Themen heute: Fehlende Mitarbeiter: Neue Möglichkeiten für kleinere Firmen + Nachfolge: Wer überträgt, gewinnt – Keine Rückwirkung für höhere Erbschaftsteuer + Bilanzschönung: Verantwortung bleibt beim Geschäftsführer + Haftung: Vorsicht – Firmenbestattung kostet den Geschäftsführer-Job + Internet: Prüfen Sie jetzt die Google-Suchergänzungs-Funktion für Ihre Firma + Arbeitsrecht: Chef darf bei Bedrohung kündigen + Steuern: Finanzamt darf Verzicht auf Stimmrecht nicht besteuern + BISS …
Nr 21/2013 vom 24.5.2013
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
derzeit gibt es (nur noch) 123.400 offene Stellen für qualifizierte Arbeitskräfte mit den sog. MINT-Qualifikationen – also Arbeitnehmern aus den Bereichen Medizin, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Viele Unternehmen haben sich damit geholfen, ältere Arbeitnehmer länger zu beschäftigen. Dazu kam, dass in den letzten Jahren zunehmend viele Abschlüsse in diesen Ausbildungsgängen verbucht wurden.
Zuletzt wurden auf dem Demografie-Gipfel die Fakten deutlich: In 111 Berufen fehlen bereits die Fachkräfte. Tendenz: zunehmend. 20% der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre. In 2030 (also: 17 Jahre) werden es 30% sein. Heute sind 62,5 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. In 2030 sind es nur noch 50%. 16,8 Millionen Menschen sind älter als 65, aber nur 14,9 Millionen jünger als 20 Jahre. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf. Sozialversicherung (DR), Arbeitsagentur und die Krankenkassen werden Beratungsstellen für einen speziellen „Unternehmensservice Demografie“ einrichten. Hier werden gezielt kleinere Unternehmen beraten, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Das sollten Sie nutzen.
Veranlassen Sie Ihr Personalbüro, hier rechtzeitig „auf der Matte“ zu stehen. Der Service umfasst ausführliche Beratung in Sachen Arbeitszeitmodelle, Zeitwertkonten, flexibler Übergang in den Rente. Es gibt Beratung und Angebote zur beruflichen Weiterqualifizierung von Mitarbeitern und zur Gesundheits-Prävention, also ganz praktische Hilfen zur Bindung der Mitarbeiter an die Firma. Eine gute Übersicht über die Leistungen des Services gibt es unter > Ergebnisbericht Demografiegipfel.
Wer überträgt, gewinnt: Keine Rückwirkung für höhere Erbschaftsteuer
Laut BMF werden Erbschaften – auch die Übertragung von Betriebsvermögen – auf keinen Fall rückwirkend besteuert. Rechtskräftig übertragene Vermögen können steuerlich nicht mehr schlechter gestellt werden. Dazu Schäuble: „Die Bundesregierung strebt keine rückwirkend belastenden Änderungen im Bereich der Erbschaftsteuer an“. Problematisch wird es aber für „ausgetüftelte“ Gestaltungen werden. Also wenn Privatvermögen zunächst in ein Betriebsvermögen eingebracht wird, um es dann als begünstigtes Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer frei stellen zu lassen. Dieses als sog. Cash-GmbH bekannte Steuervermeidungs-Modell ist allen Parteien ein Dorn im Auge. Hier werden die Finanzbehörden prüfen, ob Privatvermögen eingebracht wurde. In auffälligen Fällen müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Finanzamt ohne offizielle Gesetzesänderung auf der Grundlage des § 42 AO (Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten) die Steuerbefreiung nicht gewährt.
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung wird aber noch einige Zeit ins Land gehen. Eventuell gibt das BVerfG einen Termin vor. Der dürfte aber (auch wegen der Bundestagswahl) kaum vor 2014 liegen. Steht eine Betriebsübertragung an, gibt es damit einen Grund mehr, diese zügig zu planen und umzusetzen. Für GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer gilt: Prüfen Sie, ob Sie Anteile stückeln und vorab auf die Kinder übertragen. Eventuell mit einer entsprechenden Gestaltung beim Stimmrecht. Z. B. in der Form, dass Sie für Ihre verbleibende Beteiligung (Minderheits-Beteiligung) ein generelles Zustimmungserfordernis für alle Beschlüsse vereinbaren (vgl. dazu auch zuletzt Nr. 16/2013).
Bilanzschönung: Verantwortung bleibt beim Geschäftsführer
Selbst wenn die Gesellschafter den Jahresabschluss der GmbH (Bilanz, GuV, Anhang, Lagebericht) ordnungsgemäß festgestellt und angenommen haben, sind Sie als Geschäftsführer noch längst nicht aus der Haftung für die Richtigkeit der Angaben. In der Praxis gibt es immer wieder den Fall, dass ein Minderheits-Gesellschafter den Feststellungsbeschluss gerichtlich prüfen lässt.
Zum Beispiel, wenn der den Eindruck hat, das „geschönt“ wurde (hier: Rückstellungen für zukünftige Verbindlichkeiten werden nicht verbucht). Da das aber die Bilanz verhagelt hätte, wäre die anstehende Vertragsverlängerung für den Geschäftsführer nicht so leicht zu machen gewesen. Eine solche Politik ist für den Geschäftsführer eine Gratwanderung. Stellt das Gericht solche Fehler (Manipulationen) fest, ist der Beschluss zur Feststellung des Jahresabschlusses inkl.Entlastung des Geschäftsführers unwirksam (OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.11.2012, 14 U 39/12). Der Geschäftsführer muss dafür sorgen, dass der Jahresabschluss nachgebessert wird. Unterlässt er das, liegt darin eine Pflichtverletzung (Verstoß gegen § 41, 42, 42a GmbH-Gesetz, § 331 HGB). In vielen Geschäftsführer-Verträgen ist für solche Fälle ein außerordentliches Kündigungsrecht vorgesehen. Aber auch ohne eine solche Klausel, besteht bei Manipulation das Recht zur fristlosen Kündigung inkl. Schadensersatzanspruch.
Als „ordentlicher“ Kaufmann sollten Sie sich in Buchführungs- und Bilanzsachen an das Vorsichtsprinzip halten. Sind zukünftige Verpflichtungen absehbar, ist es nicht nur aus steuerlichen Erwägungen sondern aus handelsrechtlicher Verpflichtung geboten, Vorsorge zu treffen (Rückstellungen). Vor Manipulationen zur Schönung des Ergebnisses (z. B. um eine Vertragsverlängerung mit besseren Konditionen durchzusetzen) wird dringend abgeraten. Gehen Sie davon aus, dass solche Eingriffe in aller Regel früher oder später öffentlich werden. In diesen Fällen können Sie dann aber nicht mehr mit einer zweiten Chance rechnen.
Vorsicht: Firmenbestattung kostet den Geschäftsführer-Job
Vermeintlich letzte Rettung, wenn die GmbH vor der Insolvenz steht: Die Firmenbestattung. Vorsicht: Zwar gelingt es dem Käufer der GmbH, die Identität der GmbH nach Umbenennung und Sitzverlegung für einige Zeit dem Zugriff der Insolvenzverwalter zu entziehen. Aber nur solange, bis sich die Insolvenzgerichte auf die Zuständigkeiten geeinigt haben und das offizielle Insolvenzverfahren eingeleitet wird. Spätestens dann wendet sich der Insolvenzverwalter an den bis zum Verkauf der GmbH bestellten Geschäftsführer. Vergehen: Verstoß gegen die Verpflichtung zur Anmeldung der Insolvenz (§ 15a Abs. 1 InsO).
Folge: Der haftet für den entstandenen Schaden (eventuelle Zusatzforderungen von Gläubigern). Nicht weniger drastisch sind die Folgen für den Käufer. Bleibt der weiter untätig, bedeutet das Insolvenzverschleppung oder strafbaren Bankrott. Der BGH hat jetzt eine Strafe von 5 Jahren Gefängnis gegen einen Geschäftsführer bestätigt (BGH, Beschluss vom 15.11.2012, 3 StR 199/12). Geraten Sie als Geschäftsführer in den Verdacht, an einer Firmenbestattung mitgewirkt zu haben, hat das Folgen für Ihre berufliche Zukunft. Eine Bestrafung wegen Insolvenzverschleppung bzw. Bankrott führt dazu, dass Sie nicht mehr als Geschäftsführer tätig werden dürfen (§ 6 GmbH-Gesetz).
Befindet die GmbH sich in der wirtschaftlichen Krise, sind Sie als Geschäftsführer verpflichtet zu prüfen, ob das Insolvenzverfahren beantragt werden muss (§ 15a Insolvenzordnung in der 3‑Wochen-Frist). Dazu müssen Sie fachlichen Rat einholen, also einen Steuerberater mit der Aufstellung einer Zwischenbilanz (Überschuldungsbilanz) beauftragen. In dieser Zeit können Sie Ihr Amt nicht niederlegen, auch ein Verkauf der Anteile ist nur beschränkt möglich. Finger weg von Firmenbestattern in der Krise. Da müssen Sie selbst durch.
Prüfen Sie jetzt die Google-Suchergänzungs-Funktion für Ihre Firma
Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs muss Google die Suchergänzungs-Funktion („autocomplete-function“) für Ihre Firma korrigieren bzw. löschen, wenn dadurch ein geschäftsschädigendes oder unrichtiges Bild über Ihre Firma vermittelt wird. Im entschiedenen Verfahren wurde beim Google-Aufruf der Firma ein Verweis auf Scientology (BGH, Urteil vom 14.5.2013, VI ZR 269/12).
Hier sollten Sie umgehend prüfen, welche Suchergänzungs-Ergebnisse für Ihre Firma angezeigt werden. Das kann in der Tat nachteilig fürs Geschäft werden. Z. B., wenn pornografische, unsittliche oder verunglimpfende Wortfelder aufgebaut werden oder wenn böswillige und schlechte Meinungsmache gegen Ihr Unternehmen betrieben wird. Bevor Sie sich aber selbst mit Google Deutschland auf Juristisches einlassen, sollten Sie sich von einem Internet-Juristen vertreten lassen. Eventuell muss dazu ein Abmahnverfahren eingeleitet werden. Bei Fristüberschreitung können Sie dann sogar Schadensersatz verlangen.
Chef darf bei Bedrohung kündigen
Wenn ein langjähriger Mitarbeiter (hier: 25 Jahre) den Chef bedroht („Ich hau dir in die Fresse“), darf der kündigen. Zunächst hatte die Firma eine fristlose Kündigung ausgesprochen, Später einigte man sich auf eine fristgerechte Kündigung und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.000 EUR (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 8.5.2013, 7 Sa 1821/12).
Selbst wenn Sie in einer Branche tätig sind, in der der Umgangston etwas rauer ist (Bau, Handwerk, Produktion), darf der Arbeitnehmer seinen Chef nicht verbal bedrohen. Das müssen Sie sich nicht bieten lassen. Empfehlung: Im Erstfall deutlich abmahnen (schriftlich mit Kündigungsandrohung). Im Zweitfall sofort kündigen. Ein solches Verhalten ist keine Geschäftsgrundlage.
Finanzamt darf Verzicht auf Stimmrecht nicht besteuern
Verzichtet ein GmbH-Gesellschafter auf ein ihm zustehendes Mehrstimmrecht, liegt darin auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH, selbst wenn sich der Wert der Anteile dadurch erhöht (BFH, Urteil vom 30.1.2013, II R 38/11).
Der Verzicht auf das Mehrstimmrecht führt laut BFH nicht zu einer substanziellen Vermehrung des Vermögens der übrigen Gesellschafter. Das aber ist die Voraussetzung für die Besteuerung. Damit liegt kein schenkungssteuer-erheblicher Vorgang vor.
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief