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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 38/2016

Volkelt-FB-01

  • Steu­er-Ver­säum­nis­se: Fis­kus hat den län­ge­ren Arm und macht gut Kas­se + Neue Urtei­le: Ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tun­gen in der GmbH + Füh­rungs­tech­ni­ken: Kri­tik – je direk­ter des­to effek­ti­ver + GmbH-Finan­zen: Der Ban­ker im GmbH-Bei­rat + Geld: Pflicht­bei­trä­ge des Geschäfts­füh­rers ver­jäh­ren nach 4 Jah­ren + BISS

 

 

 

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Frei­burg 16. Sep­tem­ber 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

als jüngst in der Badi­schen Zei­tung zu lesen war „Ein­bruch bei der Steu­er­fahn­dung – Die­be steh­len 3 Lap­tops“ war das – zuge­ge­be­ner­ma­ßen mit einer leich­ten, eigent­lich unzu­läs­si­gen  Scha­den­freu­de – Anlass für aller­lei Ver­mu­tun­gen. Gab es da Jeman­den, der die Aus­wer­tung sei­ner Daten ver­hin­dern woll­te? War es die Rache Eines, der sich von den Prü­fern unge­recht behan­delt fühl­te? Oder han­delt es sich bei dem Täter/den Tätern um Per­so­nen, die ver­mu­te­ten, hier Bar­geld zu fin­den. Was selbst­ver­ständ­lich aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Spaß beiseite.

Im Jahr 2014 – so die jetzt vor­lie­gen­den Daten aus dem letz­ten Veranlagungs­jahr – erziel­ten die Finanz­be­hör­den allein aus der Steu­er­fahn­dung zusätz­li­che Steu­er­ein­nah­men in Höhe von knapp 2,5 Mrd. EUR. Dabei wur­den ins­ge­samt 40.241 Steu­er-Ermitt­lungs­­­ver­fah­ren abge­schlos­sen. Zusätz­lich wur­den 2014 in den Buß­geld- und Straf­sa­chen­stel­len der Finanz­äm­ter bun­des­weit ins­ge­samt fast 90.000 Straf­ver­fah­ren wegen Steu­er­straf­ta­ten bear­bei­tet. Zudem wur­den bun­des­weit rund 4.300 Buß­geld­ver­fah­ren abge­schlos­sen und Buß­gel­der in einer Gesamt­hö­he von über 12,5 Mio. EUR fest­ge­setzt. Auch die Bera­tungs-Erfah­rung zeigt: Unge­reimt­hei­ten, Nach­läs­sig­kei­ten und „auf die Bank schie­ben“ haben im Steu­er­recht kei­ne Chan­ce. Es ist immer nur eine Fra­ge der Zeit, wann die Steu­ern fäl­lig wer­den, wann (Straf-) Zuschlä­ge dazu kom­men und wann das Steu­er­straf­recht ins Spiel kommt.

In eini­gen Bun­des­län­dern (z. B. Baden-Würt­tem­berg) wur­den unter­des­sen sog. Son­der­ein­hei­ten für Steu­er­fahn­dung gebil­det, die schwer­punkt­mä­ßig ein­ge­setzt wer­den. Für die meis­ten Unter­neh­men wird sich damit in Sachen „Prü­fungs­in­ten­si­tät“ aber kaum etwas ändern. Ein­schnei­den­der sind die immer öfter im stil­len erlas­se­nen Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten, in denen die Finanz­be­hör­den teils ohne tat­säch­li­che recht­li­che Grund­la­ge eigen­stän­dig und unkon­trol­liert Steu­er­ge­set­ze nach ihrem Gut­dün­ken aus­le­gen und umset­zen (z. B. „Zufluss von Arbeits­lohn beim Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer“ oder die immer unüber­sicht­li­chen und restrik­ti­ven Vor­ga­ben zur Ver­lust­ver­rech­nung bei GmbH-Anteils­über­tra­gun­gen). Für GmbHs ist damit eine Steu­er­ab­wick­lung ohne Bera­ter, wei­ter stei­gen­de Bera­ter­kos­ten und stän­dig zuneh­men­des Prozess­risiko kaum noch möglich.

Neue Urteile: Verdeckte Gewinnausschüttungen in der GmbH

Kün­digt sich der Betriebs­prü­fer in der GmbH an, geht es regel­mä­ßig auch um ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tun­gen (vgl. zuletzt Nr. 37/2016). Auch in den ver­gan­ge­nen Mona­ten gab es immer wie­der neue höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dun­gen dazu. In der fol­gen­den Über­sicht haben wir die wich­tigs­ten zusam­men­ge­stellt. Die Urtei­le betref­fen ganz unter­schied­li­che Sach­ver­hal­te – von Zuwen­dun­gen der GmbH an ihren Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer oder an nahe Ange­hö­ri­ge, aber auch die Bezie­hung zwi­schen ver­bun­de­nen Unter­neh­men und Toch­ter­ge­sell­schaf­ten. Prü­fen Sie, ob die­se Sach­ver­hal­te auch in Ihrer GmbH zutref­fen kön­nen und bespre­chen Sie even­tu­el­len Hand­lungs­be­darf mit Ihrem Steuerberater:

Steu­er­freie Zuschlä­ge für den fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer: Zahlt die GmbH (hier: Gas­tro-GmbH) ihrem fak­ti­schen Geschäfts­füh­rer (hier: Sohn des Allein-Gesell­schaf­ters) steu­er­freie Zuschlä­ge für Sonn‑, Fei­er­tags- und Nacht­ar­beit (SFN-Zuschlä­ge), dann ist das Finanz­amt berech­tigt, die­se als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung (vGA) zu besteu­ern. Und zwar auch dann, wenn die übri­gen Mit­ar­bei­ter eben­falls steu­er­freie Zuschlä­ge erhal­ten, nicht aber die offi­zi­el­le (Fremd-) Geschäfts­füh­re­rin (FG Müns­ter, Urteil vom 27.1.2016, 10 K 1167/13 K, G, F).

Der Sohn war offi­zi­ell nicht als Geschäfts­füh­rer, son­dern als Arbeit­neh­mer der Gas­tro-GmbH ange­stellt. Das Finanz­amt sah in sei­ner Tätig­keit aber die eines fak­ti­schen Geschäfts­füh­rers, zumal der Sohn auch mit 40 % an der GmbH betei­ligt war. Steu­er­freie SFN-Zu­­schlä­ge wer­den von den Finanz­be­hör­den höchs­tens für den Fremd-Geschäfts­füh­rer akzep­tiert.

 

Finan­zie­rung aus Mit­teln der Toch­ter- und Enkel­ge­sell­schaf­ten sind kei­ne ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung (vGA): Der Bun­des­fi­nanz­hof hat jetzt abschlie­ßend bestä­tigt, dass das Finanz­amt die Zin­sen, die eine Mut­ter­ge­sell­schaft für Dar­le­hen ihrer Toch­ter- und Enkel­ge­sell­schaf­ten zahlt, nicht als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung besteu­ern darf. Im Juris­ten­deutsch: Die Zins­zah­lun­gen erfül­len nicht den Tat­be­stand des § 8a Abs. 1 Satz 2 Vari­an­te 1 des Kör­per­schaft­steu­er­ge­set­zes (KStG) 2002 aktu­el­le Fas­sung (BFH, Urteil vom 28.1.2016, I R 70/14).

Damit been­det der BFH die ver­brei­te­te Pra­xis eini­ger Finanz­äm­ter, Zins­zah­lun­gen im Kon­zern grund­sätz­lich erst ein­mal als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung zu monie­ren. Betrof­fe­ne Unter­neh­men haben damit gute Chan­cen, bereits im Ein­spruchs­ver­fah­ren zu ihrem Recht zu kommen.

 

Über­höh­te Gehalts­zah­lun­gen an den Seni­or: Ist der Geschäfts­füh­rer einer Toch­ter-GmbH naher Ange­hö­ri­ger eines Kom­man­di­tis­ten der Mut­ter­ge­sell­schaft (hier: eine GmbH & Co. KG), ist das Finanz­amt berech­tigt, eine über­höh­te Gehalts­zah­lung als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung zu bewer­ten und der GmbH & Co. als Kapi­tel­er­trä­ge (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG) zu ver­steu­ern (BFH, Urteil vom 22.10.2015, IV R 7/13).

Das Urteil zeigt, wie genau die Steu­er­prü­fer arbei­ten. Im ent­schie­de­nen Fall waren die Väter der Kom­man­di­tis­ten als (über­be­zahl­te) Geschäfts­füh­rer der Toch­ter-GmbH ein­ge­stellt. Damit soll­te erreicht wer­den, die Senio­ren aus dem ope­ra­ti­ven Geschäft her­aus­zu­neh­men, ihnen aber zugleich noch einen attrak­ti­ven Ver­dienst anzu­bie­ten. Das macht das Finanz­amt so nicht mit.

 

Zuschüs­se an nahe Ange­hö­ri­ge: Die GmbH der Part­ne­rin hat­te für die Anwalts- und Gerichts­kos­ten Ihres Part­ners – dem Geschäfts­füh­rer der GmbH – ein Dar­le­hen auf­ge­nom­men. Nach Kla­ge­ab­wei­sung hat­te die GmbH eine Teil­wert­ab­schrei­bung auf das Dar­le­hen vor­ge­nom­men. Das Finanz­amt beur­teil­te das als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung und berech­ne­te Kör­per­schaft- und Gewer­be­steu­er (BFH, Beschluss vom 20.10.2015, I B 2/15).

Nicht geprüft wur­de in dem Ver­fah­ren, ob es ein fak­ti­sches Inter­es­se der GmbH an der Pro­zess­füh­rung gege­ben haben könn­te. Zuwen­dun­gen der GmbH an nahe Ange­hö­ri­ge (also Ehe­gat­ten, Part­ner, aber auch Eltern oder Kin­der) wer­den vom Finanz­amt nur dann als Betriebs­aus­ga­ben der GmbH und damit steu­er­wirk­sam aner­kannt, wenn die­se auf der Grund­la­ge einer ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung geleis­tet wer­den – im vor­lie­gen­den Fall wäre das eine Ver­ein­ba­rung im Anstel­lungs­ver­trag „zur Über­nah­me von Gerichts- und Anwalts­kos­ten für Gerichts­ver­fah­ren im Inter­es­se der GmbH“.

Führungstechniken: Kritik – je direkter desto effektiver

War­um kön­nen die nicht ein­fach ihren Job machen“? So die Bemer­kung eines Kol­le­gen über die Fra­ge, was ihn an sei­nen Mit­ar­bei­tern am meis­ten nervt. Tat­sa­che ist, dass die meis­ten Geschäfts­füh­rer „den Mit­ar­bei­ter“ als die Schwach­stel­le ihres Unter­neh­mens aus­ma­chen. Und zwar unab­hän­gig davon, ob der Chef schon vie­le Füh­rungs-Trai­nees besucht hat, bera­tungs­re­sis­tent ist oder moderns­te Füh­rungs-Tech­ni­ken prak­ti­ziert. Es gilt, sich damit zu arran­gie­ren. Z. B., indem Sie für die ner­vigs­ten Ange­wohn­hei­ten Ihrer Mit­ar­bei­ter eine pas­sen­de Erklä­rung parat haben:

  • Zustän­dig? „Ich? Wie­so Ich?“. Dele­gie­ren Sie jede offe­ne Tätig­keit, die Ihnen auf­fällt, an einen bestimm­ten Mit­ar­bei­ter, und zwar grund­sätz­lich immer mit Ziel­vor­ga­be (bis wann und wie). Erwar­ten Sie kei­ne Eigeninitiative.
  • Mit­den­ken: Mit­ar­bei­ter den­ken in Zustän­dig­keits­be­rei­chen. Vie­le Auf­ga­ben erge­ben sich aber gera­de aus einer Schnitt­stel­le. Wobei der Mit­ar­bei­ter „die Linie nicht zum Straf­raum rech­net“. Dem­entspre­chend sin­niert er nur über den Straf­raum – genau bis zur Grenze.
  • Ent­schul­di­gung: Für den Chef kos­tet jeder Feh­ler bares Geld. Für den Mit­ar­bei­ter kos­tet er allen­falls eine Ent­schul­di­gung (der kei­ne Kün­di­gung recht­fer­tigt). Des­we­gen gibt es Prä­mi­en. Dann spürt auch der Mit­ar­bei­ter, das ein Feh­ler kostet.
Selbst wenn Sie die oben ange­spro­che­nen Ver­hal­tens­wei­sen regel­mä­ßig oder Vor­fall bezo­gen mit den Mit­ar­bei­tern anspre­chen, wer­den Sie fest­stel­len, dass die­se Punk­te trotz­dem immer wie­der auf­tau­chen. Es macht den Men­ta­li­täts­un­ter­schied. Des­we­gen sind Sie ja Unter­neh­mer und der Mit­ar­bei­ter ist Ange­stell­ter. Die meis­ten Mit­ar­bei­ter defi­nie­ren die Arbeits­welt für sich als einen in sich geschlos­se­nen Raum mit kla­ren Gren­zen. Des­we­gen wird auch die Auf­for­de­rung, „über den Tel­ler­rand“ zu bli­cken, nur aus­nahms­wei­se fruch­ten. Bes­ser ist es, wenn Sie das Ange­stell­ten-Dasein akzep­tie­ren und lie­ber zu viel als zu wenig mit kla­ren Vor­ga­ben arbeiten.

GmbH-Finanzen: Der Banker im GmbH-Beirat

Vie­le GmbHs haben einen Bei­rat ein­ge­rich­tet. U. a. auch, um so Kon­ti­nui­tät und Ver­trau­lich­keit der Finan­zie­rungs­part­ner zu sichern, etwa durch ein Mit­glied der finan­zie­ren­den Haus­bank. Ach­tung: Weiß der auf­grund sei­ner Bei­rats-Tätig­keit von finan­zi­el­len Pro­ble­men der GmbH, reicht das nicht dazu aus, dass sich die Bank ein Mit­wis­sen zurech­nen las­sen muss (BGH, Urteil vom 26.4.2016, XI ZR 108/15).

 Das Urteil bezog sich zwar auf den Auf­sichts­rat einer Akti­en­ge­sell­schaft und dem Ver­tre­ter der Bank im Auf­sichts­rat. Die­se Rechts­la­ge gilt aber ana­log auch für den Bei­rat einer GmbH, der mit einem Ban­ker besetzt ist. Pro­ble­ma­tisch kann das wer­den, wenn die Bank Kri­sen-Dar­le­hen gewährt und der Bei­rat dar­über Bescheid weiß, es aber kein offi­zi­el­les Kri­sen­ge­spräch mit der Bank gab. U.U. führt das zu einer Geschäfts­füh­rer-Haf­tung für die Bankdarlehen.

Geld: Pflichtbeiträge des Geschäftsführers verjähren nach 4 Jahren

Hat der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer einer GmbH Pflicht­bei­trä­ge zur Sozi­al­ver­si­che­rung gezahlt, obwohl im Nach­hin­ein fest­ge­stellt wird, dass er nicht abhän­gig beschäf­tigt und damit nicht sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig ist, hat er ledig­lich Anspruch auf Rück­zah­lung sei­ner Bei­trä­ge für die letz­ten 4 Jah­re. Laut Lan­des­so­zi­al­ge­richt (LSG) Baden-Würt­tem­berg ist die 4‑jährige Ver­jäh­rungs­frist im Sozi­al­recht als all­ge­mei­nes Rechts­prin­zip nicht zu bean­stan­den (LSG Baden-Würt­tem­berg, Urteil vom 7.7.2016, L 7 AS 1359/14).

Es kann also durch­aus pas­sie­ren, dass Sie als Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer jah­re­lang Pflicht­bei­trä­ge in die Gesetz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung zah­len, und dann aber fest­stel­len müs­sen, dass Sie – nach Prü­fung Ihres Anspruchs – kei­ne Ren­te erhal­ten. Sie kön­nen dann nur die Bei­trä­ge der letz­ten vier Jah­re zurück­for­dern. Der Rest ist weg – recht­lich nicht zu beanstanden.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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