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Volkelt-Briefe

AG-Vorstand und GmbH-Geschäftsführer: Noch immer eine Zweiklassen-Gesellschaft

Pro­vo­zie­ren­de Fra­ge eines Kol­le­gen: „Kann einer allei­ne so viel Ver­ant­wor­tung tra­gen, dass er 10,3 Mio. EUR wert ist“? Gemeint war damit der ehe­ma­li­ge VW-Vor­stands­vor­sit­zen­de Mat­thi­as Mül­ler , des­sen Gehalts­an­spruch gera­de in Zei­ten von Die­sel­ga­te im gesell­schaft­li­chen Umfeld hef­tig dis­ku­tiert wur­de. Zwar hat der VW-Auf­sichts­rat zuletzt eine Gehalts-Ober­gren­ze von 10 Mio. EUR fest­ge­legt – aller­dings sind in der Ober­gren­ze weder Zuflüs­se zur Pen­si­ons­kas­se noch sons­ti­ge Neben­leis­tun­gen wie Dienst­vil­la, Fir­men­wa­gen samt Chauf­feur oder Flü­ge ein­ge­rech­net. Den­noch bleibt ein sol­cher Gehalts­an­spruch unter den kri­ti­sier­ten Bedin­gun­gen trotz Gewinn­sprung bei VW höchst umstrit­ten. …Zudem ist das Berech­nungs­sche­ma für das Gehalt eines Vor­stands-Vor­sit­zen­den einer bör­sen­no­tier­ten AG dank Boni, Akti­en­op­tio­nen und Prä­mi­en­an­wart­schaf­ten aus den Vor­jah­ren immer kom­pli­zier­ter gewor­den, so dass man in der Ver­gü­tungs-Bera­ter-Sze­ne in den letz­ten Jah­ren dazu über­ge­gan­gen ist, nicht mehr vom „Gehalts­an­spruch” aus­zu­ge­hen, son­dern den im Geschäfts­jahr tat­säch­lich auf dem Kon­to des Mana­gers zuge­flos­se­nen Betrag als Maß­stab für den Dritt­ver­gleich zugrun­de zu legen. Zum Ver­gleich: Daim­ler-Chef Die­ter Zet­sche ver­dien­te 2017 rund 13 Mio. EUR, BASF-Vor­stand Kurt Boch 11,0 Mio. EUR oder Joe Keser (Sie­mens) 10,8 Mio. Spit­zen­rei­ter in Deutsch­land ist SAP-Chef Bill McDer­mott mit 21,8 Mio. EUR.

Für Geschäfts­füh­rer in mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men bestimmt die Finanz­ver­wal­tung, wie viel sie ver­die­nen dür­fen. Im bör­sen­no­tier­ten Groß­un­ter­neh­men bestimmt der Umfang „der Ver­ant­wor­tung, die sie tra­gen“, wie viel ver­dient wird. So jeden­falls die mora­li­sche Argumentation.

Fakt ist: Im Manage­ment von Akti­en­ge­sell­schaf­ten bestimmt der Markt den Preis – sprich das Gehalts­ni­veau. Vor eini­gen Jah­ren (vgl. zuletzt Nr. 12/2013, 30/2012) wur­den hef­ti­ge Dis­kus­sio­nen dar­über geführt, wie mora­lisch die Mil­lio­nen-Gehäl­ter der Mana­ger sind. Lan­ge Zeit gab es so etwas wie eine Faust­re­gel, dass der 30-fache Ver­dienst eine Fach­ar­bei­ters als „mora­li­sche“ Ober­gren­ze ange­se­hen wur­de – in der glo­ba­li­sier­ten Wirt­schaft spielt das aber kaum noch eine Rolle.

Fakt ist auch: Für mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men – und ins­be­son­de­re für Unter­neh­men in der Rechts­form „GmbH“ – bestimmt der Staat – sprich das Finanz­amt – wie viel „Ver­ant­wor­tung“ der Geschäfts­füh­rer trägt. Sprich: Hier gilt der Dritt­ver­gleich. Es darf nur so viel gezahlt wer­den, wie in einem ver­gleich­ba­ren Unter­neh­men. Stich­wort: Das ange­mes­se­ne Gehalt. In einer Umfra­ge an die Ober­fi­nanz­di­rek­tio­nen (OFD) der Län­der wur­de unse­rer Redak­ti­on damals beschei­nigt: „Für Akti­en­ge­sell­schaf­ten sind uns kei­ne Fäl­le von vGA wegen über­höh­ter Gehalts­zah­lung an den Vor­stand mit Akti­en­be­sitz bekannt“. Oder: „Dazu gibt es kei­ne finanz­ge­richt­lich anhän­gi­gen Ver­fah­ren“.

Das stimmt de fac­to: Es gibt nicht ein Ver­fah­ren vor den Finanz­ge­rich­ten oder vor dem BFH, das sich mit der „Ange­mes­sen­heit des Mana­ger-Gehalts“ befasst und befass­te – auch nicht des Mana­gers mit zähl­ba­rem Akti­en­be­sitz – vie­le Mana­ger haben neben Fest­ge­halt und Tan­tie­me Anspruch auf Unter­neh­mens-Akti­en – sind also de fac­to Vor­stand und Anteilseigner.

Unse­re Ein­schät­zung: Offen­sicht­lich gibt es hier eine Ungleich­be­hand­lung von bör­sen­no­tier­ten Akti­en­ge­sell­schaf­ten und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men in der Rechts­form einer GmbH. Aus dem Fall VW/Müller wird aber auch deut­lich, dass feh­ler­haf­te weit rei­chen­de Ent­schei­dun­gen in kom­ple­xen Orga­ni­sa­tio­nen nicht von einer ein­zel­nen Per­son ver­ant­wor­tet wer­den, son­dern von der „Unter­neh­mens­kul­tur“ – die von vie­len geprägt wird, vom gesam­ten Manage­ment – bis hin in die zwei­te und drit­te Ebe­ne. Inso­fern darf man zu Recht die Fra­ge stel­len, wie viel Gehalt ver­dient wer­den kann. Ist das 30-fache des Min­dest­lohns die mora­li­sche Ober­gren­ze? Gibt es doch ein gewich­ti­ges Ungleich­ge­wicht zwi­schen Indus­trie- und Mit­tel­stands­po­li­tik? Was mei­nen Sie?

Seit eini­gen Jah­ren kön­nen wir fest­stel­len, dass die Zahl der ver­öf­fent­lich­ten finanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren zu ver­deck­ten Gewinn­aus­schüt­tun­gen wegen unan­ge­mes­sen hohem Geschäfts­füh­rer-Gehalt zurück­ge­gan­gen ist. Den­noch: Vie­les läuft hier hin­ter den ver­schlos­se­nen Türen der Finanz­be­hör­den – sei es, dass es zu einer ein­ver­nehm­li­chen Ver­stän­di­gung zwi­schen dem Betriebs­prü­fer und dem Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer der betrof­fe­nen GmbH geht. Oder sei es, dass die betrof­fe­nen Geschäfts­füh­rer beim monier­ten Gehalt klein bei­geben, weil die Erfolgs­aus­sich­ten vor Gericht gering sind oder weil der damit ver­bun­de­ne Auf­wand für die betrof­fe­nen Steu­er­zah­ler zu hoch ist bzw. die lan­ge Ver­fah­rens­dau­er (hier: vor den Finanz­ge­rich­ten bis zu 2 Jah­ren, bei Revi­si­on vor dem BFH 3 Jah­re und län­ger) abschreckt. Immer mehr Kol­le­gen ori­en­tie­ren sich aber auch an offi­zi­el­len Ver­gleichs­zah­len (BBE- oder Kien­baum-Gehalts­ver­gleich). Die Finanz­be­hör­den akzep­tie­ren in der Regel die dort aus­ge­wie­se­ne Gehalts­hö­he als „ange­mes­sen”.

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