- ACHTUNG: Zwei kleine Änderungen mit großen Auswirkungen + Besuch vom Finanzamt: Was tun, wenn der Prüfer unangemeldet vor der Tür steht + Digital: Vom stationären Handel zum Online-Shop + Fehlendes Zählprotokoll: Kein Grund für eine Umsatz-Schätzung + Steuer: So korrigieren Sie Fehler bei der GmbH-Gewinnbesteuerung + Abgabenordnung: Keine Nachversteuerung nach Schenkung, Verkauf und Reinvestition + Chance: Weniger Steuer für die (geringe) Management-Beteiligung
BISS … die Wirtschaft-Satire
Der Volkelt-Brief 02/2018 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 12. Januar 2018
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege
ab sofort müssen Sie sich auf zwei Neuerungen mit unangenehmen Auswirkungen einstellen: Zum einen ist da die unangekündigte Kassennachschau (vgl. Nr. 49/2017). Die örtlichen Finanzbehörden werden dazu zunächst die üblichen verdächtigen Branchen ins Visier nehmen, um Erfahrungen mit dem neuen Prüfungs-Instrument zu sammeln. Sobald erste Fälle dazu bekannt sind, werden wir über rechtliche Maßnahmen berichten. Zum Beispiel, wie Sie sich gegen eine „Verwerfung der Buchführung” mit anschließender Steuerschätzung (Umsatzverprobung) wehren können (vgl. Seite 3).
Für Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern gilt ab sofort das Entgelttransparenzgesetz (vgl. Nr. 21/2017). Danach sind Sie verpflichtet, den Mitarbeitern Auskünfte über Löhne in vergleichbaren Tätigkeiten zu geben. Auch der Betriebsrat und die Gewerkschaften werden diese Steilvorlage nutzen und Ihr Vergütungssystem nach den neuen Kriterien durchleuchten. Das betrifft insbesondere Unternehmen mit vielen Leichtlohn-Tätigkeiten, wenn Sie einzelnen Mitarbeitern Leistungsanreize mit regelmäßigen Prämien und/oder Zusatzleistungen gewähren.
Besuch vom Finanzamt: Was tun, wenn der Prüfer unangemeldet vor der Tür steht
Wenn die sog. Kassennachschau – siehe Seite 1 dieser Ausgabe – gravierende Mängel zu Tage fördert (etwa: große Abweichungen, Lücken im Kassenbuch) und sich damit ein dringender Verdacht auf (systematische) Steuerhinterziehung ergibt, ist Alarmstufe „rot” angesagt. Die Finanzbehörden sind berechtigt, unmittelbar weitere rechtliche Schritte – etwa eine Steuerfahndung – einzuleiten. Jetzt dürfen Sie keine Fehler machen, die Ihrer Rechtsposition schaden.
- Rufen Sie sofort Ihren Anwalt an: Viele Strafverteidiger haben Notfalltelefonnummern und sind jederzeit telefonisch erreichbar. Auch der Notdienst des örtlichen Anwaltsvereins in Strafsachen hilft sofort. Dem Betroffenen darf der Telefonkontakt zu seinem Anwalt nicht verwehrt werden. Bitten Sie den Durchsuchungsleiter auf den Anwalt zu warten. Eine Verpflichtung der Ermittler, mit dem Durchsuchungsbeginn bis zum Eintreffen des Anwalts zu warten, besteht aber nicht.
- Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluss aushändigen: Jede Durchsuchung braucht eine richterlichen Anordnung. Diese ist vor Beginn der Durchsuchung – zumindest in Kopie – auszuhändigen. Daraus entnehmen Sie den Umfang der Durchsuchung – nur im genannten Umfang dürfen die Beamten durchsuchen. Notieren Sie die Namen der Ermittler.
- Mitarbeiter dürfen keine Auskünfte ohne Anwalt geben: Es gehört zum Repertoire der Ermittler, die Durchsuchungssituation für Vernehmungen zu nutzen. Lassen Sie sich nicht von Sätzen beeindrucken wie „das wirkt Straf mindernd“ o. Ä. Untersagen Sie Vernehmungen auf dem Firmengelände. Sie müssen die Durchsuchung dulden. Ihr Hausrecht ist eingeschränkt und das Betreten der Geschäftsräume durch die Ermittler nicht zu verhindern. Ein Aufenthalt der Prüfer im Unternehmen für Vernehmungen ist vom Durchsuchungsbeschluss aber nicht gedeckt.
