Themen heute: Finanzkrise und Realwirtschaft – jetzt Finanzierungen sichern und auf mehrere Banken verteilen + GF-Unfallversicherung: Prüfen Sie unbedingt das Kleingedruckte + Organisationsverschulden: Was ist das und wie kann sich der Geschäftsführer absichern? + Achtung: Vorsicht bei Beauftragung eines Steuerberaters im Ausland + Geschäftsführer: Darf sogar als Mini-Jobber tätig werden + BISS …
37. KW 2011
Freitag, 16.9.2011
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
Woche für Woche erreichen uns alarmierende Meldungen von den Finanzmärkten, von den Börsen und zur finanziellen Situation der PIG(S)-Staaten. Unterdessen steht fest, dass das Krisenszenario unmittelbare Auswirkungen auch auf die Konjunktur der Realwirtschaft haben wird. Die Frage ist nur: Wann und wie stark wird dieser Effekt sein? Wie wirkt sich der Druck der Kapitalmärkte auf die weltweite Nachfrage aus? Für alle mittelständischen Betriebe bedeutet das: Zunächst einmal ist in Sachen Investitionen mit Kapazitätseffekt absolute Zurückhaltung angesagt (vgl. dazu Volkelt-Brief Nr. 34/2011). Zum anderen müssen Sie Finanzierungen mittel- und langfristig absichern. Orientieren Sie sich an den folgenden Grundregeln:
- Finanzieren Sie – so weit wir möglich – aus eigenen Mitteln. Nutzen Sie die momentan gute Ertragslage dazu, möglichst viel Gewinn in die Rücklagen einzustellen und damit die Portokasse für zukünftige Investitionen zu füllen.
- Legen Sie Rücklagen auf keinen Fall spekulativ sondern nur zu sicheren und festen Konditionen an.
- Finanzieren Sie notwendige und strategische Investitionen kongruent – also über die gesamte Laufzeit mit festen Konditionen und ohne Potenzial für eine nachträgliche Anpassung der Konditionen.
- Nutzen Sie konsequent staatliche Fördermittel. Auch das erhöht die Kreditsicherheit. Die Konditionen sind in der Regel über die Laufzeit festgeschrieben.
- Halten Sie die Augen auf nach privaten Investoren (Privat Equity). Je mehr Sie den Investor in die unternehmerische Verantwortung einbeziehen, umso besser und langfristiger sichern Sie diese Form der Finanzierung (projektbezogene Finanzierung, stille Beteiligung, echte Beteiligung).
Wichtig ist jetzt, dass Sie persönlich und regelmäßig Kontakt zu Ihrer Hausbank suchen und diese in die aktuellen Unternehmensplanungen einbeziehen. Verlassen Sie sich nicht nur auf den bestehenden Bank-Kontakt nutzen Sie alle Gelegenheiten, um Geschäftsbeziehungen zu weiteren Banken herzustellen. Erfahrungsgemäß ist eine Geschäftsbeziehung zu einer Genossenschaftsbank (Volksbank, Sparkasse) und zu einer Privatbank (z. B. Deutsche, Commerzbank) optimal. Optimieren Sie dazu auch Ihr Reporting gegenüber den Banken (Jahresabschluss, Quartalsberichte, BWA, Geschäftsbericht).
Geschäftsführer-Unfallversicherung: Vorsicht vor Kleingedrucktem
Auch der Geschäftsführer einer GmbH kann sich zusätzlich freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung absichern (§ 6 I Nr. 2 SGB VII). Vorsicht: Damit der Rechtsanspruch des GmbH-Geschäftsführers auf Geld aus der Unfallversicherung nicht „im Kleingedruckten“ verloren geht, müssen Sie aufpassen. Steht Ihnen laut Anstellungsvertrag eine Gehaltsfortzahlung für unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit zu, entsteht kein Anspruch auf Verletztengeld. Es empfiehlt sich also, die Gehaltsfortzahlung auf nicht unfallbedingte Ausfallzeiten zu beschränken. Formulierung: „Unfallbedingte Ausfallzeiten gelten nicht als Krankheit für einen Anspruch auf eine Gehaltsfortzahlung“.
Für die Praxis: Prüfen Sie Ihren Anstellungsvertrag entsprechend. Sind Sie bereits freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung, sollten Sie Ihre vertragliche Vereinbarung abändern, ggf. unter Beratung durch einen Fachanwalt für Sozialrecht. Ist im Anstellungsvertrag keine Gehaltsfortzahlung vereinbart, kann es bei der Zahlung von Krankengeld nur dann zu Problemen kommen, wenn Sie Ihr Gehalt trotzdem weiterzahlen.
Organisationsverschulden: Unklare Rechtslage mit hohem Risiko
Ob es um beschädigte Ware oder verpasste Liefertermine geht: Wenn in der GmbH etwa schief läuft, wird ein Schuldiger gesucht. Lässt sich der nicht finden, wird der Geschäftsführer in die Haftung genommen. „Organisationsverschulden“ heißt das juristische Zauberwort, mit dem sich Geschädigte an den Geschäftsführer halten. In vielen Fällen – das belegen zahlreiche Urteile dazu – gelingt es tatsächlich, den Geschäftsführer auch persönlich in die Haftung zu nehmen. Aber was ist eigentlich ein Organisationsverschulden und wie können Sie sich gegen entsprechende Ansprüche absichern?
Die Rechtslage: Bei einem Organisationsverschulden wird die Handlung einer Hilfskraft der übergeordneten Stelle zugerechnet. Im Arbeitsleben bedeutet das, dass die Handlung eines Angestellten dem Arbeitgeber zugeordnet wird. Das kann sogar so weit gehen, dass der Geschäftsführer für eine Handlung des Arbeitgebers einstehen muss. Und zwar dann, wenn der es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ordnungsgemäß ausüben kann. Dazu gehören:
- Der Geschäftsführer ist verpflichtet für die Einarbeitung und Anleitung der Hilfskraft – sprich des Arbeitnehmers – zu sorgen (gemäß § 831 BGB).
- Dazu gehört auch die Kontrolle des Arbeitnehmers, ob dieser überhaupt in der Lage ist, die ihm übertragene Aufgabe zu erfüllen.
- Dazu gehört genauso, sich ein Bild über die persönliche Eignung und Voraussetzungen des Arbeitnehmers zur Erfüllung einer Aufgabe zu sichern und zu kontrollieren (z. B. im Krankheitsfall).
Neben diesen Vorgaben hat die deutsche Rechtsprechung einige Grundsätze aufgestellt, die speziell für Unternehmen gelten. Wichtig: Kann das Unternehmen in einem Schadensfall nicht beweisen, dass es alle zur Schadensvermeidung erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen und eingehalten hat, liegt ein Organisationsverschulden vor. Das Unternehmen muss das kontrollieren. Daneben prüfen die Gerichte regelmäßig, inwieweit ein Verschulden einzelner Beteiligter vorliegt. Für Organisationsverschulden gilt in der Regel eine Frist von 30 Jahren.
Für die Praxis: Zu Organisationsverschulden kann es in allen Betrieben und Branchen kommen. Ob Handwerks-GmbH, Transport-Unternehmen, produzierende oder Dienstleistungs-Unternehmen, deren Zulieferung Schaden bewirken kann – also nicht nur in den sog. gefahrengeneigten Branchen wie Umwelt, Chemie usw.. Als Geschäftsführer müssen Sie dafür sorgen, dass die Mitarbeiter ihre Aufgaben qualifiziert und fehlerfrei ausüben – und zwar an jeder Stelle. In komplexeren Organisationen haben Sie dafür zu sorgen, dass diese Grundsätze in den einzelnen Hierarchiestufen bekannt sind und entsprechend eingehalten werden (Einweisung, Kontrolle). Wichtige ist die lückenlose schriftliche Dokumentation. Dazu gehört: Ablaufvorgaben für Aufgaben und Tätigkeiten, Sicherheitsvorgaben, Hinweise auf die Arbeitsorganisation und die Sicherheitsvorschriften in Einstellungsgesprächen und in den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter, Verpflichtung der Abteilungs- und Projektleitungen zur Arbeitsorganisation und zur Dokumentation der Einweisung und der (regelmäßigen ggf. stichprobenartigen) Kontrolle.
Darf der GmbH-Geschäftsführer als Mini-Jobber tätig werden?
JA – er darf. Da es keine gesetzlichen Vorschriften über Form und Inhalt eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages bzw. zur Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses gibt, kann der Geschäftsführer auch ohne Entgelt oder z. B. auch als Mini-Jobber bzw. als geringfügig Beschäftigter (400 €) tätig werden. Das sollte aber die Ausnahme bleiben, z. B. in der Gründungsphase der GmbH oder in einer Phase der wirtschaftlichen Krise.
Für die Praxis: Achten Sie aber darauf, dass sich die vertragliche Ausgestaltung mit der Realität deckt, also z. B. hinsichtlich der Arbeitszeit. Problematisch kann das für den versicherungspflichtigen Geschäftsführer (Beteiligung an der GmbH < 50%) werden. Und zwar dann, wenn es sich nicht um einen angemessene Entlohnung handelt und damit Beiträge zur Sozialversicherung vermeiden werden.
Achtung bei Beauftragung einer ausländischen Steuerberatungsgesellschaft
Deutsche Finanzämter dürfen eine ausländische Steuerberatungsgesellschaft als Bevollmächtigten einer deutschen GmbH zurückweisen, wenn diese keine Berufshaftpflichtversicherung oder eine vergleichbare Absicherung abgeschlossen hat (BFH, Urteil vom 21.7.2011, II R 6/10).
Für die Praxis: Für die GmbH kann es damit teuer werden, wenn sie sich zunächst auf das billigere Angebot einer ausländischen Steuerberatung einlassen – dann aber feststellen müssen, dass das Finanzamt die eingereichten Unterlagen nicht akzeptiert und Sie diese nochmals erstellen bzw. überprüfen lassen müssen. Lassen Sie sich von der ausländischen Steuerberatung schriftlich bestätigen, dass eine Berufshaftpflicht besteht.
Mit besten Grüßen Ihr Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur der Volkelt-Brief