Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 22/2011

Pflicht­ver­öf­fent­li­chung – schon über 350 Mio. € Buß­gel­der ver­hängt – kei­ne Chan­ce für Ver­wei­ge­rer, auch wenn die EU auf Erleich­te­rung für klei­ne­re Unter­neh­men pocht + Preis­ba­rom­ter Juni 2011 + Vor­sicht bei Out­sour­cing des Daten­schut­zes + Ord­nungs­geld muss trotz anhän­gi­gen Ver­fah­ren gezahlt wer­den + BISS 

The­men heu­te: Pflicht­ver­öf­fent­li­chung – schon über 350 Mio. € Buß­gel­der ver­hängt – kei­ne Chan­ce für Ver­wei­ge­rer, auch wenn die EU auf Erleich­te­rung für klei­ne­re Unter­neh­men pocht + Preis­ba­rom­ter Juni 2011 + Vor­sicht bei Out­sour­cing des Daten­schut­zes + Ord­nungs­geld muss trotz anhän­gi­gen Ver­fah­ren gezahlt wer­den + BISS …

22. KW 2011
Frei­tag, 3.6.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

90 % aller Unter­neh­men, die ihren Jah­res­ab­schluss ver­öf­fent­li­chen müs­sen, kom­men die­ser Ver­pflich­tung nach – so die Bun­des­re­gie­rung in der aktu­el­len Bun­des­tags-Druck­sa­che. Wei­ter heißt es da: „Die­se hohe Quo­te konn­te nur erreicht wer­den, weil das Ord­nungs­geld­ver­fah­ren flä­chen­de­ckend umge­setzt wur­de“.  Und es gibt noch ein paar inter­es­san­te Zahlen:

  • Seit Ein­füh­rung der Offen­le­gungs­pflicht für Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten wur­den rund 730.000 Ord­nungs­geld­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet (BT-Druck­sa­che 17/5028).
  • In den Jah­ren 2008 bis 2010 wur­den nach­läs­si­gen Pflicht­ver­wei­ge­rern rund 1,8 Mrd. € Zwangs­gel­der angedroht.
  • Im glei­chen Zeit­raum wur­den 356 Mio. € Ord­nungs­gel­der fest­ge­setzt, die der Bund auf sei­ner Ein­nah­men­sei­te ver­bu­chen konnte.

Pflicht­ver­öf­fent­li­chung inkl. Ord­nungs­geld­ver­fah­ren sind unter­des­sen von allen Gerich­ten – vor­an das Land­ge­richt Bonn und das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt – abge­seg­net. Alle Argu­men­te der kri­ti­schen Unter­neh­men wur­den abge­lehnt. Jetzt wur­de bekannt, dass das zustän­di­ge LG Bonn dafür zusätz­li­che Kam­mern ein­rich­ten muss­te, um die Flut von Kla­gen bear­bei­ten zu kön­nen – das Gesetz wird also mit büro­kra­ti­schen Auf­wand umge­setzt. Tat­säch­li­cher Büro­kra­tie­ab­bau für klei­ne­re und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men sieht anders aus.

Klei­ne­re und mit­tel­gro­ße Unter­neh­men bekla­gen immer mehr die auf­wen­di­gen Bilan­zie­rungs- und Offen­le­gungs­pflich­ten als schwe­re büro­kra­ti­sche Last. Vie­le kom­men damit nicht zurecht – etwa mit der zeit­na­hen Umset­zung oder mit den Zusatz­kos­ten, die ent­ste­hen, wenn sen­si­ble Daten nicht an die Öffent­lich­keit sol­len oder wenn zusätz­li­che Kon­zern­vor­schrif­ten ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Frag­lich ist, wie das in Zukunft aus­se­hen wird. Ver­fas­sungs­recht­lich umstrit­ten ist, ob der Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re des Unter­nehmens ver­hält­nis­mä­ßig ist, also ob tat­sächlich ein ange­mes­se­nes öffent­li­ches Inter­es­se besteht. Das Bundesverfassungs­gericht geht in den bis­he­ri­gen Urtei­len auf die­sen Punkt nicht oder nur am Ran­de ein. In der Fach­li­te­ra­tur meh­ren sich die kri­ti­schen Stim­men zu die­ser Fra­ge. Auch die EU-Kom­mis­si­on steht ins­be­son­de­re der Behand­lung von klei­ne­ren Unter­neh­men kri­tisch gegen­über. Da heißt es: „Unter­neh­men, an deren Jah­res­ab­schlüs­sen kein brei­tes Nutzung­sinteresse besteht, sol­len weni­ger Auf­la­gen gemacht werden“. 

Kon­kret: Nach Vor­la­ge des Euro­päi­schen Par­la­ments sol­len Unter­neh­men mit einer Bilanz­sum­me < 500.000 €, einem Net­to-Umsatz  < 1.000.000 € und durch­schnitt­lich bis zu 10 Mit­ar­bei­tern kom­plett von den Offen­legungspflichten frei­ge­setllt wer­den. Dazu die Bun­des­re­gie­rung: „Die Bun­des­re­gie­rung ist wie die EU-Kom­mis­si­on der Auf­fas­sung, dass bei den gegen­wär­ti­gen Rechnungs­legungspflichten für KMU und Kleinst­un­ter­neh­men Ver­ein­fa­chungs- und Erleich­te­­rungs­potenzial besteht“. Wann das umge­setzt wird, ist aller­dings nicht abseh­bar. Bis dahin jeden­falls wer­den die gel­ten­den Geset­ze umge­setzt – auch wenn dazu zusätz­li­ches Per­so­nal ein­ge­stellt wer­den muss.

Für die Pra­xis: Unter­neh­men, die die Pra­xis der Pflicht­ver­öf­fent­li­chung nicht ein­fach hin­neh­men wol­len, kön­nen sich unter www.nrwe.de > Gericht: Land­ge­richt > Ort: Bonn über die zahl­rei­chen Urtei­le des LG Bonn zur Pflicht­ver­öf­fent­li­chung infor­mie­ren. Außer­dem hal­ten wir Sie an die­ser Stel­le auf dem Lau­fen­den – auch über den Fort­gang der EU-Initia­ti­ven zur Erleich­te­rung für klei­ne­re und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men in Sachen Offen­le­gungs­pflich­ten. Wer sei­nen Unmut wei­ter­hin kund­tun will, kann dem mit einer Verzögerungs­taktik nach­kom­men und die Sta­tis­tik des Bun­des­amts für Jus­tiz über Ver­wei­ge­rer nach oben „kor­ri­gie­ren“.

Outsourcing des Datenschutzes ist kein Grund zum Widerruf der Bestellung des Datenschutzbeauftragten

Will das Unter­neh­men den Daten­schutz durch  einen exter­ne Drit­ten erle­di­gen las­sen, ist das kein Grund, die Bestel­lung des    Daten­schutz­be­auf­trag­ten zu wider­ru­fen. Das ist nur mög­lich, wenn ein wich­ti­ger Grund vor­liegt. Weder die Orga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung einer kon­zern­ein­heit­li­chen Lösung für den Daten­schutz, noch die Ver­la­ge­rung auf einen Drit­ten als sol­ches noch die Mit­glied­schaft des Daten­schutz­be­auf­trag­ten im Betriebs­rat wer­den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt als wich­ti­ger Grund akzep­tiert (BAG, Urteil vom 23.3.2011, 10 AZR 562/09).

Für die Pra­xis: Als wich­ti­ger Grund wer­den in der Regel nur Pflicht­ver­stö­ße akzep­tiert. Dazu müs­sen Sie aber kon­kre­te Ver­stö­ße vor­tra­gen und bele­gen kön­nen. TIPP: Wider­ru­fen Sie die Bestel­lung zum Daten­schutz­be­auf­trag­ten aus wich­ti­gem Grund, soll­ten Sie zugleich auch eine Teil­kün­di­gung der arbeits­ver­trag­lich geschul­de­ten Son­der­auf­ga­be als Daten­schutz­be­auf­trag­ter aussprechen.

Fehler bei der Kapitalherabsetzung

Ist aus der Anmel­dung einer Kapi­tal­her­ab­set­zung nicht ein­deu­tig ersicht­lich, wie hoch das Stamm­ka­pi­tal der GmbH in Zukunft ist, ist das Regis­ter­ge­richt berech­tigt, die Ein­tra­gung zu ver­wei­gern (OLG Mün­chen,   Beschluss vom 4.4.2011, 31 Wx 131/11).

Für die Pra­xis: Übli­cher­wei­se wird im Kapi­tal­her­ab­set­zungs­be­schluss zum einen der Betrag in   EUR genannt, um den das Kapi­tal her­ab­ge­setzt wird, und zum ande­ren der neue Betrag des Stamm­ka­pi­tals in EUR. For­mu­lie­rung: Das Stamm­ka­pi­tal der Gesell­schaft wird von 50.000 EUR um 10.000 EUR auf 40.000 EUR her­ab­ge­setzt“. Die gesetz­li­chen Vor­schrif­ten zur Kapi­tal­her­ab­set­zung sind gere­gelt im GmbH-Gesetz, § 58 ff.

Ordnungsgeld muss trotz anhängigen Verfahren gezahlt werden

Unter­neh­men, die der Ver­pflich­tung zur Ver­öf­fent­li­chung des Jah­res­ab­schlus­ses nicht nach­kom­men, müs­sen die Ver­wal­tungs­ge­bühr (53,50 EUR) und ein gegen sie fest­ge­setz­tes Ord­nungs­geld auch dann zah­len, wenn es in der Sache ein Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gibt. Ein anhän­gi­ges Ver­fah­ren recht­fer­tigt eine Aus­set­zung des Beschwer­de­ver­fah­rens nicht (LG Bonn, Urteil vom 21.3.2011, 35 T 1620/10). 

Für die Pra­xis: Im Urteil macht das LG Bonn auch Aus­füh­run­gen zu den Über­wa­chungs­pflich­ten des Geschäfts­füh­rers, wenn er die Ver­öf­fent­li­chung des Jah­res­ab­schlus­ses an den Steu­er­be­ra­ter dele­giert hat. Dazu das Gericht: “Nach Beauf­tra­gung des Steu­er­be­ra­ter ver­bleibt zumin­dest eine Über­wa­chungs­pflicht“. Sie soll­ten also nach Frist­ab­lauf bzw. bei Ver­säum­nis nach der 6‑Wo­chen-Nach­frist selbst den kor­rek­ten Ein­trag im elek­tro­ni­schen Unter­neh­mens­re­gis­ter prüfen.

Mit bes­ten Grüßen

Ihr Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief

Schreibe einen Kommentar