Aussichten: Was bleibt, was kommt? + Konjunktur: Prognosen sind nur Prognosen + Geschäftsführer-Perspektiven: Der Nachwuchs aus den eigenen Reihen + Digitales: So schnell geht es jetzt auch wieder nicht! + Personal: Die Last der Großen ist die Chance der Kleinen + Performance: Geschäftsführung bleibt ein anspruchsvoller Job
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Der Volkelt-Brief 51/2019 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 20. Dezember 2019
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
die meisten Kollegen/Innen haben sich mit den Unsicherheiten der Märkte arrangiert und allen Unkenrufen zum Trotz auch in 2019 (noch) gute Geschäfte gemacht. Man ist „zufrieden”. Anders gesagt: Es hätte schlimmer kommen können – wenn die US-Regierung noch konsequenter Zollpolitik betrieben hätte, wenn der Brexit bereits umgesetzt wäre oder wenn die chinesische Wirtschaft intensiver geschwächelt hätte. Ausgestanden sind die Risiken um die Weltwirtschaft aber nicht – allemal verschoben. Aber: Vor Ort ist vieles liegen geblieben:
- Mittelstandspolitik: Ist zwar weiterhin in aller Munde, ist aber nicht wirklich zu erkennen. Bürokratie und Verwaltungsaufwand sind Zeitfresser, blockieren Prozesse und kosten.
- Infrastruktur: Die Versäumnisse wirken auf die Beschaffungspreise (Energie, Logistik).
- Steuerpolitik: Die deutsche Politik entzieht sich hartnäckig dem internationalen Steuerwettbewerb und belastet auch alle kleineren Unternehmen mit hohen Steuern.
Absehbar ist, dass die Schlagkraft der Politik, die eine Große Koalition haben könnte, in der 2. Legislaturperiode weiter geschwächt ist. Wirtschafts‑, Unternehmens- und Steuerpolitik werden wohl keine zusätzliche Dynamik freisetzen.
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Konjunktur: Prognosen sind nur Prognosen
Zum Jahresende 2018 prognostizierten wir an dieser Stelle: „ACHTUNG: In der Automobilbranche sind Kapazitätsanpassungen angesagt”. Letzte Woche zitierten wir den Chef der Bosch-Mobilitätssparte Stefan Hartung mit: „Die Automobilproduktion wird bis 2025 nicht mehr wachsen”. Damit ist bereits eine wichtige Rahmenbedingung für 2020 gesetzt. Wie sich das und alle anderen Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft auf die deutsche Wirtschaft auswirken werden, ist derzeit von Niemandem – auch nicht vom geballten Expertenrat – zu beantworten. Einige Eckdaten lassen sich aber mit einer gewissen Präzision vorhersehen:
- Die Inflationsrate für das laufende Geschäftsjahr liegt nach Destatis bei 1,4 % und wird nach den Einschätzungen des Statistischen Bundesamtes in 2020 bei 1,5 % und in 2021 bei 1,6 % liegen. Damit ist die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,00 % deutlich unterschritten. Absehbar ist, dass die Niedrigzinspolitik der EZB weiter unter Druck steht. Stichwort: Billiges Geld. Aber: Die EZB hat bereits angekündigt, dass die Zinsen bis Mitte 2020 bei Null-Prozent einfroren bleiben.
- Zinsen: An der Zinsfront wird sich (siehe oben) zunächst nichts ände Die EZB wird die (noch) stabile Konjunktur nicht belasten. Dafür spricht auch die ungebremst hohe Verschuldungsquote der EU-(Süd-)Staaten. Das kann sich aber schon in der 2. Jahreshälfte 2020 ändern. Investitionen in Gewerbe-Immobilien bleiben eine Option, um Rücklagen für die Zukunft zu bilden.
- Preise: Viele Unternehmen konnten in 2019 sogar mit sinkenden Großhandelspreisen rechnen. Destatis ermittelt für Oktober 2019 gegenüber dem Vorjahreswert ein Absinken um – 2,4 %. Den größten Einfluss auf die Gesamtentwicklung hatten dabei die Preissenkungen im Großhandel mit festen Brennstoffen und Mineralölerzeugnissen (- 13,4 %). Kalkulieren Sie für 2020 trotzdem mit (leicht) steigenden Energiekosten.
- Kalkulation: Die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte sind in 2019 nur moderat gestiegen (+ 1,3 %). Dieser Trend wird sich auch in 2020 fortsetzen. Die Deutsche Industriebank (IKB) rechnet mit einer durchschnittlichen Preissteigerung für Rohstoffe und Vorprodukte von nur noch + 1,2 %.
