Die Themen heute:
ACHTUNG: Das Ende der Insolvenz-Verschonung naht + Verstärkung: Der/die Neue für die Geschäftsführung + Geschäftsführer-Perspektive: Prüfer prüft Prüfer + Praktisch: Starthilfen für StartUps + Digitales: Den richtigen Lernpartner finden + Kompakt: Konjunktur- und Finanz-Plandaten August 2020 + Mitarbeiter: Einsichtsrechte des Betriebsrats + GmbH/Bilanz: Keine Rückstellung bei „betrieblichem Eigeninteresse” + Sanierung: Prognose muss fundiert sein + Formvorschriften: Auflösung einer Einpersonen-GmbH/UG
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Freiburg, 7. August 2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
auch auf die Gefahr, dass wir uns wiederholen: Viele Kollegen/Innen sind in Sachen Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführung immer noch verunsichert. Was gilt? Wer muss wann handeln? Selbst in der Fachliteratur gibt es unterschiedliche Interpretationen zur Rechtslage. Fakt ist: Spätestens zum 30.9.2020 ist für viele GmbH/UG die Schonfrist vorbei. Gläubiger, die fällige und noch nicht bezahlte Forderungen gegen Ihre GmbH/UG haben, können spätestens mit Ablauf des Mahnverfahrens Insolvenzantrag stellen. Das Amtsgericht wird den Antrag prüfen und ggf. das Verfahren eröffnen.
Die Rechtslage: Gläubiger können immer dann einen Insolvenzantrag gegen eine GmbH/UG stellen, wenn sie ihre Forderungen sowie den Insolvenzgrund – Zahlungsunwilligkeit oder ‑unfähigkeit des Schuldners – glaubhaft machen (§ 14 InsO). Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kann der Gläubiger z. B. dadurch belegen, dass er eine Bescheinigung über einen erfolglosen Pfändungsversuch vorlegt, die nicht älter ist als ein bis sechs Monate. Kollegen/Innen, deren GmbH/UG durch die Corona-Folgen zum Stichtag 30.9.2020 immer noch zahlungsunfähig, bedroht zahlungsunfähig oder überschuldet ist und kein Sanierungsplan in Arbeit ist, müssen dann unverzüglich, spätestens aber bis zum 22.10.2020 (Dreiwochenfrist) Insolvenzantrag stellen. Nur wenn es bis dahin gelungen ist, die Insolvenzursache zu beseitigen (Sanierung), muss die Geschäftsführung nicht von sich aus tätig werden.
Für die Praxis: Beachten Sie dazu auch unsere Arbeitshilfen zum Thema – siehe unten. Dort finden Sie weitere Beispiele dazu, welche Insolvenzkriterien in der Praxis in strittigen Insolvenzverfahren angewandt werden – bzw. bei welchen Insolvenzmerkmalen Sie tätig werden müssen (vgl. dazu auch Nr. 22, 29/2020).
Verstärkung: Der/die Neue für die Geschäftsführung
Ob – wie jetzt in vielen mittelständischen Unternehmen – Krisen-Szenario, Nachfolge-Planung oder krankheitsbedingter Ausfall einer Führungskraft in der GmbH: Unterdessen etabliert ist die Möglichkeit, Manager auf Zeit einzustellen – auf allen Ebenen der Geschäftsleitung. Die Branche der Interims-Manager boomt. Eine Schwierigkeit liegt dabei darin, den kompetent qualifizierten Partner zu finden, der in die Chemie der Firma passt.
Wichtig ist auch, den Partner auf Zeit so in die Firma einzubinden, dass der seine Aufgaben mit dem notwendigen und erwarteten Engagement angehen kann und dass unnötige Risiken von der Firma ferngehalten werden können. Schauen Sie sich den „Neuen“ noch sorgfältiger an als den üblichen Bewerber im Bewerbungsgespräch. Besonderes Augenmerk sollten Sie bei der Anstellung eines Interims-Managers auf die folgenden Punkte legen:
- Wer ist der Vertragspartner? Wird er Interims-Manager über einen Vermittler (Provider) angestellt, können Sie sich bei Schlecht-Leistung oder Nicht-Erfüllung der vertraglichen Pflichten nicht direkt an den Interims-Manager wenden. In der Praxis kann das zu komplizierten und langwierigen juristischen Auseinandersetzungen führen, z. B. bereits dann, wenn es um eine außerordentliche Kündigung des Vertrages geht.
- Achten Sie darauf, dass die von Ihnen eingeforderten Leistungen (Erfüllung der gesetzlichen Pflichten des Geschäftsführers, Sicherung, Fortführung und Weiterentwicklung des Geschäftsbetriebes, Zielvereinbarungen bezüglich Umsatz, Ertrag usw.) im Vertrag vollständig aufgelistet sind, dass die Kompetenzen (Weisungsrechte, zustimmungspflichtige Geschäfte) klar abgegrenzt sind und dass Konditionen für die Beendigung der Zusammenarbeit (Vertragsende, Kündigungsmöglichkeit) klar definiert sind.
Probleme kann es auch um die arbeits- und sozialrechtliche Einstufung des Interims-Managers geben. Ist der Interims-Manager als Geschäftsführer berufen und eingetragen und mit einem Anstellungsvertrag (Dienstvertrag) eingebunden, müssen Sie für ihn Sozialabgaben abführen – er ist in der Regel sozialversicherungspflichtig. Soll der Interims-Manager seine Tätigkeit als „Selbstständiger“ ausüben, müssen Sie aufpassen. Hier kann es schnell passieren, dass die DR auf Scheinselbständigkeit erkennt. Eine Beschränkung seiner Vollmachten ist aber möglich, ohne dass er seine selbständige Tätigkeit aufgibt.
Möglich ist z. B., den Interims-Manager nicht mit den vollen Rechten und Pflichten eines bestellten Geschäftsführers einzustellen. Zu prüfen ist, ob für die zu übernehmende Aufgabe eine Handlungsvollmacht oder eine Prokura ausreichend ist. Auch ein Vertrags-Konstrukt, wonach der Interims-Manager über seine eigene GmbH angestellt wird und für das beauftragende Unternehmen tätig wird, ist möglich.
Für die Praxis: Viele auch etablierte Beratungsgesellschaften bieten unterdessen für den mittelständischen Unternehmer Interims-Management-Dienstleistungen an. Aufpassen müssen Sie hier, wenn das Beratungsunternehmen über diesen Manager zusätzliche Beratungsleistungen verkaufen will. Diese Praxis ist besonders in den US-Beratungsfirmen verbreitet (vgl. Nr. 10/2009, Beraterfirma ALIX-Partners in Sachen Märklin und Kunert). Im Zweifel sollten Sie die vertraglichen Rahmenbedingungen von einem Gesellschaftsrechtler prüfen lassen. Z. B., wenn der Provider auf die strikte Umsetzung seines Vertragswerkes besteht. Lassen Sie sich Referenzen des Provider-Unternehmens und des Managers vorlegen und prüfen Sie diese auf Stichhaltigkeit und Plausibilität. Sprechen Sie mit den Referenz-Ansprechpartnern. Weiterführend: Dachverband der Interims-Manager > DDIM.
Geschäftsführer-Perspektive: Prüfer prüft Prüfer
Das geschummelt wird, liegt in der Natur der Sache. Deswegen gibt es Kontrollen – im Idealfall handelt es sich um unabhängige Institutionen. Z. B.: Wirtschaftsprüfer. Dazu gibt es einen ganzen Katalog von Vorschriften, die regeln, „wer nicht Prüfer sein darf”. Im Fall Wirecard ist es weder Ernst & Young noch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) gelungen, effektiv und nicht nur auf dem Papier zu prüfen. Das ist befremdlich. Jetzt hat man sich dazu entschlossen, die Prüfer mittels Sonderprüfung überprüfen zu lassen. Und dazu war das US-Prüfungs- und Beratungsunternehmen Alix im Gespräch. Sie erinnern sich: Das sind die, die vor einigen Jahren mit undurchsichtigen Beratungs-Praktiken gleich einige deutsche Mittelständler so richtig „ausgenommen” haben – z. B. Märklin und Kunert (vgl. Nr. 10/2009). Vergesslichkeit ist das eine. Nachlässigkeit das andere. Mit freundlichen Grüßen.
Praktisch: Starthilfen für StartUps
Betrifft … |
Darum geht es … |
to do … |
StartUp-Finanzierungshilfen … |
Wenn Sie an einem StartUp beteiligt sind, das aus einem Venture-Capital-Fonds finanziert oder mitfinanziert wird, können Sie Finanzierungshilfen der KfW in Anspruch nehmen. | Weiterführende Informationen > Corona-Matching-Fazilität (CMF) |
Digitales: Den richtigen Lernpartner finden
Alleine vor dem Notebook eine Fremdsprache lernen? Wer das mal ausprobiert hat, weiß, dass man dazu eine Menge Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen braucht und dass das mit der Aussprache so eine Sache ist. Ohne Korrektur wird das meistens nichts. Und schon war die Geschäftsidee geboren: Das Partner-Lernen für Fremdsprachen. Die App Tandem vermittelt muttersprachliche Lern-Partner – und hat dazu Software-Tools entwickelt, mit denen die Lern-Partner konstruktiv zum Ziel geführt werden. Die automatische Wortkorrektur erkennt und verbessert die Aussprache, sucht passende Begriffe und fördert den intelligenten Dialog der Lern-Partner mit Quizfragen und anderen belebenden Sprach-Elementen. Bisher gibt es bereits 10 Mio. aktive Nutzer für die App. Im nächsten Jahr sollen es bereits 100 Mio. sein. Der Skalierungseffekt ist bereits eingetreten. Jetzt gab es 5 Mio. EUR neues Geld, das für Investitionen in virales Marketing und in die weltweite Suchmaschinen-Optimierung gesteckt werden soll.
Für die Praxis: Viele Unternehmen haben unterdessen angekündigt, bei den Geschäftsreisen und den Vor-Ort-Besprechungen kürzer zu treten. Umso wichtiger wird der sprachlich professionelle und unmissverständliche Austausch im Online-Format – gute Sprachkenntnisse können da durchaus den Unterschied machen und bessere Resultate erzielen.
Kompakt: Konjunktur- und Finanz-Plandaten August 2020
Für viele Kollegen/Innen ist der Überlebensmodus zum Alltagsmodus geworden. Dennoch: Auch wenn – zumindest in Deutschland – erste Nachholeffekte und Erholungsanzeichen zu vermelden sind und die Stimmung augenscheinlich besser ist als die aktuellen Daten zur Lage zeigen – eine realistische Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung für das 3. und 4. Quartal ist u. E. seriöserweise nicht möglich.
Betrifft … |
Trend |
Konjunktur |
Die Stimmung in den Unternehmen in Deutschland hat sich zumindest laut Ifo-Insitut verbessert. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im Juli auf 90,5 Punkte gestiegen, nach 86,3 Punkten (Saisonbereinigt korrigiert) im Juni. Dies ist der dritte Anstieg in Folge. Die Unternehmen sind danach mit ihrer aktuellen Lage merklich zufriedener. Zudem blicken sie vorsichtig optimistisch auf die kommenden Monate. |
Mitarbeiter/Fachkräfte |
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung rechnet damit, dass die Arbeitslosenquote im Jahr 2020 im Jahresdurchschnitt aufgrund der Corona-Krise und den damit einhergehenden ökonomischen Auswirkungen auf 5,3 % steigen wird. Keine Entlastung gibt es bei den Fachkräften: Zuwanderungsbeschränkungen, Reisehindernisse und Ausbildungsdefizite wirken bis 2021. |
Energie/Ölpreis |
Geschäftsführer, die ihren Firmenwagen regelmäßig selbst betanken, haben in den letzten Tagen eine Trendwende an den Preis-Tafeln feststellen können. Es geht wieder bergauf – und zwar ziemlich zügig. Unsere Einschätzung: Die Phase der Niedrigpreise für Energie ist u. E. zu Ende – auch wenn einige Analysten sogar noch weiter sinkende Preise sehen. |
Insolvenzrecht | Das Bundesjustizministerium hat den Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vorgelegt. Bei zügiger Behandlung des Entwurfs durch die Große Koalition werden davon auch Gesellschafter/Geschäftsführer profitieren, die im Zusammenhang mit der Corona-Krise Privatinsolvenz anmelden müssen. Wesentliche Verbesserung: Bereits nach 3 Jahren kann das Verfahren abgeschlossen werden. |
Mitarbeiter: Einsichtsrechte des Betriebsrats
Nach den Vorgaben im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist der Betriebsrat in das individuelle Verfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit durch die Beantwortung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten eingebunden. Dabei ist ein vom Betriebsrat gebildeter Betriebsausschuss berechtigt, Bruttoentgeltlisten des Arbeitgebers einzusehen und auszuwerten (Quelle: § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG). Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) besteht dieses Einsichts- und Auswertungsrecht aber nicht, „wenn der Arbeitgeber (hier: GmbH/UG) die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung an sich gezogen hat”. Dazu ist er jederzeit berechtigt (BAG, Urteil v. 28.7.2020, 1 ABR 6/19).
Für die Praxis: Die Arbeitgeberin ist ein Telekommunikationsunternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Nach Inkrafttreten des EntgTranspG machte sie von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Verpflichtung zur Erfüllung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten generell zu übernehmen. Über die in der ersten Jahreshälfte 2018 geltend gemachten Auskunftsverlangen informierte sie den Betriebsrat und gewährte ihm Einblick in spezifisch aufbereitete Bruttoentgeltlisten. Diese waren nach Geschlecht aufgeschlüsselt und wiesen sämtliche Entgeltbestandteile auf. Der Betriebsrat hat daraufhin verlangt, die Listen dem Betriebsausschuss in bestimmten elektronischen Dateiformaten zur Auswertung zu überlassen. Laut BAG ist das nicht erforderlich.
GmbH/Bilanz: Keine Rückstellung bei „betrieblichem Eigeninteresse”
Unter bestimmten Voraussetzungen – so der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil – ist es zulässig und muss von den Finanzbehörden steuerlich so anerkannt werden, wenn in der Bilanz eine Rückstellung für zukünftige, zu erwartende, der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten ausgewiesen wird. Das ist aber nicht der Fall, wenn die Verbindlichkeit im betrieblichen Eigeninteresse liegt. Im Urteil heißt es dazu: Die Rückstellung für eine Verbindlichkeit ist nicht möglich, „wenn die Außenverpflichtung wirtschaftlich von einem eigenbetrieblichen Interesse vollständig überlagert wird”. Das ist z. B. der Fall, wenn Garantie- und Nachbesserungsarbeiten (hier: Gerüstbau) vereinbart werden, die dem Grund und der Höhe nach exakt feststeht (BFH, Urteil v. 22.1.2020, XI R 2/19).
Sanierung: Prognose muss fundiert sein
Leistet der Geschäftsführer in der Insolvenz Zahlungen an Gläubiger der Gesellschaft, muss er nicht persönlich für diese Zahlungen einstehen, wenn es eine positive Fortführungsprognose für die Geschäfte der GmbH gibt. Achtung: Diese muss von einer fachlich dazu geeigneten Person erstellt und/oder begutachtet werden. Dabei muss die Prognose eine umfassende Darstellung der Verhältnisse der GmbH/UG und die Offenlegung der erforderlichen Unterlagen umfassen (BGH, Beschluss v. 24.9.2019, II ZR 248/17).
Für die Praxis: Im Streitfall ging es um Lohnzahlungen in der wirtschaftlichen Krise. Konkret ging es – wie in den meisten strittigen Insolvenzfällen – um die Feststellung des Zeitpunktes des Insolvenzantrags. Der Geschäftsführer berief sich darauf, dass eine Fortführungsempfehlung erstellt war und vorlag. Der BGH präzisiert nun, unter welchen Voraussetzungen von einer rechtsverbindlichen „Fortführungsprognose” gesprochen werden kann. Nur dann ist eine Haftungsfreistellung des Geschäftsführers möglich.
Formvorschriften: Auflösung einer Einpersonen-GmbH/UG
Will der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer die Einpersonen-GmbH/UG auflösen genügt dazu zwar ein formloser Beschluss, der lediglich schriftlich protokolliert werden muss. Eine Eintragung des Auflösungsbeschlusses ins Handelsregister ist aber nur möglich, wenn dieser Beschluss in notariell beglaubigter Form auf elektronischem Wege eingereicht wird. Danach genügt es nicht, eine Abschrift des Beschlusses dem Registergericht – postalisch oder per Einschreiben – mitzuteilen. Das Registergericht muss nicht von sich aus tätig werden (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.1.2020, 1–3 Wx 52/19).
Eine informative Lektüre und ein erholsames Wochenende wünscht Ihnen
Lothar Volkelt
Herausgeber/Chefredakteur