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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 02/2012

The­men heu­te: Steu­er­prü­fen nut­zen immer mehr web­sites für Nach­for­schun­gen + Der Fall „Märk­lin”: Sanie­rungs­kon­zept muss mehr brin­gen als Papier + Unter­neh­mens­re­gis­ter wird euro­pa­weit + WICHTIG: FG Mün­chen erschwert Umsatz-Hin­zu­schät­zun­gen nach Durch­schnitts­ver­fah­ren + Aus­bil­dungs­kos­ten: Das letz­te Wort ist noch nicht gespro­chen + BGH will kla­re Vor­ga­ben für Geschäfts­füh­rer-Haf­tung im Bank­rott-Fall + BISS

2. KW 2012
Frei­tag, 13.1.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

auf dem jähr­li­chen IHK-Neu­jahrs­emp­fang ergibt sich immer wie­der die Mög­lich­keit zu inter­es­san­ten Gesprä­chen mit Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gen zu The­men, über die sonst nur am Ran­de gespro­chen wird. Die­ses Jahr zum Bei­spiel über die neu­en Metho­den der Betriebs­prü­fer. Auf­fäl­lig sind vor allem 2 Punkte:

 Beson­ders ärger­lich wird von vie­len Unter­neh­mern die Pra­xis der Finanz­be­hör­den moniert, wonach Umsät­ze nach Durch­schnitts­wer­ten „ver­probt“ wer­den (vgl. zuletzt Vol­kelt-Brief Nr. 50/2011).

 Auf­fäl­lig auch: Vie­le Kol­le­gen berich­ten über­ein­stim­mend, dass die Steu­er­be­hör­den zuneh­mend Infor­ma­tio­nen aus dem Inter­net zu Zwe­cken der Besteue­rung nut­zen.

Auch bei uns in der Redak­ti­on mel­den sich immer mehr Geschäfts­füh­rer von GmbHs (Bera­tung, Dienst­leis­tung, Wer­bung, Wei­ter­bil­dung) – die vom Steu­er­prü­fer zu ihren auf den Web­sites ange­zeig­ten Akti­vi­tä­ten, Geschäfts­rei­sen, Refe­ren­zen und ande­ren mehr oder weni­ger ver­trau­li­chen Geschäfts-Infor­ma­tio­nen befragt wer­den. Das Ziel des Prü­fers: Gesucht wer­den Anhalt­punk­te für Zusatz-Umsät­ze, die aus den Steu­er­un­ter­la­gen nicht her­vor­ge­hen. Recht­lich ist das nicht zu bean­stan­den. Die Finanz­be­hör­den dür­fen alle öffent­li­chen Infor­ma­tio­nen im Besteue­rungs­ver­fah­ren nut­zen und dem Geschäfts­füh­rer dazu Fra­gen zu stellen.

Für die Pra­xis: Rich­ten Sie sich dar­auf ein, dass alle Infor­ma­tio­nen, die Sie auf ihren web­sites öffent­lich stel­len, auch den Finanz­be­hör­den bekannt sind. Prü­fen Sie vor­ab, ob Sie wol­len, dass die Finanz­be­hör­den sol­che Infor­ma­tio­nen erhal­ten. Beach­ten Sie dazu: Das kön­nen ein­fa­che Neben­säch­lich­kei­ten sein, die für Sie selbst­ver­ständ­lich sind, den Finanz­be­hör­den aber den Anlass für wei­te­re Nach­prü­fun­gen bie­ten (Bei­spie­le: Bericht über das Geschäfts­ju­bi­lä­um mit einem Hin­weis auf die damit ver­bun­de­ne Geburts­tags­fei­er des Chefs, Infor­ma­tio­nen zu gemisch­ten Geschäfts­rei­sen). In der Pra­xis soll­te das aber nicht so weit gehen, dass die Mit­ar­bei­ter in der inter­nen und exter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on über das Inter­net behin­dert wer­den. Sinn­voll ist es, wenn Sie sich zusam­men mit dem Steu­er­be­ra­ter ein- bis zwei­mal im Jahr die Mühe machen und Ihre Web­sites gründ­lich nach steu­er­sen­si­blen Infor­ma­tio­nen prü­fen und die­se ent­schär­fen.

Der Fall „Märklin“: Sanierungskonzept muss mehr sein als nur Papier

Inzwi­schen – rund 2 Jah­re nach Ankla­ge­er­he­bung gegen die Bera­ter­fir­ma Alix – hat ein unab­hän­gi­ges Schieds­ge­richt den Inves­to­ren der Fa. Märk­lin (King­s­bridge Capi­tal) Recht gege­ben und Scha­dens­er­satz­zah­lun­gen in Höhe von 14 Mio. Euro gegen die Bera­ter­fir­ma ver­hängt (vgl. Vol­kelt-Brief 10/2009). Hin­ter­grund: Die Invest­ment­ge­sell­schaft hat­te vor der Betei­li­gung an Märk­lin die Bera­ter­fir­ma Alix mit der Prü­fung der Buch­hal­tung und der Bilanz­wer­te beauf­tragt. Spä­ter stellt sich her­aus, dass die geprüf­ten Zah­len nicht mit den rea­len Sach­ver­hal­ten über­ein­stimm­ten. Dar­auf­hin hat­te der Inves­tor die Bera­ter­fir­ma verklagt.

Neu an die­sem Ver­fah­ren ist: Übli­cher­wei­se wer­den sol­che Strei­tig­kei­ten nicht bis zu einem Urteil aus­ge­tra­gen. Es ist unaus­ge­spro­che­nes Gesetz in der Bran­che, dass sich Bera­ter­fir­men mit unzu­frie­de­nen Auf­trag­ge­bern hin­ter ver­schlos­sen Türen eini­gen. In die­sem Fall bestand der Auf­trag­ge­ber auf ein unab­hän­gi­ges Schieds­ge­richt. Laut Han­dels­blatt-Infor­ma­tio­nen ist das Urteil begrün­det mit Aus­sa­gen wie: „Die Zah­len, die Alix in sei­nen Gut­ach­ten über Märk­lin erstell­te, waren will­kür­lich aus der Luft gegrif­fen“. So habe Alix „Ein­spar­po­ten­zi­al für eine Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­rung nach Chi­na ein­ge­rech­net, ohne zu prü­fen, ob eine sol­che Pro­duk­ti­on in Chi­na über­haupt mög­lich ist“.

Fazit für Unter­neh­mens­lei­ter: Der Con­sul­tant Alix gilt bis­lang als eine der gro­ßen und renom­mier­ten ame­ri­ka­ni­schen Bera­ter­fir­men. Der Fall belegt wie­der ein­mal deut­lich, dass die Aus­wahl von exter­nen Bera­tern höchs­te Sorg­falt erfor­dert. Ach­ten Sie dabei unbe­dingt dar­auf, dass es nicht zu Inter­es­sen­kon­flik­ten beim beauf­trag­ten Unter­neh­men kom­men kann. Las­sen Sie sich vor einer Auf­trags­ver­ga­be unbe­dingt aus­sa­ge­kräf­ti­ge Refe­ren­zen vor­le­gen und beschaf­fen Sie sich von die­sen Refe­ren­zen Infor­ma­tio­nen aus ers­ter Hand.

Für die Pra­xis: Beach­ten Sie im Fal­le eines Auf­trags für eine Sanie­rung unbe­dingt den Grund­satz eines arbeits­tei­li­gen Vor­ge­hens, damit Inter­es­sen­kol­li­sio­nen des exter­nen Bera­ters aus­ge­schlos­sen sind. Die Erstel­lung des Sanie­rungs-Kon­zep­tes und Durch­füh­rung des Kon­zep­tes müs­sen grund­sätz­lich in getrenn­ter Ver­ant­wor­tung lie­gen. Vor­sich­tig soll­ten Sie auch dann sein, wenn ein gro­ßer Teil der Ver­gü­tung als Erfolgs­ho­no­rar ver­ein­bart wird. In Bera­ter­krei­sen gilt: „Wer sei­ne Erfolgs­be­tei­li­gung von der rich­ti­gen Kenn­grö­ße abhän­gig macht, kann sich den Scheck selbst schrei­ben“.

Unternehmensregister: GmbHs werden europaweit transparent

Unter­des­sen haben die EU-Kom­mis­si­on und der Rechts­aus­schuss des euro­päi­schen Par­la­ments die Vor­aus­set­zun­gen dafür geschaf­fen, dass die Zentral‑, Han­dels- und Gesell­schafts­re­gis­ter euro­pa­weit ver­knüpft wer­den. Zunächst wer­den die Han­dels­re­gis­ter der EU-Staa­ten zusam­men­ge­führt. Ein­heit­lich gere­gelt wird, wann auto­ma­ti­sche Benach­rich­ti­gun­gen (Mel­de­pflich­ten) vor­ge­se­hen sind (Grün­dung, Ände­rung, Löschung). In Deutsch­land sind die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen für den elek­tro­ni­schen Infor­ma­ti­ons­aus­tausch bereits vor­han­den, so dass die deut­schen Unter­neh­mens­da­ten aus dem HR schon ab 2012 zur Ver­fü­gung ste­hen (www.handelregister.de). Eini­ge euro­päi­sche Län­dern müs­sen erst noch aufrüsten.

Für die Pra­xis: Gehen Sie davon aus, dass die Ver­knüp­fung euro­päi­scher Unter­neh­mens­da­ten ab 2012 suk­zes­si­ve umge­setzt wird. Das gilt auch für die Daten aus dem elek­tro­ni­schen Unter­neh­mens­re­gis­ter. Gehen Sie davon aus, dass die­se Daten ab sofort auch euro­pa­weit ein­ge­se­hen wer­den kön­nen. Die­se Daten sind über das euro­päi­sche Jus­tiz­por­tal E‑Jus­tiz-Por­tal abruf­bar (https://e‑justice.europa.eu).

FG München: Steuerprüfer muss Nachweise liefern

Schüt­zen­hil­fe für alle Unter­neh­men, deren Umsät­ze nach Durch­schnitts­sät­zen geprüft wer­den, gibt es vom Finanz­ge­richt Mün­chen. Danach dür­fen bei Prü­fun­gen in geld­in­ten­si­ven Bran­chen (Gas­tro­no­mie, land­wirt­schaft­li­che Erzeu­ger) nicht ein­fach Durch­schnitts­wer­te und Roh­ge­winn-Durch­schnitts­sät­ze sche­ma­tisch ange­wandt und danach die Umsät­ze bzw. die Umsatz- und Ein­kom­mens­steu­er errech­net wer­den. Danach muss der Steu­er­prü­fer beach­ten: „Eine Schät­zung oder Hin­zu­schät­zung nach Roh­ge­winn­auf­schlag­sät­zen aus den amt­li­chen Richt­satz­samm­lun­gen ist nur zuläs­sig, wenn der Prü­fer nach­weist, dass der Betrieb nicht mit deut­lich nied­ri­ge­ren Roh­ge­winn­auf­schlä­gen kal­ku­liert“ (FG Mün­chen, Urteil vom 30.8.2011, 10 V 735/11).

Für die Pra­xis: Laut FG Mün­chen muss der Prü­fer auch allen sub­stan­ti­ier­ten Behaup­tun­gen des Unter­neh­mers zum Umsatz und zum Gewinn­auf­schlag nach­ge­hen. Hal­ten Sie eine ent­spre­chen­de betriebs­wirt­schaft­li­che Kal­ku­la­ti­on bereit. Ver­lan­gen Sie, dass der Prü­fer die Geschäf­te nicht nur „vom Schreib­tisch“ aus beur­teilt, son­dern dass er kon­kret vor Ort Umsät­ze, Prei­se und Men­gen in Augen­schein nimmt.

Ausbildungskosten: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

In Sachen steu­er­li­che Aner­ken­nung von Aus­bil­dungs­kos­ten für die Erst­aus­bil­dung ist das letz­te Wort immer noch nicht gespro­chen. Laut BMF kön­nen die­se nur noch als Son­der­aus­ga­ben bis zur Höchst­gren­ze (bis 6.000 €) abge­zo­gen wer­den. Laut Deut­schem Steu­er­be­ra­ter­ver­band ist aber dazu noch ein wich­ti­ges Finanz­ge­richts-Ver­fah­ren anhän­gig. Danach wird das FG Baden-Würt­tem­berg und even­tu­ell anschlie­ßen noch­mals der Bun­des­fi­nanz­hof dar­über ent­schei­den, ob Aus­bil­dungs­kos­ten für eine Erst­aus­bil­dung in vol­ler Höhe bei der Steu­er ange­rech­net wer­den müssen.

Für die Pra­xis: Gegen Beschei­de, in denen Aus­bil­dungs­kos­ten nicht in vol­ler Höhe ange­ge­ben wur­den oder in denen die­se für eine Erst­aus­bil­dung (Stu­di­um, aber auch: Aus­lands­auf­ent­halt des Nach­fol­gers, wenn das als Qua­li­fi­ka­ti­on für den Geschäfts­füh­rer im Gesell­schafts­ver­trag ver­langt wird) nicht aner­kennt wur­den, soll­ten Sie Ein­spruch ein­le­gen. Ver­wei­sen Sie auf das Ver­fah­ren vor dem FG B‑W. Akten­zei­chen: 10 K 4245/11.

Bundesgerichtshof will klarere Regeln für Geschäftsführer-Haftung im Bankrott

Bis­her kann der Geschäfts­füh­rer bei miss­bräuch­li­cher Ver­wen­dung von GmbH-Ver­mö­gen im Insol­venz­fall nur dann wegen betrü­ge­ri­schem Bank­rott straf­recht­lich belangt wer­den, wenn er dabei „gegen die Inter­es­sen der Gesell­schaft“ han­delt. Hier lässt der 3. Straf­se­nat des BGH jetzt prü­fen, ob ein Ver­stoß gegen das Straf­recht bereits belangt wer­den, wenn er Tei­le des GmbH-Ver­mö­gens bei­sei­te schafft (BGH, Beschluss vom 15.9.2011, 3 StR 118/11).

Für die Pra­xis: Bis­her gilt das Bei­sei­te Schaf­fen von GmbH-Ver­mö­gen im Insol­venz­fall in ers­ter Linie als Eigen­tums- bzw. Ver­mö­gens­de­likt. Bestä­tigt der gro­ße Senat die Anfra­ge des 3. Straf­se­nats rücken sol­che Delik­te stär­ker in den Fokus des Straf­rechts. Ent­spre­chend haben sol­che „ein­fa­chen“ Ver­mö­gens­de­lik­te dann in Zukunft schnel­ler straf­recht­li­che Fol­gen (Vor­stra­fe, Haft, Berufsverbote).

Mit bes­ten Grüßen

Ihr Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief