Themen heute: Was tun gegen die umstrittene Praxis der „Umsätze nach Verprobung” Methode der Steuerprüfer? + Neu im Geschäft: Für 2012 die Pensionszusage richtig planen und vorbereiten + Gesellschafter muss sich bei öffentlichen Äußerungen über die GmbH zurückhalten + Frauenquote bei Firmenparkplätzen ist nicht zu beanstanden + Bewerbungsrunde für neue Top-Level-Domains startet + BISS …
50. KW 2011
Freitag, 16.12.2011
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
neben der Finanz- und Bankenkrise und den eingetrübten Konjunkturaussichten für 2012 gibt es noch ganz andere Themen, die für nicht wenige Unternehmer eine existenzielle Bedrohung sind. Und zwar insbesondere für kleinere Unternehmen, die sich professionelle Rechtsberatung und lange Prozesse nicht leisten können. Sogar TV-Entertainer Hape Kerkeling hat jetzt in seinem Jahresrückblick 2011 die höchst umstrittene Praxis der Verprobung durch die Finanzbehörden angeprangert und damit erstmals einer breiten Öffentlichkeit Methoden der Finanzbehörden aufgezeigt, die sonst nur im Stillen ausgetragen werden. Der Steuerbürger ist ansonsten ohne öffentliche Kontrolle den Unterstellungen der übermächtigen Finanz-Bürokratie ausgesetzt.
Im vorgeführten Fall geht es um einen kleineren Gastronomiebetrieb, dem das Finanzamt unterstellt, dass die verkauften Schnitzel statt der angegebenen 250 Gramm nur mit 180 Gramm zu veranschlagen sind. Folge: Die verkaufte Menge und die Umsätze werden nach oben „geschätzt“. Und zwar hier ganz konkret um insgesamt 38.000 €, was das finanzielle Ende des betroffenen Gewerbetreibenden bedeutet. Um was geht? Die Finanzbehörden ermitteln Durchschnitts-Verbrauchsmengen. Z. B. Schnitzel-Gewichte für Gastronomen, auch Sham-poo-Verbrauch bei Frisören, Holzverbrauch bei Schreinern, Farbverbrauch bei Lackierern usw. . Abweichungen vom Durchschnittsverbrauch werden steuerlich nicht nachvollzogen. Wer größere Schnitzel verkauft, als Malerbetrieb die Tapete mehrmals streicht oder als Frisör bei der Haarwäsche mehr Shampoo als vorgesehen verbraucht, dem wird automatisch unterstellt, dass er bei den Umsätzen falsche Angaben macht.
Das ist also kein Einzelfall. Auch wir haben an dieser Stelle bereits öfter auf solche Fälle verwiesen – zuletzt z. B. auf die Befragung der Finanzbehörden zur Kundenstruktur von Frisören, um daraus Werte für Durch-schnittsverbrauchsmengen zu erhalten (vgl. Nr. 20/2011). Nach unseren Einschätzungen wird in fast allen Prüfungen bei Betrieben, in denen die Einkaufsmengen vollständig erfasst sind, die Umsätze aber Bandbreiten zulassen, mit sog. Verprobungen nach Durchschnittswerten nachgerechnet. Wir schätzen, dass es bundesweit mindestens bei einer fünfstelligen Zahl von Prüfungen zu Beanstandungen und Nachversteuerungen kommt. Dass wir mit diesen Schätzungen nicht alleine stehen, belegte in besagter TV-Sendung auch WISO-Wirtschaftsexperte Michael Opoczynski. Dabei ist diese Rechtspraxis der Finanzbehörden höchst zweifelhaft und verfassungsrechtlich umstritten. De facto schaffen die Finanzämter so eine Umkehr der Beweislast. Der Gewerbetreibende muss beweisen, dass er Umsätze nicht gemacht hat. Dabei legen die Finanzbehörden mit Durchschnittswerten einen Maßstab vor, der durch Nichts gerechtfertigt ist als einer Durchschnittsberechnung. Eine gesetzliche Vorgabe z. B. für eine Portionierung oder Verbrauchsmengen ist nicht vorgesehen und in einer Wettbewerbswirtschaft nicht systemkonform. Dazu kommt die Praxis der Betriebsprüfung, auf den Prüfling Druck auszuüben und notfalls einen Kompromiss gegen Zahlung durchzusetzen – sei es mit dem Hinweis auf ein mögliches Strafverfahren. Was im Klartext einem beruflichen Aus für den Betroffenen gleichkommt.
Für die Praxis: Wichtig ist, dass Betroffene sich wehren und dazu ggf. auch an die Öffentlichkeit gehen. Das scheint derzeit die einzige Möglichkeit, einen gewissen öffentlichen Druck auf die Finanzbehörden auszuüben. Sobald es um größere Beträge geht, sollten Sie auch neben Ihrem Steuerberater einen Fachanwalt für Steuerrecht einschalten. Auf keinen Fall sollten Sie „klein beigeben“. Nach unseren Erfahrungen müssen Sie dann damit rechnen, dass Sie demnächst wieder auf der Liste der zu prüfenden Unternehmen stehen. Informieren Sie auch den Ansprechpartner Recht der IHK, den Branchenverband und die Fachpresse.
Neu im Amt: Jetzt die Pensionszusage für 2012 sichern
Geschäftsführer, die erst seit kurzem im Amt sind, sollten unbedingt noch vor dem Jahresende prüfen, ob Sie bereits die Voraussetzungen für die Erteilung einer Pensionszusage erfüllen. Die Pensionszusage der GmbH an ihren Geschäftsführer ist für kleinere und mittelgroße GmbH immer noch eine der besten Möglichkeiten, die Steuerbemessungsgrundlage der GmbH dauerhaft zu mindern. Der Vorteil: Die Pensionsrückstellung wirkt sich in der Bilanz der GmbH Gewinn mindernd aus. Voraussetzung: Sie sind bereits seit 2 Jahren im Amt und die GmbH schreibt schwarze Zahlen.
Dazu sollten die Gesellschafter der GmbH möglichst noch in 2011 per Gesellschafter-Beschluss eine Pensi-onszusage ab 01.01.2012 für den Gesellschafter-Geschäftsführer beschließen (Änderung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages). Nur dann ist sichergestellt, dass Sie diese Form der steuergünstigen Altersversorgung bereits für das gesamte Jahr 2012 nutzen können.
Für die Praxis: Für GmbH-Neugründungen verlangt das Finanzamt für die steuerliche Anerkennung eine Wartezeit von 5 Jahren. Ausnahme: Es handelt sich um eine Umgründung z. B. aus einer bereits seit längerem agierenden (Ein-) Personen-Gesellschaft. Empfehlung: Neben der Wartezeit müssen zur steuerlichen Anerkennung der Pensionszusage noch zahlreiche andere Bedingungen eingehalten werden (z. B. Gleichbehandlungsgrundsatz, Rückdeckung, Bezugsrechte usw.) Dazu empfehlen wir auf jeden Fall Beratung durch den Steuerberater. Wenn Sie noch keine Pensionszusage vereinbart haben, gehört das unbedingt auf die Tagesordnung zum nächsten Steuerberater-Termin.
Arbeitshilfen: Beschluss-Formular: Zusage einer Pension, Alles zur Pensionszusage inkl. Muster
Gesellschafter muss sich bei öffentlichen Stellungnahmen zur GmbH zurückhalten
Äußert sich einer der Gesellschafter des Unternehmens kritisch in der Öffentlichkeit über die Geschäftspolitik des Unternehmens, kann das Auswirklungen auf sein Auskunfts- und Einsichtsrecht haben. Begründung: Die übrigen können mit dem Hinweis „Kredit schädigende Aussagen“ das Auskunfts- und Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen der GmbH verweigern (OLG Köln, Urteil vom 8.12.2011, 18 U 38/11).
Für die Praxis: Im Urteilsfall war einer der Gesellschafter in einem Bericht des Manager Magazins kritisch zur Geschäftspolitik der Privatbrauerei Gaffel zitiert worden. Der Gesellschafter konnte allerdings darlegen, dass es sich um eine „so nicht gemachte Aussage“ handelte. Dennoch: Auch als Gesellschafter einer GmbH sind Sie gut beraten, sich in der Öffentlichkeit (Interviews, spontane Telefon-Befragung durch eine Journalisten usw.) zurückhaltend mit Aussagen über das Unternehmen zu geben. Im schlechtesten Fall kann das dazu führen, dass die übrigen Gesellschafter Ihnen sogar Auskunft und Einblick in grundsätzliche Unterlagen der GmbH (z. B. Anhang, Lagebericht, oder: Verträge, Planungsunterlagen) verweigern können. Das sollten Sie nicht leichtfertig riskieren.
Frauenquote für Firmenparkplätze ist nicht zu beanstanden
Vergibt der Arbeitgeber Firmen-Parkplätze nach dem Kriterium „Frauen vor Männer“, dann ist das nicht zu beanstanden. Es liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach dem AGG vor. Die Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt, weil Frauen nachweisbar öfter Opfer von sexuellen Übergriffen werden und insofern ein Schutzbedürfnis vorliegt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.9.2011, 10 Sa 314/11).
Für die Praxis: Geklagt hatte ein Schwerbehinderter. Seine Klage wegen Diskriminierung wurde aber abgewiesen. Bevor Sie auf Ihrem Firmengelände Frauen bevorzugen, sollten Sie aber bei Schwerbehinderungen dennoch genau prüfen, ob sie auch diesen wie den Frauen privilegierte Parkplätze zuweisen. Sonst steht zu befürchten, dass die Behindertenverbände ein neues Grundsatz-Urteil zu dieser Rechtsfrage anstreben. Wenn Sie dieses Prozess-Risiko vermeiden wollen, sollten Sie sich kompromissbereit geben.
Bewerbungsrunde für neue Top-Level-Domains
Am 12.1.2012 startet die Bewerbungsrunde für die neuen Internet-Adressen. Neben den bisher üblichen Bezeichnungen wie de, com, org, eu wird es dann auch möglich sein, z. B. die Firmenbezeichnung oder andere Begrifflichkeiten als Internet-Adresse zu wählen. Beispiele: www.auto.vw und www.maschinen.bosch oder www.brotaufstrich.nutella oder www.golf. Ab 1.1.2013 solle es laut Internet-Behörde ICANN möglich sein, mit den neuen Domains im Internet erreichbar zu sein.
Für die Praxis: Die Behörde lässt sich die Vergabe der neuen Domains „versilbern“ – d. h. zum Start sind extrem hohe Gebühren fällig. Eine Registrierung lohnt also nur für größere Unternehmen oder bekannte Marken, die unbedingt geschützt werden müssen. Zu den konkreten Bedingungen lesen Sie unter Die Information für den Volkelt-Brief Nr. 26/2011. Kostengünstiger und damit interessant für kleinere Unternehmen sind regionale Verweise – etwa www.Meier.Freiburg . Dazu muss das Unternehmen aber eine regionale Förderung (z. B. durch Sponsoring) nachweisen. Kontakt: https://www.icann.org .
Mit besten Grüßen Ihr
Lothar Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief
BISS > Die Wirtschaftssatire > https://www.gmbh-gf.de/biss/Testosteron-ideen