Fazit 2016: ganz gut – besser als erwartet + Konjunktur: Schlechte Zeiten für positive Prognosen + Wirtschaftspolitik: Der Wahlkampf sorgt für Stillstand + Bürokratie: Der wirkliche Gestaltungswille fehlt + Finanzen: Geld bleibt billig –Investieren in die Digitalisierung + Arbeitsmarkt: Gute Mitarbeiter sind Ihr Kapital + Geschäftsführer privat: Der Stressfaktor bleibt – Durchhalten! + BISS …
Der Volkelt-Brief 51/2016 > Download als PDF - lesen im „Print”
Freiburg, Jahreswechsel 2016/2017
Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,
die meisten der Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich in den letzten Tagen und Wochen gesprochen habe, sind mit dem Geschäftsjahr 2016 zufrieden bis mehr. Das war so nicht zu erwarten. Viele sind stark verunsichert über die Entwicklungen in der deutschen Politik, in Europa, in den Krisenregionen und in den USA. Viele Hausaufgaben blieben liegen:
- Wirtschaftspolitik: Der Mittestand erhält zwar auf dem Papier gute Noten. In der Praxis wird der Mittelstand aber immer mehr zur tragenden (überlasteten) Säule.
- Steuerpolitik: Es gab keinen großen Wurf (kalte Progression, überhöhte Zinsen für Steuerrückstände) und keine nennenswerten Korrekturen oder Vereinfachungen bei der Feststellung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen.
- Infrastruktur: Ob Verkehrslogistik, Datennetze oder Energiepolitik – die Probleme sind da – ohne dass wirkliche Lösungen erkennbar sind.
- Bürokratie: Seit Jahren werden Verbesserungen angekündigt. Aber auch in 2016 mussten viele Unternehmen feststellen, dass es „schon wieder mehr“ Bürokratie geworden ist. Viele Kommunen haben weiter an der Gewerbesteuerschraube gedreht.
Konjunktur: Schlechte Zeiten für gute Prognosen
Begannen die letzten Jahre mit optimistischen Zahlen, die im Laufe des Jahres nach unten korrigiert wurden, bis schlussendlich nur ein mageres Wachstum herauskam, prognostizieren die meisten ernstzunehmenden Institute für 2017 lediglich ein Wachstum von 1,0 % (DIW) bis 1,4 % (Bundesregierung, Bundesbank, IWF). Dazu kommen Unwägbarkeiten aus den weltweiten Entwicklungen. Ob die Binnennachfrage stabil bleibt, lässt sich u. E. gerade noch für das 1. Halbjahr 2017 prognostizieren. Schon im 2. Halbjahr können sich Konjunktur- und Wachstums-Schwächen in einzelnen Märkten, Sektoren und Branchen auf Deutschland auswirken.
Fakt ist: Einige Indikatoren (Auftragseingang, EURO-Kurs) zeigen bereits bedrohlich nach unten. Fakt ist, dass die Welt‑, die Binnenwirtschaft und die regionale Wirtschaftsentwicklung in immer kürzeren Zyklen takten. Für die kritischen Märkte (Türkei, USA, Russland, Ukraine, Griechenland, mittlerer Osten, EU-Südstaaten) ist weiterhin keine Entspannung in Sicht.
Wirtschaftspolitik: Der Wahlkampf sorgt für Stillstand
Unterdessen ist der Wahlkampf 2017 eröffnet – mit Versprechen, Ankündigungen und mit guten Vorsätzen. Auf der Agenda stehen: Höhere Renten (allerdings ohne konkrete Finanzierungslösungen) und Steuersenkungen bei der Einkommensteuer (die nicht einmal die kalte Progression der letzten Jahre ausgleichen). Eine Mittelstandspolitik, die kleinere Firmen gegen die Übermacht der Konzerne (zuletzt: vereinfachte Verlustverrechnung für Konzerne) oder die zunehmende Konzentration ganzer Branchen (aktuell: EDEKA/REWE) schützen, ist nicht in Sicht – entgegen vieler offizieller Ansagen zum Stellenwert und zur Bedeutung des Mittelstandes in Deutschland.
Bürokratie: Der wirkliche Gestaltungswille fehlt
Gerade kleinere Unternehmen kämpfen täglich mit für außen stehende unvorstellbar vielen, komplizierten und teuren Vorschriften, deren praktischer Sinn sich oft nur schwer oder überhaupt nicht erschließt (Zertifizierungsverfahren, Meldepflichten, Dokumentation von Arbeitszeiten). Dazu kommen mehr und mehr Vor-Ort-Kontrollen von Zoll, Gewerbeaufsicht, Kontrollen der Landratsämter, Außenprüfung der Finanzbehörden, der Rentenversicherung, der Künstler-Sozialversicherung usw.. Vorgänge, die jedes Mal den betrieblichen Ablauf empfindlich stören und zusätzliche (Berater-) Kosten verursachen. In einigen Branchen ist die Belastungsgrenze mit unproduktiven Overhead-Kosten schon lange erreicht.
Finanzen: Geld bleibt billig – Investieren in die Digitalisierung
Abseits der großen Probleme um Zinsen und Staatsfinanzen machen viele kleinere Firmen auch in diesem Jahr wieder die Erfahrung, dass herkömmliche Finanzierungen von mittel- und langfristigen, umfangreicheren Projekten schwierig bleiben. Und dass, obwohl viele (private und öffentlich-rechtliche) Banken den Geschäftskunden unterdessen wieder entdeckt haben. Fakt ist, dass die Zinsen so günstig sind wie noch nie. Allerdings sind fundierte Prognosen zur Zinsentwicklung derzeit nicht möglich.
Aus Finanzierungsperspektive gibt es keinen Grund, mit Investitionen zu warten. Dabei gilt: Ersatzinvestitionen mit Rationalisierungspotenzial (Digitalisierung) vor Erweiterungsinvestitionen. Viele, auch kleinere Unternehmen setzen auf neue Finanzierungsformen. Ob private Investoren oder Anleihen für mittelständische Unternehmen: Dank Internet ist hier Vieles transparenter geworden. Der Wettbewerb von Anlegern um Investitionen in die Realwirtschaft ist für kleinere Unternehmen unterdessen zu einer echten Chance geworden. Stichwort: Crowdfunding. Diese Form der Mittelstandsförderung ist weiter auf dem Vormarsch.
Arbeitsmarkt: Gute Mitarbeiter sind Ihr Kapital
Das Thema Mitarbeiter bleibt für kleinere Unternehmen auch in den nächsten Jahren Kernthema. Der Arbeitsmarkt für Qualifizierte ist leer gefegt und die demographische Entwicklung gibt vor, dass sich daran in den nächsten Jahren auch nichts ändern wird. Auch eine zunehmende Migration wird daran kurz- und mittelfristig nichts ändern.
Als Arbeitgeber müssen Sie den Wettbewerb um Arbeitskräfte annehmen, das Thema zur Chefsache machen und kreative Ideen entwickeln, um gute Mitarbeiter zu binden und neue zu finden. Mindestlohn, Elternzeit, Teilzeitarbeitsanspruch und Equal Pay wirken sich auf die Lohnkosten von kleineren Firmen überproportional aus. Dazu kommen die Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt, z. B. bei den Werkverträgen und Leiharbeitnehmern. Die angesprochenen Vorgaben werden sich weiter auf die Arbeitskosten auswirken und insbesondere für kleinere und mittelgroße Betriebe für zusätzliche Probleme bei der Personalbeschaffung sorgen. Ihre Nachteile im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter gegenüber Großunternehmen und Konzernen nehmen weiter zu.
Geschäftsführer privat: Der Stressfaktor bleibt – Durchhalten!
Globalisierung und Digitalisierung bringen immer mehr Dynamik. Alle Prozesse laufen schneller. Auch das Hamsterrad, das viele Geschäftsführer treten. Aus Sicht eines Geschäftsführers bedeutet das:
- Geschäftsführer kleinerer Unternehmen verbringen immer mehr Zeit mit Tätigkeiten, die nichts oder nur wenig mit dem eigentlichen Geschäft zu tun haben.
- Staat und Behörden verwenden immer mehr Aufwand und Energien für die Überwachung und Kontrolle von Vorschriften und Auflagen.
- Die Diskrepanz zwischen den Zielen der politischen Entscheidungsträger und den Notwendigkeiten kleinerer Wirtschaftseinheiten an der Basis wird immer größer.
Gefordert sind Sie auch im privaten Umfeld. Die meisten Kollegen wissen, dass sie ihrer Familie viel zumuten. Unter dem Dauerdruck driften Ehen und Beziehungen auseinander, die Kinder können nicht wie erforderlich gefördert werden. Der Spagat zwischen Familie und Geschäft ist und bleibt eine Gratwanderung. Dagegen stehen die Herausforderungen und Chancen, die sich für Sie als Geschäftsführer immer wieder aufs Neue ergeben. Sie wissen genau, an welchen Stellschrauben Sie drehen müssen und können, um die Produkte zu verbessern, die Mitarbeiter einzubeziehen und mitzunehmen, den Service besser zu machen oder dem Kunden noch bessere Lösungen anbieten zu können. Gerade diese Ideen, diese kreativen Herausforderungen sind es, die „Geschäftsführung“ so abwechslungsreich und spannend machen. Daran wird sich auch im nächsten Jahr nichts ändern. Sie sind gefordert für 2017 – geschäftlich und privat.
Erholsame Feiertage und einen guten Start in 2017 wünscht Ihnen Ihr
Lothar Volkelt
Herausgeber + Chefredakteur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst