Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 36/2015

Volkelt-NLWirt­schafts­po­li­tik: Wer ver­tritt eigent­lich noch die klei­ne­ren Unter­neh­men? + GmbH-Füh­rung: Die­se Spiel­re­geln gel­ten beim Selbst-Coa­ching + GmbH-Finan­zen: Bank darf bei feh­len­den Unter­la­gen Kre­di­te kün­di­gen Min­dest­prei­se für Steu­er­be­ra­tung kom­men auf den Prüf­stand + Mit­ar­bei­ter: Neu­es Urteil zur Kün­di­gung wegen Baga­tell­de­likt + Recht: Gesell­schaf­ter­ver­ein­ba­rung über­stimmt Gesell­schafts­ver­trag + BISS

 

Der Vol­kelt-Brief 36/2015 > Down­load als PDF – lesen im „Print”

 

Frei­burg 4. Sep­tem­ber 2015

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

jetzt auch noch ALFA. Damit ist zu befürch­ten, dass sich bei der nächs­ten Bun­des­tags­wahl im Herbst 2017 bis zu 14,7 % der kon­ser­va­ti­ven und in der Regel wirt­schafts­na­hen Wäh­ler­stim­men neu­tra­li­sie­ren wer­den. So groß könn­te die Sum­me der Stim­men an AfD, ALFA und FDP-Wäh­lern wer­den, die bei der Schluss­rech­nung nicht mit­ge­rech­net wer­den, weil die­se Par­tei­en an der 5 %-Hür­de schei­tern (vgl. Nr. 22/2015). Das ist viel und u. U. Wei­chen stel­lend für die Wirt­schafts­po­li­tik der nächs­ten Jahre.

Schlech­te Kar­ten bedeu­tet das auch für die CDU, die allen­falls erneut eine Gro­ße Koali­ti­on füh­ren könn­te, im schlech­te­ren Fall zum klei­ne­ren Koali­ti­ons­part­ner schrump­fen wür­de. Mit den ent­spre­chen­den Fol­gen für die Wirt­schafts­po­li­tik und hier ins­be­son­de­re für die Mit­tel­stands­po­li­tik. Ein wei­te­res gro­ßes Pro­blem kommt hin­zu, wenn – wie für den Herbst bereits abseh­bar – die Kon­junk­tur nach­lässt und Bund, Län­der und die Kom­mu­nen nicht mehr so selbst­ver­ständ­lich aus dem Vol­len schöp­fen kön­nen wie bis­her. Egal wer dann an den Macht­he­beln sitzt: Dann kommt kei­ne Par­tei mehr um Steu­er­erhö­hun­gen her­um, um die fest­ge­schrie­be­nen Trans­fer­leis­tun­gen und Staats­auf­ga­ben auf Dau­er zu stem­men. Es dürf­ten span­nen­de Zei­ten bevorstehen.

Erschwe­rend kommt hin­zu, dass die euro­päi­sche Finanz- und Wirt­schafts­po­li­tik fest steckt und den Spiel­raum für gestal­ten­de Wirt­schafts­po­li­tik in den Mit­glieds­staa­ten eng macht. Vie­le EU-Vor­ga­ben erschöp­fen sich in kost­spie­li­ger Auf­la­gen­po­li­tik oder ist Groß­in­dus­trie-Poli­tik, die nichts oder wenig mit der wirt­schaft­li­chen Rea­li­tät klei­ne­rer Unter­neh­men zu tun hat. Das Dilem­ma: De fac­to küm­mert sich – abge­se­hen von Ver­bän­den und Kam­mern – nie­mand um die Inter­es­sen und Belan­ge klei­ne­rer Unternehmen.

GmbH-Führung: Diese Spielregeln gelten beim Selbst-Coaching

Gera­de im klei­nen Team ist es wich­tig, wie Sie den Gegen­über füh­ren. Z. B. dann, wenn es um Ver­än­de­run­gen, um Kri­tik oder um neue Ziel­rich­tun­gen geht. Ohne Zustim­mung und Ein­sicht der Mit­ar­bei­ter wird es Ihnen kaum gelin­gen, Pro­zes­se zu ver­än­dern oder Neue­run­gen durch­zu­set­zen. Rich­tig ist aller­dings auch, dass vie­le Trai­ner und Coa­ches Geschäfts­ab­läu­fe aus der Ange­stell­ten-Per­spek­ti­ve ken­nen und wahr­neh­men, nicht aber aus der Per­spek­ti­ve des (Kos­ten-) ver­ant­wort­li­chen Entscheiders.

Fakt ist: Die Men­schen sind unter­schied­lich. Ihre Auf­ga­be als Füh­rungs­kraft besteht dar­in, mit Ihrem Ver­hal­ten, Ihren Vor­ga­ben und mit Ihrer Anspra­che mög­lichst vie­le die­ser Mit­ar­bei­ter so zu errei­chen, dass die Zie­le der Fir­ma umge­setzt wer­den. Hilf­reich dafür ist es, das eige­ne Ver­hal­ten regel­mä­ßig zu spie­geln (reflek­tie­ren), z. B. unter der Beur­tei­lung und Bera­tung eines geeig­ne­ten Coa­ches. Wer eine sol­che Beratungs­leistung nicht in Anspruch neh­men will, soll­te zumin­dest die Grund­re­geln beherr­schen. Hier eini­ge Regeln, die Sie beach­ten müs­sen, wenn Sie Selbst-Coa­ching erfolg­reich prak­ti­zie­ren wollen:

  • Dis­zi­plin: Jede Situa­ti­on, die Sie als Geschäfts­füh­rer in der Fir­ma ein­ge­hen, ist eine Füh­rungs­auf­ga­be. Sei es als Vor­bild, als Anlei­ter oder als Takt­ge­ber für die Kom­mu­ni­ka­ti­on. Machen Sie sich bewusst, dass Sie nicht als Pri­vat­per­son hier sind, son­dern jeder­zeit dafür zustän­dig sind, dass die Fir­ma das Wich­ti­ge ist. Ver­su­chen Sie, die­se Dau­er­auf­ga­be nicht als Stress­fak­tor son­dern als ernst­haf­te Her­aus­for­de­rung zu neh­men und die­se mit Übung zu meis­tern. Betrieb­li­che Ver­ein­ba­run­gen (Unter­neh­mens­grund­sät­ze, Dress-Code, Ver­tre­tungs­ab­re­den usw.) gel­ten für alle. An ers­ter Stel­le auch für Sie. Die Fami­lie darf nur aus­nahms­wei­se eine Rol­le spie­len und muss ansons­ten weit­ge­hend drau­ßen vor bleiben.
  • Zuhö­ren: Und zwar nicht nur das, was Ihnen die Mit­ar­bei­ter erzäh­len. Noch wich­ti­ger ist es, dass Sie sich selbst zuhö­ren. Ach­ten Sie auf: Wider­sprü­che, Flos­keln, Sprü­che. Ach­ten Sie auch dar­auf, wel­chen Grund­te­nor Ihre Anspra­che an den Mit­ar­bei­ter hat (sach­lich, lus­tig, has­tig, ernst neh­mend). Machen Sie sich klar, dass Kom­pe­tenz, sozia­le Intel­li­genz und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit zusam­men wir­ken und von den Mit­ar­bei­tern gesucht und aner­kannt werden.
  • Den­ken Sie in Alter­na­ti­ven: Ent­schei­den heißt, unter meh­re­ren Lösungs­mög­lich­kei­ten die zu wäh­len, mit den Sie die Zie­le der Fir­ma am bes­ten errei­chen. „Wir haben das schon immer so gemacht oder das geht nur so“ sind kei­ne Rat­ge­ber. Nut­zen Sie das Wis­sen Ihrer Mit­ar­bei­ter, um alter­na­ti­ve Abläu­fe. Wich­tig: Begrün­den Sie Ihren Mit­ar­bei­tern gegen­über, war­um Sie sich für eine bestimm­te Lösung ent­schie­den haben. Legen Sie Ihre Ent­schei­dungs­kri­te­ri­en offen. Das för­dert das Mitdenken.

Buch-Hin­weis: Micha­el Groß (Der Alba­tros) > Selbst-Coa­ching

Als ver­ant­wort­li­cher GmbH-Geschäfts­füh­rer soll­ten Sie sich „bera­tungs­re­sis­tenz“ nicht leis­ten. Gera­de die erfolg­rei­che Füh­rung von Mit­ar­bei­tern ist weni­ger eine indi­vi­du­el­le Fähig­keit denn das Beherr­schen von ein­ge­üb­ten und erfolgs­er­prob­ten Füh­rungs-Instru­men­ten. Typi­sche Kom­men­ta­re von Kol­le­gen nach dem Besuch von kom­pe­ten­ten Coa­ching-Ange­bo­ten: „Das hät­te ich vor­her wis­sen müs­sen“. Oder „Seit­dem ist Füh­ren für mich viel ein­fa­cher gewor­den“. Sie tun sich, Ihrer GmbH und Ihren Mit­ar­bei­tern kei­nen Gefal­len, wenn Sie Alles auf Ihre Schul­tern neh­men und auf kom­pe­ten­ten exter­nen Rat verzichten.

GmbH-Finanzen: Bank darf bei fehlenden Unterlagen Kredite kündigen

Gewährt die Bank Kre­di­te von mehr als 750.000 €, ist sie ver­pflich­tet, sich vom Kre­dit­neh­mer die wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se offen legen zu las­sen. Z. B. durch die Vor­la­ge des voll­stän­di­gen Jah­res­ab­schlus­ses. Die Bank ist dazu sogar gesetz­lich ver­pflich­tet (§ 18 Kre­dit­we­sen­ge­setz). Ein Geschäfts­füh­rer-Kol­le­ge aus Hes­sen ließ es jetzt dar­auf ankom­men. Er ver­wei­ger­te der Bank kon­ti­nu­ier­lich die Vor­la­ge ent­spre­chen­der wirt­schaft­li­cher Nachweise.

Fol­ge: Die Bank kün­dig­te alle bestehen­den Dar­le­hen der GmbH. Der Kol­le­ge woll­te das nicht auf sich sit­zen las­sen und ließ die Sache gericht­lich prü­fen. Das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Frank­furt ent­schied dazu: Die Bank hat Recht. Der Geschäfts­füh­rer muss­te die Kre­di­te der GmbH umge­hend zurück­zah­len. Neue Kre­di­te wur­den nicht gewährt (so zuletzt OLG Frank­furt, Urteil vom 25.3.2011, 19 U 173/10). Wich­tig zu wis­sen für alle Geschäftsführer-Kollegen:

  • Die Bank ist auch dann zur Kün­di­gung von Kre­di­ten berech­tigt, wenn die Kre­dit­sum­me unter dem oben genann­ten kri­ti­schen Betrag laut KWG liegt. Ent­schei­dend ist, ob die Bank in ihren AGB auf die bestehen­den Vor­la­ge­pflich­ten laut KWG ver­wie­sen hat. Ist das der Fall, soll­ten Sie die Vor­la­ge­pflich­ten kor­rekt und von sich aus – also ohne wei­te­re Auf­for­de­rung – erfül­len und den Jah­res­ab­schluss und ande­re ange­for­der­te Unter­la­gen ter­min­ge­recht vorlegen.
  • Die Bank kann die Kre­di­te selbst dann kün­di­gen, wenn das Kre­dit­kon­to nicht oder nie im Soll war und selbst dann, wenn Sie als Kre­dit­neh­mer die Til­gung stets regel­mä­ßig gezahlt haben.
Neh­men Sie die klein­ge­druck­ten Bank-Kon­di­tio­nen nie auf die leich­te Schul­ter. Selbst dann, wenn die Bank die im Ver­trag genann­ten Vor­la­gen nicht noch­mals aus­drück­lich ein­for­dert, kann sie ein sol­ches außer­or­dent­li­ches Kün­di­gungs­recht durch­set­zen. Wei­sen Sie die zustän­di­gen Mitarbeiter/Abteilungen an, die in den Kre­dit­ver­trä­gen ange­for­der­ten Unter­la­gen zeit­nah an die Bank wei­ter­zu­ge­ben. P.S.: Nut­zen Sie die Über­ga­be der Unter­la­gen (Jah­res­ab­schluss, Geschäfts­be­richt) dazu, den per­sön­li­chen Kon­takt zu Ihrer Haus­bank zu aktua­li­sie­ren und die Bank – ver­trau­ens­bil­dend – über Ihre wei­te­ren Pla­nun­gen zu informieren.

Mindestpreise für Steuerberatung kommen auf den Prüfstand

In einem Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren prüft die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on zur Zeit u. a. auch die Steu­er­be­ra­ter­ver­gü­tungs­ver­ord­nung (StBVV) und hier ins­be­son­de­re die sog. Min­dest­sät­ze für Bera­tungs­leis­tun­gen. Die­se ent­spre­chen nicht den laut Dienst­leis­tungs­ver­ord­nung vor­ge­schrie­be­nen Grund­sät­zen der Erfor­der­lich­keit und auch nicht Ver­hält­nis­mä­ßig­keit. Der­zeit berei­tet die Bun­des­re­gie­rung eine Stel­lungs­nah­me dazu vor (Quel­le: Wirt­schafts­prü­fer­kam­mer, PM vom 20.8.2015).

Die Frei­en Beru­fe (WP, Archi­tek­ten, StB, RA) recht­fer­ti­gen die fes­ten Kos­ten­ord­nun­gen als ein wich­ti­ges Instru­ment zur Markt­re­gu­lie­rung und Qua­li­täts­si­che­rung ihrer Leis­tun­gen. Für Unter­neh­men sind die­se Leis­tun­gen in ers­ter Linie Kos­ten­fak­to­ren. Hier ver­spricht man sich von mehr (Preis-) Wett­be­werb für frei­be­ruf­li­che Dienst­leis­tun­gen sin­ken­de Prei­se. Dazu der Bun­des­ver­band der Frei­en Beru­fe (BFB): Das seit Jahr­zehn­ten bestän­dig hohe Wachs­tum in den Frei­en Beru­fen in Deutsch­land ist bes­ter Beleg dafür, dass eine Stra­te­gie, die auf Wachs­tum in Qua­li­tät setzt, erfolg­reich ist. Der BFB bit­tet die Bun­des­re­gie­rung, die auf­ge­führ­ten Argu­men­te in ihre Posi­tio­nie­rung zum Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren ein­flie­ßen zu las­sen“. Dazu: Regu­lier­te Prei­se wer­den in fast allen ande­ren Berei­chen der Wirt­schaft von den Kar­tell­be­hör­den als wett­be­werbs­wid­rig beanstandet.

Mitarbeiter: Neues Urteil zur Kündigung wegen Bagatelldelikt

Laut Arbeits­ge­richt Ham­burg recht­fer­tigt die Ent­wen­dung gering­wer­ti­ger Sachen (hier: 8 beleg­te Bröt­chen­hälf­ten) nur dann eine außer­or­dent­li­che Kün­di­gung, wenn es nicht mög­lich ist, mit einer Abmah­nung ver­lo­ren gegan­ge­nes Ver­trau­en wie­der her­zu­stel­len. Das ist der Fall, wenn der Arbeit­neh­mer 1. nicht heim­lich han­delt, 2. den Feh­ler ein­räumt und 3. Unrechts­be­wusst­sein und Reue zeigt (Arbeits­ge­richt Ham­burg, Urteil vom 1.7.2015, 27 Ca 87/15).

Damit schließt sich nun auch das Arbeits­ge­richt Ham­burg der Auf­fas­sung an, dass es sich bei einer Ent­wen­dung von Gegen­stän­den des Arbeit­ge­bers um eine Pflicht­ver­let­zung han­delt, die eine Kün­di­gung im Grund­satz recht­fer­tigt. Aber: Hier soll­te der Arbeit­ge­ber immer eine Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung anstel­len. Wich­ti­ges Kri­te­ri­um: Wie lan­ge ist der Arbeit­neh­mer bereits beschäf­tigt und wel­che Pflicht­ver­let­zun­gen hat er sich in die­ser Zeit zu Schul­den kom­men las­sen. Ist die Soll-Sei­te makel­los, soll­te unbe­dingt mit einer Abmah­nung mit Kün­di­gungs­an­dro­hung für den Wie­der­ho­lungs­fall reagiert werden.

Recht: Gesellschaftervereinbarung überstimmt Gesellschaftsvertrag

Ver­ein­ba­ren die Gesell­schaf­ter ent­ge­gen dem GmbH-Gesel­l­­schafts­ver­trag, dass die Abfin­dung für den aus­schei­den­den Gesell­schaf­ter nur nach dem Nomi­nal­wert und nicht wie im Gesell­schafts­ver­trag vor­ge­se­hen zum Ver­kehrs­wert erfol­gen soll, dann kann das als schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­rung zwi­schen den Gesell­schaf­ter wir­ken und damit recht­li­chen Bestand haben. Die­se kann als wil­lent­li­che Ände­rung des Gesell­schafts­ver­tra­ges zu deu­ten sein (BGH, Urteil vom 15.3.2010, II ZR 4/09).

Sol­che schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Gesell­schaf­tern machen immer dann Sinn, wenn die Gesell­schaf­ter nicht wol­len, dass die­se Ver­ein­ba­run­gen im (Inter­net-öffent­li­chen) Han­dels­re­gis­ter ein­ge­se­hen wer­den kön­nen. Der BGH bestä­tigt hier im Grund­satz, dass sol­che Ver­ein­ba­run­gen wirk­sam sein kön­nen. Vor­aus­set­zung: Sie betref­fen nicht die Pflicht­an­ga­ben des Gesell­schafts­ver­tra­ges, die nur mit nota­ri­el­ler Beur­kun­dung abge­än­dert wer­den dürfen.

 

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

Schreibe einen Kommentar