Geschäftsführung: Auch die 2. Reihe muss führen können + Im Überblick: Wichtige GmbH-Urteile aus 2019 (III) + Geschäftsführer-Perspektive: Das geplante Lieferkettengesetz – wer soll das leisten? … + Gewusst wie: IT-Fachkräfte aus dem Ausland + Digitales: Neue Plattform für Handelsflächen + GmbH/Beschlussfassung: Es geht noch schneller + GmbH/Steuer: Vorauszahlungen ab Juni termingenau planen + Team-Mitglieder: Kein Anspruch auf ein einheitliches Zeugnis + Neu: Zulässigkeit von Fernseh-Werbung + Neuer Basiszins: Bewertung von Beteiligungen und Unternehmen
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Der Volkelt-Brief 11/2020 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, 13. März 2020
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
sich in Zeiten von Projekten, Teams und New Work mit Befindlichkeiten der traditionellen Organisationen zu befassen, ist keineswegs nur rückwärtsgewandt. Glaubt man dem aktuellen Bertelsmann Führungs-Radar steht es schlecht um das Befinden der Führungskräfte in der 2. Reihe. Laut Studie betrifft das auch kleinere Unternehmen, in denen neben dem Chef eigenverantwortliche Führungskräfte die Geschäfte mitbestimmen. Konkret: „Ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland fühlen sich belastet und verunsichert. Ihre Selbstzweifel hängen mit schlechten Führungsbedingungen zusammen. Fazit: Damit verschenken Unternehmen viel Potenzial, denn wirksame Führung wird mehr denn je gebraucht”.
Gesucht ist die „engagierte Führungskraft” in der zweiten Reihe. Konkret: Die Analysten der Studie empfehlen eine Mischung aus ergebnisorientierter und inspirierender Führung. Es geht darum, die Ziele aus dem Controlling zu vermitteln und gleichzeitig auf die Alltagssituation und die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter einzugehen. Dazu gehören: Die Mitarbeitenden nicht nur bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben im engeren Sinne unterstützen, sondern ihnen auch Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung und der Entwicklung in ihren Tätigkeiten bieten. Es geht um Weiterbildung, Orientierung, Kommunikation und Wertschätzung.
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Im Überblick: Wichtige GmbH-Urteile aus 2019 (III)
Als Geschäftsführer sind Sie verantwortlich für die Compliance im Unternehmen. Sie müssen „Recht und Gesetz“ korrekt umsetzen und die aktuelle Rechtsprechung kennen. Gerade im GmbH-Recht ist hier vieles in Bewegung. Wir haben wichtige Neuerungen aus 2019 in der folgenden Übersicht zusammengestellt:
Arbeitsrecht | Nebenbeschäftigung steht sachgrundloser Befristung nicht im Wege: Handelte es sich bei dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis um eine nur geringfügige Nebenbeschäftigung während der Schul‑, Studien- oder Ausbildungszeit, kann anschließend ein befristetes Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitnehmer abgeschlossen werden. Die oben genannten Tätigkeiten fallen nicht unter das Verbot einer sachgrundlosen Befristung. | BAG, Urteil v. 12.6.2019, 7 AZR 429/17 |
Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat: Ein Betriebsrat, der die Zusammenarbeit mit der Personalleitung verweigert, unzutreffende Aussagen über den Arbeitgeber macht und in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise gerichtliche Verfahren gegen den Arbeitgeber einleitet, ohne zuvor mit ihm verhandelt zu haben, verletzt seine gesetzlichen Pflichten in grober Weise. In einem solchen Fall kann auch in Zukunft eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber nicht erwartet werden. | Arbeitsgericht Solingen, Urteil v. 4.10.2019, 1 BV 27/18 | |
Befristung des Urlaubsanspruchs: Der Anspruch eines Arbeitnehmers erlischt nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Im Klartext: Sie müssen den Arbeitnehmer rechtzeitig dazu auffordern, den ihm zustehenden Resturlaub anzutreten. | BAG, Urteil v. 19.2.2019, 9 AZR 423/16 | |
Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages: Wird der Aufhebungsvertrag zwischen der GmbH und einem Arbeitnehmer außerhalb der Geschäftsräume der GmbH (z. B. in der Wohnung des Arbeitnehmers, in den Räumen des Anwalts) abgeschlossen, dann ist das kein Hindernis. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) handelt es sich dabei nicht um ein sog. Haustürgeschäft, für das eine zweiwöchige Widerrufsfrist gelten würde. | BAG, Urteil v. 7.2.2019, 6 AZR 75/18 | |
Sonst noch wichtig … | gGmbH – Vorteilsnahme des Geschäftsführers kostet die Gemeinnützigkeit: Erhält der Geschäftsführer einer gGmbH Leistungen oder Zuwendungen von der GmbH (hier: Pflegeleistungen für ein Familien-Mitglied), die sonst nur Kunden gegen ein Entgelt bereitgestellt werden, führt das zum Verlust der Gemeinnützigkeit und dazu, dass die Bereitstellung und Organisation eines ambulanten sozialen Pflege- und Assistentendienstes und die Trägerschaft von Pflegeeinrichtungen steuerlich als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eingestuft wird. Das kann sogar nachträglich – also mit steuerlicher Rückwirkung – festgestellt werden. | FG Düsseldorf, Urteil v. 12.4.2019, 6 K 3664/16 |
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Geschäftsführer-Perspektive: Das geplante Lieferkettengesetz – wer soll das leisten?
Die Übersteigerung der Bürokratie wird gemeinhin als Bürokratismus bezeichnet. Dagegen helfen nur Bürokratie-Entlastungsgesetze – zurzeit Nummer I bis III. Oder eine Kommission, die alle neuen Gesetze auf ihren Bürokratisierungseffekt hin abklopft. So wie jetzt im Gesetzgebungsverfahren um das neue Lieferkettengesetz. Nach einer ersten Prüfung (Monitoring) hat man jetzt festgestellt, dass es eigentlich ausreichen müsste, wenn jedes Unternehmen eine Qualitäts- und Compliance-Prüfung lediglich der eigenen Zulieferer vornimmt und nicht die gesamte Lieferkette überprüfen muss und dafür zur Verantwortung gezogen werden kann – mit der Androhung von Bußgeld bis zu 5 Mio. EUR, von Haftstrafen für die Geschäftsführer und dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Eine solche Überprüfung ist ohnehin nur auf dem Papier und für die Ablage möglich. Davon haben wir alle allerdings schon mehr als genug. Mit freundlichen Grüßen.
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Digitales: Neue Plattform für Handelsflächen
Der Einzelhandel organisiert sich um – wir berichten an dieser Stelle regelmäßig über neue Ideen, Versuche und Initiativen. Für eines der Probleme des stationären Handels gibt es jetzt eine hilfreiche digitale Lösung. Das StartUp heißt Store2be und hilft den Großen des stationären Handels bei der Optimierung der Fläche. Die Idee: Ob Galeria Karstadt, Peek & Cloppenburg, die großen Warenhaus-Galerien oder selbst Media-Markt oder zahlreiche Baumärkte – die Flächen sind da. Aber oft fehlen Produkte, die das Angebot attraktiver machen. Sei es die gemütliche Cafe-Ecke, der kleine Buchladen zum stöbern oder das feine Sortiment eines regionalen Likör-Spezialisten, die das Gesamtangebot des Kaufhauses für den Kunden aufwerten. Store2be hat dazu eine Plattform entwickelt, auf der sich Anbieter und Nachfrager für die Kaufhausflächen finden. Mit Potenzial: Die Galeria Karstadt-Kaufhof-Eigentümer sind unterdessen mit einem siebenstelligen Betrag in die nächste Finanzierungsrunde eingestiegen. Damit soll die Software finanziert werden, mit der die neu ausgelösten Kundenströme dann bis ins Detail analysiert werden.
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GmbH/Beschlussfassung: Es geht noch schneller
Die GmbH-Gesellschafter müssen ihre Beschlüsse zur GmbH nicht auf einer offiziellen Gesellschafterversammlung fassen. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich das Verfahren zur Beschlussfassung (§ 48 GmbH-Gesetz). Danach gilt: „Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären“. Hat die GmbH mehrere Gesellschafter, die gelegentlich oder regelmäßig Beschlüsse fassen müssen, ist es hilfreich, wenn die Zustimmung zur schriftlichen Beschlussfassung bereits im Gesellschaftsvertrag der GmbH vereinbart ist. Sie brauchen dann nicht mehr zu jedem Beschluss die Einverständniserklärung der Gesellschafter einholen und protokollieren. Damit ist es leichter möglich, Beschlüsse auch im Umlaufverfahren zu erledigen. Der Gesellschafter (- Geschäftsführer) erhält das Beschlussdokument im Dokumentenumlauf in seinem Posteingang und braucht lediglich sein Votum einzutragen. Noch schneller lässt sich die Beschlussfassung dann per E‑Mail erledigen. Hilfreich ist das z. B., wenn es mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer gibt und im Gesellschaftsvertrag ein ausführlicher Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte vereinbart ist. Etwa für Geschäfte, die ein bestimmtes Volumen überschreiten (ab 5.000 EUR) oder wenn Angelegenheiten der Führungskräfte (Einstellung, Gehaltserhöhung, Kündigung usw.) nur mit der Zustimmung der Gesellschafter-Mehrheit entschieden werden dürfen.
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GmbH/Steuer: Vorauszahlungen ab Juni termingenau planen
Wer einen Steuervorauszahlungstermin verpasst, erhält vom Finanzamt automatisch eine Mahnung und wird zur Nachzahlung ausgefordert. Bis dahin fallen keine Säumniszuschläge und zusätzliche Bearbeitungsgebühren an. ACHTUNG: Hier gibt es eine Änderung. Ab Juni 2020 gibt es keine Zahlungserinnerungen für Steuervorauszahlungen mehr. Das betrifft alle Steuerarten (USt, LSt, ESt, KSt, GewSt). Sie sind also gut beraten, die Vorauszahlungstermine ab sofort selbst zu terminieren und sich nicht darauf zu verlassen, dass sich das Finanzamt um Ihre Termine kümmert.
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Team-Mitglieder: Kein Anspruch auf ein einheitliches Zeugnis
Ein Mitarbeiter eines agilen Projekt-Teams, das nach der Scrum-Methode arbeitet, hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf einen bestimmter Zeugniswortlaut einschließlich einer bestimmten Bewertung, weil der Arbeitgeber einem anderen Team-Mitglied ein entsprechendes Zeugnis erteilt hat (Arbeitsgericht Lübeck, Urteil v. 22.1.2020, 4 Ca 2222/19).
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Neu: Zulässigkeit von Fernseh-Werbung
Für einige Verwunderung sorgte in den letzten Wochen die Fernseh-Werbung für ein Glückspielangebot. Besonderheit: Im Werbespot wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Angebot nur für Zuschauer aus Schleswig-Holstein gilt. Dazu hat das Landgericht (LG) Köln jetzt entschieden: „Es ist unverständlich, wenn die Glücksspielbetreiber mit einem so hohen Aufwand für Glücksspiel werben würden, an dem nur die Spieler mit Wohnsitz in Schleswig-Holstein teilnehmen dürften”. Der Werbespot darf bis auf weiteres nicht ausgestrahlt werden (LG Köln, Urteil v. 18.2.2020, 31 O 152/19).
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Neuer Basiszins: Bewertung von Beteiligungen und Unternehmen
Zur Bewertung von Beteiligungen und von Unternehmen nach dem Ertragswertverfahren werden die Nettoeinnahmen der Anteilseigner abgezinst. Der Zinssatz berechnet sich dabei unter Anwendung des sog. Preismodells für Kapitalgüter (CAPM) bzw. des Tax-CAPM aus einem Basiszins zuzüglich eines Risikozuschlags. Für Bewertungsstichtage Februar 2020 liegt dieser Basiszinssatz bei 0,200 % (zuletzt 2019: 0,00 %).
Eine informative Lektüre und ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr
L. Volkelt
Dipl. Volkswirt, Herausgeber + Chefredakteur Volkelt-Brief