Schon seit einigen Wochen habe ich mit meinem Nachbarn kein Wort mehr gewechselt. Bis Vorgestern – ich war gerade dabei, den Gehweg vor dem Grundstück fürs Frühjahr aufzufrischen. Da stand Reinhold Becker, seines Zeichens Physiker, Wirtschaftsingenieur und leidenschaftlicher Börsianer, neben mit. In der Hand hielt er das Ende eines ewig langen Wasserschlauches und fragte mich: „Kann ich mal Wasser haben. Mein Außenhahn ist defekt“. Man hilft sich. Wie sollte ich denn ahnen, dass das ein teurer Spaß wird. Zugegeben: Mir ist nicht aufgefallen, dass auf Beckers Grundstück ein Laster voll Quarzsand stand. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass Becker offensichtlich schon vor Wochen ganz im stillen in seinem Garten ein Bohrloch bis in 2.000 Meter Tiefe getrieben hatte und nun mein Wasser-Quarzsand-Gemisch mittels eines Kärcher-Hochdruck-Strahlers tief nach unten in das Bohrloch jagte. Minuten später fing sein Gas-Elektro-Turbo-Generator an zu arbeiten und die Sektkorken knallten. Becker schoss an den Gartenzaun rüber zu mir: „Es klappt. Nie mehr Russland-Gas“. Ein paar Wochen später begann sich unser Haus zu heben. Am Sonntag haben wir den Tatort zwischen Abstützbalken sitzend angeschaut. Die Terrasse ist schon bedrohlich schief. Vereinzelt fallen Ziegel runter. Becker selbst ist unbeeindruckt und hat mir die Adresse von seiner Versicherung gegeben.
Kategorien