- Wirtschaftswachstum: Bleibt auf Schrumpfkurs. Bundeswirtschaftsministerium und die relevanten Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen – nach mehrmaligen Korrekturen nach unten – für 2019 nur noch mit einem Wachstum von 0,5 %. Für 2020 wird dennoch ein Wachstum von 1,0 % prognostiziert. Wie realistisch das ist, wird sich spätestens im Frühjahr 2020 herausstellen. In der Gesamtwürdigung stehen die Zeichen auf „Abschwung”.
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Geschäftsführer-Perspektiven: Der Nachwuchs aus den eigenen Reihen
Will Ihre Tochter auch Influencerin werden? Mit einem eigenen Studio im Keller und eigenem Verkaufskanal. Und einem Berater- und Mitarbeiterstab, der den Rest erledigt. Zugegeben: Es war schon immer nicht ganz einfach, den Nachwuchs für die Fortführung der Geschäfte zu begeistern. Ohne planbaren Feierabend und erholsames Wochenende. Eigentlich dreht sich ja Alles um´s Geschäft. Kein Wunder: Nur noch 44 % der befragten mittelständischen Unternehmer in Deutschland sehen im eigenen Nachwuchs die Zukunft des eigenen Unternehmens – so die neuesten Zahlen einer aktuellen KfW-Mittelstandsstudie. 34 % – also jeder dritte – Unternehmer arbeitet bereits daran, einen seiner fähigen Mitarbeiter für die Übernahme des Unternehmens zu begeistern. Also: Augen auf – vielleicht ist der/die Azubi/ne schon der/die richtige für eine erfolgreiche Nachfolge. Mit freundlichen Grüßen.
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Digitales: So schnell geht es jetzt auch wieder nicht!
Die Digitalisierung ist omnipräsent und auch wir beschäftigen uns mit den Auswirkungen auf die Menschen und Märkte – unterdessen regelmäßig an dieser Stelle seit über zwei Jahren. In den meisten Betrieben sind digitale Prozesse zum ständigen Begleiter geworden. Als Geschäftsführer müssen Sie in regelmäßigen Abständen Investitionsentscheidungen in Sachen Digitalisierung treffen. Neue Mitarbeiter werden nach digitalen Kriterien ausgesucht. Mit jedem betrieblichen Software-Update werden zusätzliche Prozesse „digital”. Für die meisten Kollegen/Innen hat die Digitalisierung die stressige Seite verloren, sie begleitet uns und das gesamte Geschäftsleben in einem dynamischen Prozess – Tag für Tag und Situation für Situation und auch mit neuen Geschäftsfeldern und Geschäftschancen.
Und es gibt die erfreuliche Erkenntnis: Viele der alten Geschäftsmodelle bekommen mehr Zeit für notwendige Anpassungen als man das mit dem Digitalisierungs-Hype für möglich gehalten hätte. Auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur braucht mehr Zeit (Deutschland-Index der Digitalisierung 2019) und die Ausbildung für qualifizierte Digital-Jobs dauert länger – wie bei den Lehrern sind die Universitäten kaum noch in der Lage, Know How und Abschlusszahlen zu leisten. Zwar wird alles schneller gehen als in Zeiten der Industrialisierung. Aber auch die Digitalisierung braucht eben (mehr) Zeit als in den meisten Prognosen vorhergesagt. Stillstand sollte sich allerdings kein Unternehmen leisten. Aber – wem sage ich das – das war schon immer so.
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Personal: Die Last der Großen ist die Chance der Kleinen
Der Fachkräftemangel ist in den letzten Jahren neben dem demografischen Faktor immer mehr zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel und zum Bildungs- und Ausbildungsproblem geworden. In einigen Branchen konnten die Leistungen bzw. Dienstleistungen (Gastronomie, traditioneller Einzelhandel, Handwerk usw.) nicht mehr erbracht werden, Öffnungszeiten wurden gekürzt, unterqualifizierte Arbeitskräfte eingestellt. Für viele kleinere Unternehmen, die Ausfälle nicht durch Mehrarbeit, Überstunden oder Arbeitszeitkonten ausgleichen können, ist die Mitarbeiterfrage zur Überlebensfrage geworden.
So gesehen sind die unterdessen auf breiter Front angekündigten Personal-Abbaumaßnahmen der Konzerne Chance für viele mittelständische Unternehmen – zumindest dann, wenn der Standort stimmt. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass dabei Arbeitnehmer mit höheren Qualifikationen freigesetzt werden. In erster Linie wird der Personalabbau durch Abbau befristeter Stellen, durch altersbedingtes Ausscheiden und durch personelle Einsparungen von angelernten Arbeitskräften – also weniger qualifizierten – geplant. Das sind die Vorboten der Künstlichen Intelligenz (KI) in den zukünftigen Produktionsprozessen der Konzerne. Dennoch: Als Geschäftsführer eines kleineren mittelständischen Unternehmens sind Sie gut beraten, den Arbeitsmarkt in der Regio genau zu beobachten und frühzeitig entsprechende Signale auszusenden.
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Performance: Geschäftsführung bleibt ein anspruchsvoller Job
Fehlende Arbeitnehmer, neue Geschäftsmodelle, die großzügig finanziert werden, und veränderte Konsumgewohnheiten: Das sind die Faktoren, die vielen Kollegen/Innen im abgelaufenen Geschäftsjahr zu schaffen machen und in 2020 Herausforderung bleiben. Dazu kommt: Die weltweiten Verunsicherungen auf den Märkten gehen in die nächste Runde. Da sind die Unwägbarkeiten der US-Wirtschaftspolitik, der Brexit, die Ungleichgewichte in der EU, der schwierige Handelpartner „China”, Turbulenzen in Südamerika, in der arabischen Welt und in Afrika. Dazu kommen die Herausforderungen der technologischen Entwicklung und der klimatischen Erfordernisse. All das beeinflusst Ihre tägliche Arbeit und die möglichen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen.
Dennoch: Ihre Arbeitnehmer erwarten – und dürfen von Ihnen erwarten – , dass Sie Antworten parat haben, eine Strategie für´s Geschäft haben und alles dafür tun, dass die Firma wirtschaftlich arbeitet und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die Anforderungen, die Geschäftsführer aushalten müssen, sind und bleiben hoch. Dazu kommt das Gefühl, dass sich Einiges verselbstständigt hat und niemand mehr in der Lage ist, das aufzuhalten. Immer neue Vorschriften und Erlasse. Immer mehr Regulierungen engen die Gestaltungsmöglichkeiten ein und kosten viel Geld. Das alles ist bekannt. Aus Sicht eines Geschäftsführers bedeutet das:
- Geschäftsführer kleinerer Unternehmen verbringen immer mehr Zeit mit Tätigkeiten, die nichts oder nur wenig mit dem eigentlichen Geschäft zu tun haben.
- Staat und Behörden verwenden immer mehr Aufwand und Energien für die Überwachung und Kontrolle von Vorschriften und Auflagen.
- Die Diskrepanz zwischen den Zielen der politischen Entscheidungsträger und den Notwendigkeiten kleinerer Wirtschaftseinheiten an der Basis wird immer größer.
- Als Unternehmer sind Sie es gewohnt, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Egal unter welchen Rahmenbedingungen.
Gefordert sind Sie auch im privaten Umfeld. Die meisten Kollegen wissen, dass sie ihrer Familie viel zumuten. Unter dem Dauerdruck driften Ehen und Beziehungen auseinander, die Kinder können nicht wie erforderlich gefördert und unterstützt werden. Der Spagat zwischen Familie und Geschäft ist und bleibt eine Gratwanderung. Kommen ungeplante Ereignisse – Trennung, ein Pflegefall im unmittelbaren Umfeld, Tod, besondere Probleme eines Kindes – dazu, kann das schon einmal bis an die Belastungsgrenze gehen oder diese sogar überschreiten. Dagegen stehen die Herausforderungen und Chancen, die sich für Sie als Geschäftsführer immer wieder aufs Neue ergeben. Sie wissen genau, an welchen Stellschrauben Sie drehen müssen und können, um die Produkte zu verbessern, die Mitarbeiter einzubeziehen und mitzunehmen, den Service besser zu machen oder dem Kunden noch bessere Lösungen anzubieten. Gerade diese Ideen, diese kreativen Herausforderungen sind es, die „Geschäftsführung“ so abwechslungsreich und spannend machen. Daran wird sich auch im nächsten Jahr nichts ändern. Sie sind gefordert für 2020 – geschäftlich und privat.
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Ich wünsche Ihnen, Ihrer Familie und Ihrem „Team“ erholsame Feiertage und einen erfolgreichen Start ins neue Jahrzehnt
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief