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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 25/2011

156 neue Prü­fer che­cken Ein­hal­tung von Min­dest­lohn + Ihr Mit-Geschäfts­füh­rer ist dau­er­haft arbeits­un­fä­hig – was tun? + Finanz­be­hör­den prü­fen unüber­sicht­li­che Fir­men­kon­struk­te + FA muss ein­ge­zahl­te Ein­la­ge bei den Anschaf­fungs­kos­ten anrech­nen + Ver­äu­ße­rungs­ge­winn: Vor­sicht bei Gewinnvortrag/Jahresüberschuss + BISS 

Die The­men heu­te: 156 neue Prü­fer che­cken Ein­hal­tung von Min­dest­lohn + Ihr Mit-Geschäfts­füh­rer ist dau­er­haft arbeits­un­fä­hig – was tun? + Finanz­be­hör­den prü­fen unüber­sicht­li­che Fir­men­kon­struk­te + FA muss ein­ge­zahl­te Ein­la­ge bei den Anschaf­fungs­kos­ten anrech­nen + Ver­äu­ße­rungs­ge­winn: Vor­sicht bei Gewinnvortrag/Jahresüberschuss + BISS

25. KW 2011
Frei­tag, 24.6.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

mit zusätz­li­chen 156 Mit­ar­bei­tern wird die Bun­des­agen­tur für Arbeit die Ein­hal­tung des gesetz­lich garan­tier­ten Min­dest­lohns für die Zeit- und Leih­ar­beit kon­trol­lie­ren. Im Wes­ten sind das 7,79, im Osten 6,89 €. Und zwar unab­hän­gig davon, wie vie­le Unter­neh­men die gesetz­li­chen Bestim­mun­gen ein­hal­ten bzw. sich nicht dar­an halten.

Für die meis­ten Unter­neh­men bedeu­tet die Ein­füh­rung des Min­dest­lohns höhe­re Per­so­nal­kos­ten – das betrifft selbst­ver­ständ­lich auch alle Fir­men, die mit Zeit- und Leih­ar­bei­tern agie­ren und pla­nen. Die SPD-nahe Fried­rich-Ebert-Stif­tung stellt dazu jetzt in einer aktu­el­len Unter­su­chung zur Aus­wir­kung des Min­dest­lohns auf klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men fest: „Die höhe­ren Kos­ten könn­ten – theo­re­tisch – über ein gerin­ge­res Geschäfts­füh­rer­ge­halt oder einen gerin­ge­ren Gewinn kom­pen­siert wer­den. Eben­so denk­bar wäre es, dass die Prei­se erhöht wer­den oder z. B. Trink­gel­der ein­be­hal­ten wer­den“.

Gleich, ob es Ihnen gelingt, die Kos­ten auf­zu­fan­gen oder wei­ter­zu­ge­ben: Stel­len Sie sich dar­auf ein, dass Fir­men, die Leih- und Zeit­ar­bei­ter beschäf­ti­gen, in den nächs­ten Mona­ten genau­er unter die Lupe genom­men werden.

Der Mit-Geschäftsführer ist dauerhaft arbeitsunfähig – was tun?

Mein Mit-Geschäfts­füh­rer ist jetzt schon zum zwei­ten Mal hin­ter­ein­an­der über eine län­ge­re Zeit krank –  was kann ich da tun?“. So die Anfra­ge eines Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gen, der nach eige­nen Anga­ben die Arbeit nicht mehr allei­ne schafft und sich – wohl zu Recht – Gedan­ken um das wei­te­re Fort­be­stehen der GmbH macht. Was müs­sen Sie dazu beach­ten? Ist abseh­bar, dass der Mit- (Gesell­schaf­ter-) Geschäfts­füh­rer auf län­ge­re Zeit nicht arbeits­fä­hig ist, müs­sen Sie als der ver­blei­ben­de und allein­ver­ant­wort­li­che Geschäfts­füh­rer für das ope­ra­ti­ve Geschäft Vor­keh­run­gen tref­fen. Das sind:

  • Prü­fen Sie, wel­che Ver­tre­tungs­re­ge­lung für Ihre GmbH im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen ist. Ist Gesamt­ver­tre­tung vor­ge­ge­ben, müs­sen Sie dafür sor­gen, dass die GmbH hand­lungs­fä­hig bleibt. Ist der Mit-Geschäfts­füh­rer z. B. nicht in der Lage, Ver­ein­ba­run­gen mit Außen­wir­kung zu tref­fen, soll­ten Sie die Ver­tre­tungs­re­ge­lung per Gesell­schaf­ter­be­schluss so abän­dern, dass die GmbH recht­lich kor­rekt ver­tre­ten wer­den kann (Ein­zel­ver­tre­tungs­be­fug­nis).
  • Im Innen­ver­hält­nis ist zu prü­fen, wel­che Auf­ga­ben­be­rei­che des Geschäfts­füh­rers dele­giert wer­den kön­nen bzw. wel­che Sie selbst über­neh­men und wel­che Auf­ga­ben und Ent­schei­dungs­fra­gen gemein­sam mit den übri­gen Gesell­schaf­tern ent­schie­den werden.
  • Ist der Mit-Geschäfts­füh­rer zugleich auch Mit-Gesell­schaf­ter soll­ten Sie dafür sor­gen, dass eine Voll­macht des nicht hand­lungs­fä­hi­gen Gesell­schaf­ters aus­ge­stellt wird (z. B. für den Steu­er­be­ra­ter, Rechts­an­walt oder Ehegatten).
  • Ist die Erkran­kung von nicht abseh­ba­rer Dau­er, kann als ein­ver­nehm­li­che Lösung die Nie­der­le­gung des Amtes durch den Geschäfts­füh­rer erfol­gen (Mit­tei­lung an das Handelsregister).
  • Kommt eine ein­ver­nehm­li­che Lösung nicht zustan­de, kann der Geschäfts­füh­rer ab­berufen wer­den – sofern die dazu erfor­der­li­che Stim­men­mehr­heit erreicht wird. Ist das nicht der Fall, ist zusam­men mit dem Anwalt zu prü­fen, mit wel­chen Rechts­mit­teln die Abbe­ru­fung durch­ge­setzt wer­den kann (Gesell­schaf­ter­be­schluss, gericht­li­ches Verfahren).
  • Mög­lich ist auch die Kün­di­gung des Anstel­lungs­ver­tra­ges aus wich­ti­gem Grund. Das soll­te mög­lich sein bei einer lang andau­ern­den Erkran­kung (= krank­heits­be­ding­te Arbeits­un­fä­hig­keit von mehr als 6 Mona­ten) oder bei häu­fi­ge­ren Kurz­erkran­kun­gen (= min­des­tens 3 Kurz­erkran­kun­gen im Kalen­der­jahr mit krank­heits­be­ding­ten Fehl­zeiten von min­des­tens 6 Wochen).

Wird die Kün­di­gung des Anstel­lungs­ver­hält­nis­ses aus wich­ti­gem Grund von der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung beschlos­sen, dann hat der betrof­fe­ne Gesell­schaf­ter-Geschäfts­­­füh­rer grund­sätz­lich kein Stimm­recht. Damit kön­nen Sie zumin­dest sicher­stel­len, dass die GmbH nicht auf unkal­ku­lier­ba­re Dau­er Bezü­ge ohne Gegen­leis­tung leis­ten muss. Aus der Pra­xis sind Fäl­le bekannt, in denen der dau­er­haft erkrank­te Geschäfts­füh­rer tage­wei­se sei­nen Dienst antritt, um so sei­nen Anspruch auf Gehalts­fort­zah­lung dau­er­haft zu sichern.

Für die Pra­xis: Bei län­ge­ren Erkran­kun­gen eines Mit-Geschäfts­füh­rers soll­ten Sie – sofern mög­lich – zunächst alle oben ange­spro­che­nen Punk­te ein­ver­nehm­lich lösen. Ist das nicht der Fall oder ist der Mit-Geschäfts­füh­rer hand­lungs­un­fä­hig, soll­ten Sie eine Ver­tre­tungs­re­ge­lung umset­zen und dafür sor­gen, dass eine Voll­macht vom Gesell­schaf­ter aus­ge­stellt wird. Damit sichern Sie, dass die GmbH hand­lungs­fä­hig bleibt. Steht der wei­te­re Ver­lauf der Krank­heit in Fra­ge, soll­ten Sie dafür sor­gen, dass ein ärzt­li­ches Gut­ach­ten erstellt wird und der Betrof­fe­ne den Arzt von sei­ner Ver­schwie­gen­heits­ver­pflich­tung befreit. Prü­fen Sie, wie Sie die finan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen einer län­ge­ren Krank­heit für die GmbH gering hal­ten kön­nen (Gehalts­fort­zah­lung) und wel­che Maß­nah­men Sie ergrei­fen kön­nen, um die finan­zi­el­len Belas­tun­gen zu sen­ken (Kün­di­gung des Anstel­lungs­ver­trags). Vor­sorg­li­che Maß­nah­men: Prü­fen Sie, ob Sie bzw. Ihre Mit-Gesell­schaf­ter vor­sor­gen­de und Erhalt sichern­de Maß­nah­men für die GmbH (Ver­tre­tungs­voll­macht, tes­ta­men­ta­ri­sche Ver­fü­gung) getrof­fen haben, z. B. für den Fall eines Unfalls oder eines schwer­wie­gen­den Gesund­heits­pro­blems. Ist das nicht der Fall, soll­ten Sie dies unver­züg­lich mit Ihrem Anwalt klären.

Finanzbehörden prüfen unübersichtliche Firmenkonstrukte 

Wer­den in einer Kom­man­dit­ge­sell­schaft (KG) ein­zel­ne Tätig­keits­be­rei­che von Toch­ter-GmbHs erle­digt, darf das Finanz­amt alle Gehalts­zah­lun­gen, Arbeit­ge­ber­an­tei­le und Pen­si­ons­zu­sa­gen für die GmbH-Geschäfts­füh­rer als Son­der­ver­gü­tung der KG ver­steu­ern. Und zwar dann, wenn die Geschäfts­füh­rer der Toch­ter-GmbHs zugleich Kom­man­di­tis­ten der KG sind und die Toch­ter-GmbHs sach­lich, orga­ni­sa­to­risch und finan­zi­ell so mit der KG ver­floch­ten sind, dass es sich um ein ein­heit­li­ches Fir­men­kon­strukt han­delt (FG Nie­der­sach­sen, Urteil vom 1.2.2011, 8 K 74/06). Damit bestä­tigt das Finanz­ge­richt die land­läu­fi­ge Auf­fas­sung der Finanz­be­hör­den, die sol­che „Innen­kon­struk­tio­nen“ von per­so­nen­iden­ti­schen Schach­tel­ge­sell­schaf­ten regel­mä­ßig beanstanden.

Für die Pra­xis: Kri­tisch sind sol­che Kon­struk­te, wenn die ein­zel­nen Gesell­schaf­ten 1.) per­so­nen­iden­tisch geführt wer­den – also immer von den glei­chen Per­so­nen gebil­det wer­den, wenn 2.) die ein­zel­nen Fir­men aus­schließ­lich gegen­sei­tig tätig sind – also kei­ne ande­ren Kun­den und Geschäfts­be­zie­hun­gen haben außer den Schwes­ter- oder Toch­ter­ge­sell­schaf­ten und wenn 3.) die/einzelne Mit­ar­bei­ter für meh­re­re Fir­men tätig wer­den und die Tätig­kei­ten über Stun­den­sät­ze ver­rech­nen. Steu­er­prü­fer und Finanz­be­hör­den akzep­tie­ren sol­che Gestal­tun­gen nur, wenn es sich um sach­lich, orga­ni­sa­to­risch und finan­zi­ell selbst­stän­di­ge Fir­men­ein­hei­ten han­delt. In ver­gleich­ba­ren Fäl­len soll­ten Sie dafür sor­gen, dass die ein­zel­nen Fir­men­ein­hei­ten (z. B. IT, Ser­vice) eige­ne Mit­ar­bei­ter haben und auch zusätz­lich als gewerb­li­che Anbie­ter für ande­re Kun­den tätig werden. 

Finanzamt darf Anschaffungskosten auf GmbH-Beteiligung wegen fehlendem Einzahlungsbeleg nicht klein rechnen

Laut Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) darf das Finanz­amt bei der Ermitt­lung der Anschaf­fungs­kos­ten für die GmbH-Betei­li­gung nicht ein­fach die Stamm­ein­la­ge-Ein­zah­lung bestrei­ten, wenn der Ein­zah­lungs­be­leg fehlt.  Das Finanz­amt muss alle Tat­sa­chen berück­sich­ti­gen, Nach­prü­fun­gen anstel­len und alle Sach­ver­hal­te berück­sich­ti­gen, die für die Ein­zah­lung der Ein­la­ge spre­chen könn­ten (BFH, Urteil vom 8.2.2011, IX R 44/10).

Für die Pra­xis: Im Urteils­fall konn­te der GmbH-Gesell­schaf­ter den Ein­zah­lungs­be­leg nicht mehr vor­le­gen. Ergibt sich aber aus der Ein­zah­lungs­ver­pflich­tung laut Gesell­schafts­ver­trag, aus der tat­säch­li­chen Ein­tra­gung der GmbH – also ohne Bean­stan­dung durch das Regis­ter­ge­richt wegen feh­len­der Ein­la­ge­zah­lung – und einer jah­re­lan­gen Buchung der aus­ste­hen­den Ein­la­ge mit 0 EUR, dann spricht das dafür, dass die Ein­la­ge tat­säch­lich erbracht wur­de und steu­er­lich berück­sich­tigt wer­den muss (Rz. 19). Den­noch: Den Ein­zah­lungs­be­leg soll­te jeder GmbH-Gesel­l­­schaf­ter sorg­fäl­tig auf­be­wah­ren – für steu­er­li­che Zwe­cke, aber auch für den Insol­venz­fall, damit er gegen­über dem Insol­venz­ver­wal­ter die Ein­zah­lung schwarz auf weiß bele­gen kann.

Verzicht auf Gewinnvortrag/Jahresüberschuss mindert den Veräußerungsgewinn nicht

Ver­zich­tet der Gesell­schaf­ter beim Ver­kauf sei­nes Anteils auf den Gewinn­vor­trag, kann er die­sen nicht bei der Ermitt­lung des Ver­äu­ße­rungs­ge­winns ver­rech­nen. Üblich ist, dass der Anspruch auf Gewinn­vor­trag bzw. Jah­res­über­schuss im Kauf­preis bereits berück­sich­tigt ist (BFH, Urteil vom 8.2.2011, IX R 15/10).

Mit bes­ten Grüßen

Ihr Lothar Vol­kelt 

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief

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