Mindestlohn: Ärger ohne Ende – neue Probleme + Finanzen: Export nach Russland/Ukraine wird schwieriger + Familien-GmbH: Überstunden gefährden Pauschale + Mehr Umsatz: Öffentliche Aufträge gezielt nutzen + GmbH-Recht: Missbrauch der Stimmen-Mehrheit + Kosten: Beitrag für Rückdeckungsversicherung sinkt auf 1,3 Promille + Geschäftsführer-Altersversorgung: Finanzamt durchschaut kreative Gestaltung bei Pensionszusage + BISS …
Dipl. Vw. Lothar Volkelt, Herausgeber der Volkelt-Briefe
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Nr. 5/2015
Freiburg 30. Januar 2015
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
nach den Gastronomie-Betrieben, Logistik- und Bus-Unternehmen, Taxifahrern und den Minijob-Branchen, wachen jetzt auch die ersten Kommunen, Partei-Geschäftsstellen Übersetzungs-Büros, auch Werbe- und Event-Agenturen – um nur einige der betroffenen Arbeitgeber konkret zu benennen – auf: Der Mindestlohn und (fast noch mehr) die Dokumentationspflichten machen den Unternehmen flächendeckend zu schaffen. Dabei sind das lediglich die Vorboten „eines sozialpolitischen Experiments mit ungewissem Ausgang“ – wie die Einführung des Mindestlohns vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Situation betitelt wurde. Das Experiment wird die Deutsche Wirtschaft mindestens 900 Mio. EUR kosten (vgl. Nr. 2/2015).
Unterdessen mehren sich die Stimmen, die die Umsetzung der Mindestlohnvorschriften durch die Behörden kritisieren. Konkret geht es um die Ausführungsbestimmungen und die Umsetzung der Dokumentationspflichten. So wurde die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten zunächst nur für alle Arbeitnehmer bis zu einem Gehalt von 4.500 EUR ausgesetzt. Unterdessen wurde diese Grenze auf 2.958 EUR herabgesetzt. Hier ist das letzte Wort aber immer noch nicht gesprochen. Der Wirtschaftsflügel der Union will eine weitere Absenkung auf 1.900 EUR brutto erreichen. Mehr noch: Hinter den Kulissen wird (ernsthaft) geprüft, alle Minijobber von der Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten herauszunehmen.
Voraussetzung: Es gibt einen Arbeitsvertrag, aus dem der Lohn und die jeweilige Arbeitszeit eindeutig bestimmt sind. Das sollte zu machen sein (vgl. dazu auch hier).
Finanzen: Export nach Russland/Ukraine wird schwieriger
Zuletzt hatte der Export-Versicherer Euler Hermes prognostiziert, dass es in Russland aufgrund der Währungsentwicklung, des Preisdrucks auf Energie und der unsicheren wirtschaftlichen Gesamtlage 10 % mehr Firmen-Insolvenzen geben wird. Auch in der Ukraine sieht es nicht besser aus. Jetzt hat Euler Hermes beide Länder weiter abgestuft. Kreditversicherungen gibt es nur unter Vorbehalt und diese sind laut dem größten deutschen Kreditversicherer mit „erheblichem Risiko“ (bisher: mittleres Risiko) behaftet. Auch die deutsche Konkurrenz (R+V, Atradius) hält sich im Exportgeschäft in diese osteuropäischen Märkte deutlich zurück.
Folge für die exportierenden Unternehmen: Bis Anfang 2014 war es kein Problem, langfristige Russland-Geschäfte (Maschinen- und Anlagenbau) über die Hausbanken zu finanzieren und das Ausfall-Risiko über eine Export-Bürgschaft abzusichern. Zur Verbesserung der Liquidität konnten ausstehende Forderungen aus diesen Geschäften meist problemlos per Factoring an die Bank abgetreten werden. Unterdessen genügt den meisten Banken noch nicht einmal Bürgschaft, um Kredite für Exportgeschäfte zu übernehmen. Betroffene Unternehmen sollten sich beim Bundeswirtschaftsministerium informieren, welche Möglichkeiten zur Absicherungen und Finanzierungsmöglichkeiten von laufenden oder geplanten Geschäften noch möglich sind > https://BMWI.de > Themen > Mittelstand > Mittelstandsfinanzierung > Unternehmensfinanzierung.
Familien-GmbH: Überstunden gefährden Pauschale
Auch in der Familie gelten die Vorschriften für den Mindestlohn. Auch für diese Arbeitnehmer müssen Sie die Arbeitszeiten dokumentieren. In kleineren GmbHs können Sie u. E. gut davon ausgehen, dass geleistete Überstunden nicht sofort auf die Stundenlöhne herunter gerechnet werden und – falls ein Stundenlohn unter 8,50 EUR herauskommt – nicht umgehend geahndet werden. Aufpassen müssen Sie trotzdem. Z. B. dann, wenn der Ehegatte oder Kinder als pauschalierte 450 EUR-Jobber gemeldet sind, es sich aber aus der Arbeitszeit-Dokumentation ergibt, dass er regelmäßig mehr verdienen muss als vertraglich vereinbart. Meldet der Zoll die Arbeitszeit-Dokumentation an die Minilohn-Zentrale, kann das zu Nachforderungen führen.
Beispiel: Es ist ein Stundenlohn von 8,50 EUR auf dem Papier vereinbart und aus den Arbeitszeit-Dokumentation ergeben sich regelmäßig mehr als 53 Stunden geleistete Arbeitszeit. Folge: Die 450-EUR-Grenze ist überschritten. Es drohen Nachzahlungen an die Sozialversicherung und zwar unabhängig davon, ob Lohn nachgezahlt wird oder nicht. Wir empfehlen auf jeden Fall nachzubessern: Stellen die Zollprüfer erneut fest, dass Sie die Arbeitszeiten des Ehegatten (aus Verärgerung oder Protest) nicht aufzeichnen, kann die Behörde Ihnen vorsätzlichen Verstoß gegen die Vorschriften des Mindestlohngesetzes (§ 17 MiLoG) unterstellen und das als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 EUR (§ 21 Abs. 1, Abs. 3) belangen.
Mehr Umsatz: Öffentliche Aufträge gezielt nutzen
Sämtliche öffentlichen Aufträge (Kommunen, Länder, Bund) müssen europaweit ausgeschrieben werden. Auch wenn das längst noch nicht in allen Fällen und allen Ländern systematisch passiert, sind in den letzten Jahren zahlreiche Internet-Portale entstanden, mit denen die öffentliche Auftragsvergabe transparenter geworden ist. Dennoch: Viele kleinere Unternehmen nutzen die damit verbundenen Geschäftschancen nicht systematisch. Hauptgrund: „Da geht es fast immer um Großprojekte“.
Stimmt nicht: Ein Blick in die Ausschreibungsübersichten des Bundes und der Länder z. B. zeigt, dass auch in kleineren Tranchen ausgeschrieben wird, und zwar nach alle möglichen Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen (z. B. Büroausstattungen, Werkzeugausstattungen, medizinische Spezialgeräte, Weiterbildung, Beratung usw.).
GmbH-Recht: Missbrauch der Stimmen-Mehrheit
Stellen die Minderheits-Gesellschafter auf der Gesellschafterversammlung Beschlussanträge zu konkreten Geschäftsführungsmaßnahmen und lehnt der Mehrheitsgesellschafter die Beschlussfassung ab, verstößt er gegen seine Treuepflicht, wenn er darauf verweist, dass der Geschäftsführer hierzu zu entscheiden hat (OLG München, Urteil vom 14.8.2014, 23 U 4744/13).
Kosten: Beitrag für Rückdeckungsversicherung sinkt auf 1,3 Promille
Der Beitragssatz für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung (auch: Pensionszusage des Gesellschafter/Geschäftsführers) sinkt für 2015 von bisher 1,7 Promille des Versicherungsbetrages auf 1,3 Promille. Laut Pensionssicherungsverein (PSV) müssen Unternehmen im ersten Halbjahr 2015 keinen Vorschuss zahlen. Allerdings hält es sich der PSV offen, einen Vorschuss noch im ersten Halbjahr 2015 zu beschließen (PSVaG, Pressemitteilung vom 14.11.2014).
Finanzamt durchschaut kreative Gestaltung bei Pensionszusage
Um den vom Finanzamt verlangten 10jährige Erdienenszeitraum für eine Pensionszusage noch einhalten zu können, vereinbarte der zu diesem Zeitpunkt bereits 57-jährige Geschäftsführer, dass der Anspruch auf Pensionszahlung erst mit dem 68 Lebensjahr entsteht – er aber trotzdem mit dem 65. Lebensjahr ausscheidet. Das machte das Finanzamt nicht mit. Die Pensionszuführungen wurden nicht anerkannt und als verdeckte Gewinnausschüttung nachträglich versteuert (FG Münster, Urteil vom 20.11.2014, 12 K 3758/11 G, F).
Eine unterhaltsame und informative Lektüre wünscht
Mit besten Grüßen
Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief