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Volkelt-Briefe

GF-Haftung: Daimler-Verfahren eingestellt (Scheinselbständigkeit) – zweierlei Recht?

wenn Sie als Geschäfts­füh­rer vor­sätz­lich der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Sozi­al­bei­trä­ge vor­ent­hal­ten, ist das ein straf­recht­lich rele­van­ter Vor­gang. Aller­dings: Vor­satz ist nicht gleich Vor­satz. Wenn die Daim­ler Benz AG z. B. die Arbeits­ver­hält­nis­se ihrer Test­fah­rer so lan­ge gestal­tet, dass die­se schluss­end­lich „selbst­stän­dig“ tätig sind, dann – so jetzt die Staats­an­walt­schaft Stutt­gart – kann ein­zel­nen Per­so­nen, die am Gestal­tungs­pro­zess betei­ligt sind, ein bewusst vor­sätz­li­ches und damit straf­ba­res Ver­hal­ten nicht vor­ge­wor­fen wer­den (dazu in: Spie­gel vom 25.1.2016). Schließ­lich haben die Kri­te­ri­en, nach denen Schein­selb­stän­dig­keit vor­liegt, eine gewis­se Unschär­fe. Wer an die­ser Stel­le gestal­tet, han­delt jeden­falls nicht vorsätzlich. …

Anders liegt da z. B. der Fall eines Frei­bur­ger Wurst­ver­käu­fers, der über Jah­re hin­weg für sei­ne stun­den­wei­se täti­gen Ver­käu­fe­rin­nen kei­ne oder nur zu wenig Sozi­al­bei­trä­ge abge­führt hat. Hier unter­stell­te das Gericht glat­ten „Vor­satz“. Mit der Fol­ge, dass der klei­ne Mann neben der Nach­zah­lung plus Zin­sen tat­säch­lich eine Haft­stra­fe antre­ten muss­te (vgl. Nr. 16/2014). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wer wie wir die Haf­tungs­recht­spre­chung gegen Geschäfts­füh­rer klei­ne­rer GmbHs sys­te­ma­tisch beob­ach­tet und kom­men­tiert, kann sich des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass nicht sel­ten zumin­dest mit andert­halb Maß gemes­sen wird. Wer legt sich schon ger­ne mit den Gro­ßen an. Man den­ke z. B. an den Fall Würth. Erst nach der Andro­hung eines (Teil-) Stand­ort­wech­sels lie­ßen die Finanz­be­hör­den in Sachen inner­be­trieb­li­cher Ver­rech­nungs­prei­se zumin­dest mit sich reden (vgl. Nr. 7/2013). Oder ist das doch schon zwei­er­lei Maß?

Ohne unken zu wol­len – sicher ist, dass sich ein guter Bera­ter und eine fun­diert vor­ge­tra­ge­ne Pro­zess­freu­dig­keit für betrof­fe­ne und benach­tei­lig­te GmbHs posi­tiv aus­wir­ken. Das gilt im Besteue­rungs­ver­fah­ren, aber auch im Umgang mit den Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­gern und ande­ren Behör­den. Oft ist die Rechts­la­ge nicht so ein­ein­deu­tig wie sie sich aus offi­zi­el­len Beschei­den und der ver­meint­lichen Rechts­be­helfs­be­leh­rung dar­stellt. In der Pra­xis sind vie­le Behör­den unter­des­sen ver­han­d­­lungs- und kom­pro­miss­be­reit, sofern die Rechts­la­ge fun­diert ange­zwei­felt wird.

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