Kategorien
Volkelt-Briefe

GF-Risiko: Entscheiden unter Plausibilitäten – nur „mbH”

Ich habe gelernt, mit Plau­si­bi­li­tä­ten zu leben”. So die Ant­wort des EnBW-Chefs Frank Mastiuax auf die Fra­ge nach sei­nen wich­tigs­ten Erkennt­nis­sen aus sei­ner Tätig­keit als ver­ant­wort­li­cher Unter­neh­mens­lei­ter. Gemeint ist damit die Ein­sicht, dass es für eine Per­son allein schier unmög­lich ist, alle Details und Vor­ab-Infor­ma­tio­nen einer Ent­schei­dung aus­rei­chend zu fun­die­ren. Zuneh­mend wich­tig ist es, über das Erfah­rungs­wis­sen zu ver­fü­gen, das für eine ers­te intui­ti­ve Ein­schät­zung eines Sach­ver­halts aus­reicht. Klingt kom­pli­ziert, ist aber auch für die vie­len Geschäfts­füh­rern klei­ne­rer GmbHs kei­ne Unbe­kann­te. Wer hat schon die Zeit, den Jah­res­ab­schluss der GmbH im Detail zu beherr­schen oder wer kann schon die vom Steu­er­be­ra­ter erstell­ten Steu­er­erklä­run­gen oder der GmbH „lesen”? Hier müs­sen die Kol­le­gen ihren Bera­tern ver­trau­en. Noch schwie­ri­ger wird es, wenn Sie z. B. eine Fir­ma zukau­fen, sich an einem Start­Up betei­li­gen wol­len oder für einen neu­en Groß­kun­den tätig wer­den sol­len. Neben guter Vor­be­rei­tung und der Aus­ein­an­der­set­zung mit Zah­len und Infor­ma­tio­nen, zäh­len hier Erfah­rungs­wis­sen und eben „Plau­si­bi­li­tä­ten”.

Die Rechts­la­ge:

Laut Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Schles­wig-Hol­stein „muss sich der Geschäfts­füh­rer die not­wen­di­gen steu­er­recht­li­chen und han­dels­recht­li­chen Kennt­nis­se ver­schaf­fen, um das Amt aus­zu­füh­ren“. Ganz kon­kret muss er in der Lage dazu sein, die GmbH-Jah­res­bi­lanz einer Plau­si­bi­li­täts­prü­fung zu unter­zie­hen (OLG Schles­wig-Hol­stein, Urteil v. 11.2.2010, 5 U 60/09). Es genügt nicht zu sei­ner Haf­tungs­frei­stel­lung, wenn er z. B. den Jah­res­ab­schluss (z. B. beim Erwerb einer GmbH oder bei Vor­la­ge des Jah­res­ab­schus­ses zur Fest­stel­lung durch die Gesell­schaf­ter) vom Steu­er­be­ra­ter erstel­len lässt und sich dar­auf beruft, dass die­ser den Jah­res­ab­schluss von Berufs wegen kor­rekt anzu­fer­ti­gen habe. Der Geschäfts­füh­rer muss selbst beur­tei­len kön­nen, ob der Jah­res­ab­schluss in sei­nen Rah­men­aus­sa­gen kor­rekt ist und dem tat­säch­li­chen Geschäfts­ver­lauf ent­spricht. Die Recht­spre­chung hat ganz prak­ti­sche und weit rei­chen­de Fol­gen, z. B. bei der Beur­tei­lung einer Fort­set­zungs­pro­gno­se in der wirt­schaft­li­chen Kri­se der GmbH. Nach Auf­fas­sung des Gerichts, muss der Geschäfts­füh­rer auch den Ansatz der Bilan­zie­rungs­wer­te im Zusam­men­hang mit einer Fort­set­zungs­pro­gno­se kor­rekt beur­tei­len kön­nen, z. B., ob For­de­run­gen vom Steu­er­be­ra­ter kor­rekt akti­viert wur­den (hier: For­de­run­gen gegen nicht nach-schuss­pflich­ti­ge stil­le Gesellschafter).

In einem ande­ren Fall hat der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) zur Plau­si­bi­li­tät in Sachen Steu­er ent­schie­den .Danach muss der Geschäfts­füh­rer „die vom Steu­er­be­ra­ter erstell­ten Steu­er­erklä­run­gen auf Rich­tig­keit prü­fen“. Unter­lässt er das, muss er Steu­er­rück­stän­de einer zwi­schen­zeit­lich liqui­dier­ten GmbH aus der eige­nen Tasche zah­len (BFH, Urteil v. 28.8.2008, VII B 240/07). Im ent­schie­de­nen Fall hat­te der Geschäfts­füh­rer über­se­hen, dass ein grö­ße­rer Betrag (250.000 €) als umsatz­steu­er­freie Aus­fuhr­lie­fe­run­gen auf­ge­führt war. Dem Geschäfts­füh­rer – so das Gericht – hät­te das auf­fal­len müssen.

Aus haf­tungs­recht­li­chen Gesichts­punk­ten her­aus noch schwie­ri­ger zu beur­tei­len sind die oben genann­ten Bei­spie­le: Unter­neh­mens­zu­kauf, Abschluss von Lie­fer­ver­trä­gen, Tätig wer­den auf neu­en Geschäfts­fel­dern usw. Schließ­lich sind Sie es dann, der den Gesell­schaf­tern ent­spre­chen­de Geschäf­te vor­schlägt und im Ernst­fall auch den Kopf dafür hin­hal­ten muss. Sie sind also gut bera­ten, sich hier nicht nur auf eine Infor­ma­ti­on, eine Mei­nung oder einen Gut­ach­ter zu beru­fen. In kom­ple­xen Fäl­len sind Sie immer bes­ser bera­ten, wenn Sie sich eine Zweit-Mei­nung bzw. ein Zweit-Gut­ach­ten ein­ho­len – auch wenn damit Mehr­kos­ten ver­bun­den sind. Das gilt z. B. unbe­dingt, bei Anfra­gen nach Start­Up-Betei­li­gun­gen. Hier wird z. T. schon bei ver­meint­lich eta­blier­ten Invests (Out­fit­tery, HalloFresh) mit selbst erfun­de­nen Kenn­zah­len jon­gliert, denen man durch­aus schon betrü­ge­ri­schen Vor­satz unter­stel­len darf. Sol­chen Kon­struk­ten ist dann mit Plau­si­bi­li­tä­ten nicht mehr bei­zu­kom­men – hier ist gesun­des Miss­trau­en angebracht.

Res­sort ver­ant­wort­li­che Geschäfts­füh­rer ohne kauf­män­ni­sche Fach­aus­bil­dung (Pro­duk­ti­on, Mar­ke­ting, IT/Organisation) sind in der Regel ohne­hin nicht oder nur schwer­lich in der Lage, han­dels- und/oder steu­er­recht­li­che Beson­der­hei­ten fach­lich exakt zu beur­tei­len – sie sind in der Regel auf die Aus­füh­run­gen des Steu­er­be­ra­ters oder des Res­sort ver­ant­wort­li­chen Geschäfts­füh­rers ange­wie­sen. Wich­tig ist für die­se Geschäfts­füh­rer, dass sie „Infor­ma­tio­nen abho­len”, Ver­ständ­nis­fra­gen stel­len und die­se doku­men­tie­ren. Trai­nie­ren Sie Ihre Fähig­keit, Plau­si­bi­li­tä­ten abzu­lei­ten – z. B., indem Sie Zah­len schät­zen (Bilanz­sum­me, Umsatz, Ertrag, Kos­ten, Steu­ern, Unter­neh­mens­wer­te, Rech­nungs­be­trä­ge usw.) bevor Sie sich die schwarz-auf-weiß-Zah­len  anschauen.

 

Schreibe einen Kommentar