- Entbinden Sie Ihre Berater auf keinen Fall von der Verschwiegenheitsverpflichtung: Auf keinen Fall dürfen Sie Ihre Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von ihrer beruflichen Schweigepflicht entbinden. Diese können sich dann nämlich nicht mehr auf ihr gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen und können zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtet werden.
- Lassen sie das Vorgehen der Ermittler beobachten: Die Ermittler dürfen nicht die Durchsuchung in Abwesenheit von Beauftragten des Unternehmens verlangen. Für jede Ermittlungsperson, jedenfalls aber für jeden zu durchsuchenden Raum ist daher möglichst ein kompetenter Mitarbeiter oder Anwalt abzustellen, der die Beamten begleitet und die Maßnahmen beobachtet. Es ist z. B. darauf zu achten, dass Räume, auf die sich der Durchsuchungsbeschluss nicht bezieht, nicht betreten und nicht durchsucht werden.
- Niemals Unterlagen vernichten oder Daten löschen: Auf keinen Fall dürfen Unterlagen beiseite geschafft oder Daten vernichtet werden. Ist der Mitarbeiter selbst Beschuldigter, kann das ein Haftgrund sein, bzw. – sofern dieser nicht selbst beschuldigt wird – eine versuchte Strafvereitelung begründen.
- Erteilen Sie keine Genehmigung für nicht einsichtsbefugte Beamte: Auch einfache Polizeibeamte dürfen auf Anordnung des Staatsanwaltes Papiere und elektronische Datenträger durchsehen. Fehlt es an einer Anordnung – die auch fernmündlich oder vorab erfolgen kann –, sollte ohne Beratung mit dem hinzugezogenen Anwalt keine Genehmigung zur Durchsicht erteilt werden.
- Geben Sie nie freiwillig Unterlagen ohne Abstimmung mit dem Anwalt heraus: Es gibt keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung an der Durchsuchung. Es kann aber sinnvoll sein, in Abstimmung mit dem Anwalt auch aktiv mitzuwirken: Z. B., um verschlossene Räume, Schränke, Tresore usw. zu öffnen, um deren Aufbrechen zu verhindern. Das gilt auch für die Preisgabe von Passwörtern für die IT, wenn dadurch verhindert wird, dass die gesamte IT beschlagnahmt wird.
- Verlangen Sie eine detaillierte Dokumentation aller beschlagnahmten Unterlagen und Gegenstände: Sie haben Anspruch darauf, dass an Ort und Stelle einen Anspruch in ausführliches, schriftliches Verzeichnis der sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen erstellt und Ihnen überlassen wird – das müssen Sie aber ausdrücklich verlangen. Fertigen Sie Kopien der sichergestellten Unterlagen.
- Lassen Sie sich Zeit beim Ausfüllen der Durchsuchungs-Niederschrift: Bei Beendigung der Durchsuchung wird eine Niederschrift über Durchsuchung und Beschlagnahme mittels eines Formblattes erstellt. Lesen Sie die Textbausteine in Ruhe durch und kreuzen Zutreffendes an. Unmittelbar nach Beendigung sollten Sie den Ablauf der Durchsuchung aus Ihrer Sicht dokumentieren.
Digital: Vom stationären Handel zum Online-Shop
Laut IFH Köln wurden 2013 noch rund 448 Mrd. EUR im stationären Handel und lediglich 27 Mrd. EUR im Online-Handel umgesetzt (= 5,6 %). Nach Hochrechnungen wird der Anteil im stationären Handel auf 405 Mrd. EUR sinken und der Online-Anteil auf 77 Mrd. EUR weiter ansteigen (= 16 %). Gingen nicht wenige Experten bisher davon aus, dass sich der Verdrängungswettbewerb zugunsten des Online-Handels weiter beschleunigen wird, ist unterdessen festzustellen, dass die Angebotsformen immer mehr miteinander verschmelzen. Z. B. im Kfz-Handel – der Kunde konfiguriert seinen Wagen online. Der Kauf wird „konventionell” über den Händler vor Ort abgewickelt.
Fakt ist, dass immer noch 9 von 10 Kunden Mode und Bekleidung in den Geschäften rund um die Einkaufsmeilen kaufen (Quelle: KPMG). Dabei gelingt es den Oberzentren zunehmend Kaufkraft aus dem Umland zu binden (z. B. Saarbrücken mit einer Zentralitätskennziffer von 152). Aber auch in kleineren Städten gelingt es, die Kaufkraft zu steigern, wenn das Event-Umfeld stimmt. Einige Forschungsinstitute haben bereits Sättigungstendenzen (Bücher, Unterhaltungselektronik, Schuhe) im Online-Handel ausgemacht. Nachweisbar ist, dass die Bedeutung der weichen Faktoren (Beratung, Anfassen, Probieren) für den Verkauf zunimmt. Kai Falk, Geschäftsführer des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels (HDE), formuliert: „Wer als Handelsunternehmen im Wettbewerb bestehen will, muss im Internet präsent sein. Nicht unbedingt mit einem eigenen Online-Shop, aber er muss im Internet auffindbar sein”. Noch drastischer sieht es das Media-Markt-Management: Wer keine stationären Geschäfte hat, kann sich im Online-Markt auf Dauer nicht halten. Unterdessen gilt das auch für Amazon, Zalando usw..
Fehlendes Zählprotokoll: Kein Grund für eine Umsatz-Schätzung
Dass die Finanzbehörden in den Branchen, in denen viel Bargeld in Umlauf ist, die eingereichten Besteuerungsunterlagen bzw. angegebenen Umsätze häufig anzweifeln, ist bekannt. Viele Unternehmen nutzen unterdessen die Möglichkeit, eine sog. offene Ladenkasse zu führen. Damit können kleinere Unternehmen die Investitionen für ein finanzamtstaugliches Kassensystem sparen – immerhin geht es hier bereits bei wenigen Kassenplätzen um fünfstellige Kosten.
Problem bisher: Alleine die Tatsache, dass eine offene Ladenkasse geführt wurde, genügte bereits vielen Steuerprüfern, um dem Unternehmen eine Verletzung der Aufzeichnungspflichten (Hier: fehlende Einzelaufzeichnung der Umsätze mit Namen des Kunden und der Ware) zu unterstellen und eine sog. Verprobung – also Schätzung – der Umsätze vorzunehmen. Mit dem immer gleichen Ergebnis, dass Mehrsteuern fällig werden. Unterdessen hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Grenze gezogen, auf die sich in Zukunft betroffene Unternehmen berufen können und sich damit besser als bisher gegen diese Finanzamtspraxis wehren können (BFH, Urteil v. 12.7.2017, X B 16/17).
Steuer: So korrigieren Sie Fehler bei der GmbH-Gewinnbesteuerung
Beantragt der GmbH-Gesellschafter für Gewinnausschüttungen die sog. Günstigerprüfung, versäumt es aber, einen Antrag auf Besteuerung nach dem für ihn günstigeren Teileinkünfteverfahren zu stellen, kann er u. U. – so der BFH – eine Verlängerung der Antragsfrist erreichen und so dennoch vom günstigeren Teileinkünfteverfahren profitieren (BFH, Urteil v. 29.8.2017, VIII R 33/15).
Keine Nachversteuerung nach Schenkung, Verkauf und Reinvestition
Investiert der GmbH-Gesellschafter den Erlös aus dem Verkauf seines GmbH-Anteils, den er als Geschenk (hier: von seinem Bruder) erhalten hat und der nach der Verschonungsregelung steuerfrei blieb, erneut in die Anschaffung von GmbH-Anteilen, ist das Finanzamt nicht berechtigt, den Veräußerungsgewinn nachträglich zu versteuern. Das gilt selbst dann, wenn sich durch den Verkauf und Neuerwerb die Beteiligungsquote des GmbH-Gesellschafters (hier: < 25 %) geändert hat und selbst dann, wenn er einen Teil des Erlöses erst nach Ablauf der gesetzlichen Sechsmonatsfrist für Reinvestitionen investiert hat (FG Münster, Urteil v. 20.11.2017, 3 K 1879/15, Revision ist zugelassen).
Weniger Steuer für die (geringe) Management-Beteiligung
Beteiligt sich ein Arbeitnehmer (hier: Geschäftsführer mit einer 0,96 % Beteiligung an einer Holding-GmbH) kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass die damit in Zusammenhang stehenden Einnahmen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage. Die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen und unterliegen der Abgeltungssteuer (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.5.2017, 5 K 3825/14).
Eine informative Lektüre wünscht
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst