten diese überprüft haben, erhalten Sie eine Kreditentscheidung und ein verbindliches Angebot in maximal 48 Stunden – und das Kapital in 7 Tagen nach Vertragseingang. Weitere Anbieter: Auxmoney, Capilendo, compeon, creditshelf, easyCredit, Fintura, FinCompare, Funding Circle, iwoka. Bei diesen Unternehmen handelt es sich nicht um Banken, sondern um zugelassene Kreditvermittler, die darüber hinaus Finanzierungsberatung anbieten.
Für die Praxis: Dass die Finanzierung von kleineren Unternehmen über Internet-Plattformen boomt, belegt z. B. die Entwicklung des Finanzierungsberaters creditshelf. Bei einem angefragten Kreditvolumen von ca. 1,4 Mio. EUR in 2019 wurden 88 Mio. EUR tatsächlich mit Krediten finanziert. Versprechen des Unternehmens: Spätestens nach 48 Stunden weiß das Kredit suchende Unternehmen, ob eine Finanzierung mit creditshelf möglich ist.
GmbH/Recht: Ergänzungen zur Gesellschafterliste
Registergerichte lehnen Anträge auf Eintragung oder Änderungen zum Handelsregister immer wieder aus formalen Gründen ab. Ärgerlich: Der Antragsteller – also in der Regel der Geschäftsführer der GmbH – muss sein Anliegen gerichtlich durchsetzen. Zum Beispiel dann, wenn er seiner Verpflichtung zur Aktualisierung der Gesellschafterliste nachkommen will. Dazu das Oberlandesgericht Düsseldorf: „Eine neue Gesellschafterliste kann auch dann zum Handelsregister eingereicht werden, wenn eine Veränderung in der Person der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung nicht eingetreten ist”. Das Registergericht muss danach auch ledigliche Anpassungen in der Gesellschafterliste aus Rechtsänderungen (z. B. Ergänzung der prozentualen Beteiligung am Stammkapital oder der laufenden Nummerierung der Geschäftsanteile) annehmen bzw. ausführen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.4.2020, 3 Wx 28/19).
Mitarbeiter: Belästigung am Arbeitsplatz
Wenn ein Mitarbeiter sexuelle Belästigung durch einen Kollegen anzeigt, muss der Arbeitgeber dem nachgehen. Je nach Schwere des Falls kann er mit einer Abmahnung, Versetzung, Umsetzung oder Kündigung reagieren. Das ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln. Im Urteilsfall hat das Gericht die fristlose Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters (hier: 15 Jahre) bestätigt, der eine Mitarbeiterin belästigt hatte und zivilrechtlich dafür belangt wurde (LAG Köln, Urteil v. 19.6.2020, 4 Sa 644/19).
Internet/Marketing: BGH wird über Influencer-Werbung entscheiden
Immer mehr Unternehmen werben auf Social-Media-Kanälen – auch unter Einsatz und/oder Billigung von Influencern. Umstritten ist, inwieweit die Darstellung von verlinkten Produkten als Werbung gekennzeichnet werden muss – wir berichten an dieser Stelle regelmäßig zum Stand der Rechtsprechung (vgl. zuletzt Nr. 24/2020). Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) München im Fall Cathy Hummels entschieden, dass der Hinweis auf eine „bezahlte Partnerschaft” zulässig ist. Entgeltlose Produkthinweise hatte Cathy Hummels nicht gekennzeichnet. WICHTIG: Das OLG hat ausdrücklich Revision zugelassen. Es ist also davon auszugehen, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) abschließend mit der Rechtslage auseinandersetzen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden (OLG München, Urteil v. 25.6.2020, Az. 29 U 2333/19).
StartUp-Branche: Erleichterungen für Mitarbeiter-Beteiligungen
Mit einer Beteiligung am Unternehmen können Mitarbeiter besser eingebunden werden – das gilt auch für StartUp-Unternehmen, die vermeiden wollen, dass ihre hochqualifizierten Angestellten in etablierte Unternehmen oder ins Ausland abwandern. Zum Beispiel mit einer Mitarbeiter-Beteiligung oder einer Option auf eine Beteiligung am Unternehmen. Nachteil bisher: Der geldwerte Vorteil der gewährten Beteiligung wird als lohnsteuerpflichtiges Einkommen behandelt und sofort versteuert.
Für die Praxis: Angestrebt wird eine Lösung, die internationalen Standards standhält und damit ein Investitionshemmnis für deutsche StartUps beseitigt. Danach sollen Mitarbeiter nach internationalem Vorbild erst dann einen geldwerten Vorteil aus den ihnen gewährten Geschäftsanteilen versteuern müssen, wenn ihnen tatsächlich liquide Mittel aus den Anteilen zufließen — also erst nach einem tatsächlichen Verkauf des jeweiligen GmbH-Anteils. Der geldwerte Vorteil sollte dann nicht mit Lohnsteuer, sondern einheitlich als Kapitalertrag mit Abgeltungssteuer (25 %) versteuert werden.
Zahlen: GmbH und UG weiter im Vormarsch
Die (kleinen) Kapitalgesellschaften sind weiter auf dem Vormarsch. Stand 1.1.2020 gab es insgesamt 1.329.277 GmbH (inkl. Unternehmergesellschaften). Das ist ein Anstieg um 40.000 Gesellschaften oder 3,1 %. Am meisten legten „GmbHs” in Berlin zu – in der StartUp-Metropole lag der Zuwachs bei 5,5 %. Auch die Zahl der Unternehmergesellschaften ist weiter auf dem Vormarsch. Bis Ende 2019 gab es 152.710 UGs – allerdings mit rückläufigen Zuwachs-Zahlen. Gab es in 2018 noch 7,5 % mehr UGs, betrug der Zuwachs in 2019 nur noch 6,4 %. Auch hier liegt Berlin vorne: Zuwachsrate bei den UGs: 8,9 %.
Eine informative Lektüre und ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief