Ein Erfolgsrezept der vordigitalen Zeit bestand darin, dass Produkte ausgereift und fehlerfrei in den Markt gebracht wurden. Die meisten der neuen digitalen Projekte werden aber nicht mehr bis zum letzten Qualitätsstandard ausgetestet, sondern ganz bewusst bereits vor der „alten” Marktreife an den Kunden gebracht. Nachbesserungen werden mitgeliefert. Produkteinführung ist zugleich Markttest. Es gilt: Geschwindigkeit ist Alles. Wer es schafft, eine marktträchtige Idee als erster umzusetzen, gewinnt. Ob das tatsächlich so ist, sei hier dahin gestellt. Fakt ist, dass Geschwindigkeit den Hype um StartUps und digitale Produkte bestimmt. Daneben bleibt allerdings eine weitere alte Regel in Kraft: Wer zu früh kommt, den bestraft der Markt in aller Regel. Nach wie vor kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an. 3 Beispiele: …
- Flixbus: Mit der gesetzlichen Neuregelung für Fernbusse und dem Internet-Ticketing war es in kürzester Zeit möglich, Mobilität in Deutschland neu zu erfinden. Flixbus wurde 2011 gegründet. 2013 traten die neuen Marktregeln in Kraft. Bereits 2015 fusionierte das Unternehmen mit dem Marktführer MeinFernbus. In 2016 transportierte das neue Unternehmen 20 Mio. Kunden alleine in Deutschland. Neue Wettbewerber (Post-Bus, ADAC Bus, IC-Bus) wurden verdrängt. Alte Buslinien des internationalen Busverkehrs wurden übernommen. Unterdessen liegt der Marktanteil von Flixbus bei über 90 %. Fazit: Hier stimmten Geschäftsidee, Timing und Expansion.
- Theranos: Das US-Unternehmen Theranos wollte einen schnellen Bluttest für Diagnosezwecke entwickeln und vermarkten. Innerhalb kürzester Zeit gelang es, für dieses Projekt Millionen Investitionsgelder einzusammeln. Das Unternehmen wurde schnell mit 4,5 Mrd. US-Dollar bewertet. Aber: Das Produkt war längst nicht marktreif. Die Tests brachten zu keinem Zeitpunkt die gewünschten Ergebnisse. Das Verfahren war fehlerhaft. Die Fehlerquote lag so hoch, dass die Gesundheitsbehörden einschreiten mussten und die Produktion und den Verkauf der Tests untersagten. Fazit: Hoch geschnellt und tief gefallen. Unterdessen hat die Gründerin – Elisabeth Holmes - Berufsverbot in den USA. Schnelligkeit ist eben doch nicht Alles.
- Bol.de: Seit 1995 verkauft der US-Konzern Amazon weltweit erfolgreich Bücher und andere Produkte. Daraufhin übernahm die Bertelsmann AG deren Geschäftsmodell für den Medienmarkt (Bücher, Spiele, Musik) in Deutschland und gründete 2002 die Bertelmann Online GmbH (Bol.de). Später wurde das Tochter-Unternehmen gegen eine Beteiligung von 25,1 % verkauft. Unterdessen gehört Bol.de zur Thalia Holding und hat zusammen mit der Marke Buch.de einen guten Anteil am deutschen Online-Buchgeschäft zurückerobert. Fazit: Das Beispiel zeigt, wie man mit Branchen-Renommé auch als Nachzügler noch gut ins Geschäft kommen kann. Neben dem Geschwindigkeits-Aspekt von digitalen Produkten wird für viele Kunden der Datenschutz zu einem immer wichtigeren Kriterium für die Kaufentscheidung.