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Volkelt-Brief 46/2015

Volkelt-FB-01Geschäfts­füh­rung 2015: „Das Hams­ter­rad dreht schnel­ler und die Tritt­stu­fen sind wei­ter aus­ein­an­der” + Cum-Ex-Geschäf­te: Zu hoch gepo­kert – jetzt wird nach­ge­zahlt + Hand­wer­ker-GmbHs: Kaum Pro­ble­me mit dem Gehalt + VW: Steil­vor­la­ge für ein neu­es Unter­neh­mens­straf­recht + Behör­den: Kaum noch Chan­cen gegen Fuhr­park-Rund­funk­ge­büh­ren +  Steu­er: Fünf­tel­re­ge­lung hat Vor­rang + Leih­ar­beit: Nach der Mit­be­stim­mung ist vor dem Kün­di­gungs­schutz + BISS

 

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Frei­burg 6. Novem­ber 2015

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

Das Rad dreht schnel­ler und der Abstand zwi­schen den Tritt­stu­fen ist grö­ßer gewor­den“. Mit die­sem anschau­li­chen Bild brach­te neu­lich ein Kol­le­ge die Fra­ge nach der Tätig­keit von Geschäfts­füh­rern in einem sich wan­deln­den Umfeld auf den knap­pen Nen­ner. Womit er Recht hat:

  • Unter­des­sen hat das Inter­net in fast allen Bran­chen das digi­ta­le Unter­neh­men geschaf­fen. Das gilt auch und ins­be­son­de­re für die Geschäfts­füh­rung. Dort wird mehr, schnel­ler und con­trol­ling-ori­en­tier­ter entschieden.
  • Die Ren­di­te-Ori­en­tie­rung hat deut­lich zuge­nom­men. Nur um einen Arbeits­platz zu haben, grün­det oder führt heu­te kei­ner mehr ein Unter­neh­men. Es muss sich rechnen.
  • Eine neue Start-Up-Kul­tur ermög­licht es, in kür­zes­ter Zeit Geschäfts­ideen mit profes­sioneller Beglei­tung in Erfolg ver­spre­chen­de Geschäfts-Model­le umzu­wan­deln und die­se mit dem nöti­gen Start­ka­pi­tal (Pri­vat-Equi­ty) auszustatten.
  • Die Ver­ant­wort­lich­keit der Geschäfts­lei­tung hat zuge­nom­men – Stich­wort: Com­pli­ance. Im Scha­dens­fall wird fast immer kon­se­quent nach­ge­hakt und in der Ver­gan­gen­heit nach Feh­lern der Geschäfts­füh­rung gesucht. Ob Insol­venz, Ver­si­che­rungs­fall oder Geset­zes­ver­stoß: Feh­ler sind zum exis­ten­zi­el­len Risi­ko für jeden Geschäfts­füh­rer geworden.
Außer­dem sind die jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen von Mit­ar­bei­ter in den letz­ten Jah­ren immer anspruchs­vol­ler gewor­den. Dabei ist die Erwar­tung an „pro­fes­sio­nel­les Manage­ment und ins­be­son­de­re pro­fes­sio­nel­les Füh­ren“ gestie­gen. Man tauscht sich über Füh­rung, über die Behand­lung als Arbeit­neh­mer und über The­men wie Moti­va­ti­on, Aner­ken­nung und Wert­schät­zung aus. Die posi­ti­ve Wir­kung von sozia­ler Kom­pe­tenz wird von vie­len Füh­rungs­kräf­ten mer unter­schätzt. Was in den meis­ten Fäl­len an einer fal­schen Ein­schät­zung der eige­nen Fähig­kei­ten liegt. Stich­wort: Bera­tungs­re­sis­tenz. Fazit: Geschäfts­füh­rung ist kom­ple­xer gewor­den. Wenn Alles gut läuft, lässt sich gut ver­die­nen. Aber auch das Risi­ko, im Hams­ter­rad zwi­schen den Tritt­stu­fen abzu­stür­zen, ist grö­ßer geworden.

Cum-Ex-Geschäfte: Zu hoch gepokert – jetzt wird nachgezahlt

Bei einem aus­ge­klü­gel­ten Drei­ecks-Ver­kauf von Akti­en­pa­ke­ten war es zwi­schen 2002 und 2011 mög­lich, dass 2 Steuer­bescheinigungen über die Zah­lung von Kapi­tal­ertrag­steu­er aus­ge­stellt wur­den. Mit dem Effekt, dass der Fis­kus die Kapi­tal­ertrag­steu­er bei der Steu­er­an­rech­nung zwei­mal zurück­er­stat­tet hat. Die­se sog. Cum-Ex-Geschäf­te (auch: Divi­den­den­strip­ping) ermög­lich­te eine unkla­re gesetz­li­che Vor­ga­be und eine unter­schied­li­che Hand­ha­bung die­ser Geset­zes­lü­cke durch die jewei­li­gen Finanzämter.

Erst seit der Geset­zes­än­de­rung in 2012 sind sol­che Geschäf­te tat­säch­lich gesetz­wid­rig. Cum-Ex-Geschäf­te, die bis zur Geset­zes­än­de­rung durch­ge­führt wur­den, sind aber nach einem Urteil des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) aus dem April 2014 eben­falls unzu­läs­sig (BFH, Urteil vom 16.4.2014, I R 2/12). Inzwi­schen hat die NRW-Finanz­ver­wal­tung eine Steu­er-CD aus der Schweiz erhal­ten, auf der die Daten über 50.000 sol­cher Cum-Ex-Geschäf­te auf­ge­zeich­net sind. Die Finanz­be­hör­den sind dem­nach also gewillt, die zuviel aus­ge­zahl­te Kapi­tal­ertrag­steu­er wie­der zurückzuholen.

Die Finanz­be­hör­den kön­nen sich im bes­ten Fall auf eine Mehr­ein­nah­me von bis 600 Mio. EUR freu­en. Mit dem Ankauf der CD spa­ren sich die Finanz­be­hör­den eine Men­ge „Büro­kra­tie“. Sie brau­chen Ein­zel­fäl­le nicht selbst anzu­zei­gen und zu ver­fol­gen. Danach soll­te es im auto­ma­ti­sier­ten Ver­fah­ren mög­lich sein, die dop­pelt aus­ge­zahl­te Kapi­tal­ertrag­steu­er per Bescheid im Sam­mel­ver­fah­ren zurückzuholen.

Handwerker-GmbHs: Kaum Probleme mit dem Gehalt

Die BBE-Media hat neu­es­te Zah­len zur Geschäfts­füh­rer-Ver­gü­tung vor­ge­legt. Wir haben die Zah­len für Hand­wer­ker-GmbHs etwas genau­er unter die Lupe genom­men. Besonderheiten:

  • Je nach Gewerk ist die Gehalts-Ent­wick­lung sehr unter­schied­lich. In ers­ter Linie liegt das dar­an, dass klei­ne­re Hand­wer­ker-GmbHs sehr stark von der Per­son des Geschäfts­füh­rers und dem jewei­li­gen Kun­den­stamm geprägt sind.
  • Inso­fern ist ein star­ker Ein­bruch (- 10,5 % im Seg­ment Metall/Maschinen) eben­so wenig signi­fi­kant wie die größ­te ver­zeich­ne­te Stei­ge­rung (+ 4,8 % im Seg­ment Den­tal­la­bor). Hier dürf­te die Daten­ba­sis nicht mehr hergeben.
  • Bei den Zah­len han­delt es sich um Durch­schnitts­zah­len. In der Pra­xis gibt es aber die unter­schied­lichs­ten Betriebs­grö­ßen – von der Kleinst-GmbH mit weni­ger als 500.000 € Umsatz bis zur Hand­wer­ker-GmbH mit 25 Mio. € und mehr Umsatz im Jahr. Den­noch ergibt sich aus den BBE-Zah­len ein Trend für 2015: Gegen­über dem Vor­jahr sind kei­ne nen­nens­wer­ten Abwei­chun­gen fest­zu­stel­len. Das Gesamt-Niveau ist zufrie­den stel­lend hoch bis sehr gut. Das deckt sich auch mit unse­ren Erfah­run­gen und den Gesprä­chen mit den Kol­le­gen. Hier die aktu­el­len Ver­gleichs­zah­len zur Gesamt­ver­gü­tung der Geschäfts­füh­rer im Handwerk:
Gewerk Gehalt 2014/2015 Gehalt 2013/2014 Dif­fe­renz
Elek­tro­in­stal­la­ti­on 138.000 € 126.000 € - 8,7 %
Gesund­heit 135.000 € 145.000 € - 6,9 %
Den­tal­la­bor 130.000 € 124.000 € + 4,8 %
Nah­rungs-/Ge­nuss­mit­tel 128.000 € 124.000 € + 3,2 %
Büro­elek­tro­nik 125.000 € 126.000 € - 0,8 %
Dru­cke­rei 123.000 € 125.000 € - 1,6 %
Stra­ßen-/Tief­bau 123.000 € 124.000 € - 0,9 %
Metall/Maschinen 122.000 € 134.000 € - 10,5 %
Bau­un­ter­neh­men 121.000 € 127.000 € - 4,8 %
Heizung/Sanitär/Klima 116.000 € 118.000 € - 1,7 %
Dach­de­cker 115.000 € 114.000 € + 0,8 %
Tischler/Ladenbau 114.000 € 109.000 € + 4,5 %
Bau­ne­ben­ge­wer­be 113.000 € 126.000 € - 10,4 %
Beträge auf volle Tausend gerundet. Quellen: BBE Media Gehaltsumfrage 2014/2015, eigene Analysen

Zusätz­li­che Ori­en­tie­rungs­hil­fe für die Geschäfts­füh­rer von Hand­wer­ker-GmbHs lie­fern die sog. Karls­ru­her Tabel­len – das sind die offi­zi­el­len Ver­gleichs­zah­len der Finanz­be­hör­den zur Ange­mes­sen­heits­prü­fung der Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter. Auch hier bestä­tigt der Blick in die Zah­len: Für klei­ne­re Hand­wer­ker-GmbHs mit einem Umsatz von bis zu 2,5 Mio. EUR hal­ten die Finanz­be­hör­den eine Spann­wei­te von 100.000 bis 150.000 € als Gesamt­ge­halt in der Regel für ange­mes­sen. Nur wer hier deut­lich nach oben aus­bricht muss damit rech­nen, dass eine ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung (vGA) unter­stellt wer­den kann. In Hand­wer­ker-GmbHs mit 2,5 bis 5 Mio. € Umsatz liegt das bezo­ge­ne Ver­gleichs­ge­halt bereits zwi­schen 140.000 und 190.000 €. In Hand­wer­ker-GmbHs mit 5 bis 25 Mio. € Umsatz liegt das bezo­ge­ne Ver­gleichs­ge­halt zwi­schen 180.000 € und 240.000 €. In Hand­wer­ker-GmbHs mit 25 bis 50 Mio. € Umsatz liegt das bezo­ge­ne Ver­gleichs­ge­halt zwi­schen 200.000 € und 360.000 € (Quel­le: OFD Karls­ru­he vom 4.3.2009, S 2742/84 – St 221 Karls­ru­her Tabel­len).

Die von der BBE-Media jetzt ermit­tel­ten Ver­gleich­zah­len bele­gen, dass in vie­len GmbHs längst nicht bis zu „Ange­mes­sen­heits­gren­ze“ ver­dient wird. Was im Ein­zel­fall auch Sinn macht, weil die Lohn­steu­er­be­las­tung für das Geschäfts­füh­rer-Gehalt z. B. bei 200.000 € schon rund 40 % beträgt.

VW: Steilvorlage für ein neues Unternehmensstrafrecht

Kein Unter­neh­mer möch­te Geset­ze ver­let­zen und nur weni­ge Geschäfts­mo­del­le sind dar­auf ange­legt, Ver­brau­cher zu täu­schen oder mit betrü­ge­ri­schen Ange­bo­ten Geld zu machen. So weit die Aus­gangs­si­tua­ti­on (vgl. Nr. 40/2015). Aber: Ob Woh­nungs­wirt­schaft, Ener­gie­märk­te oder Umwelt­vor­schrif­ten. Wird viel regu­liert, hat das Fol­gen auf Kos­ten und Gewinn­mar­gen. Wird die Ein­hal­tung der Regeln nicht kon­trol­liert, steigt der Anreiz zur Regel­über­tre­tung. Eine Bin­sen­weis­heit – nicht aber für den Gesetz­ge­ber. Im Fal­le VW bedeu­tet das: Dür­fen die die Ein­hal­tung von Nor­men selbst bestim­men, ist Miss­brauch pro­gram­miert. Das gilt über­all dort, wo Vor­schrif­ten durch Ver­fah­ren und Zer­ti­fi­ka­te, nicht aber durch phy­si­sche Vor-Ort-Kon­trol­len durch­ge­führt wer­den. Bei­spie­le: Öko-Zer­ti­fi­ka­te, TÜV-Zer­ti­fi­ka­te (Sili­kon-Betrug), Finanz-Pro­duk­te usw..

Der Zusam­men­hang zwi­schen Vor­schrift und Kon­trol­le taugt aller­dings nicht als Aus­re­de gegen fak­ti­sche Geset­zes­ver­stö­ße. Straf­ver­fah­ren gegen den Vor­stand, Vor­stän­de oder ver­ant­wort­li­che Per­so­nen durch die Staats­an­walt­schaft sind der­zeit noch offen. Abzu­se­hen ist aber, dass die VW-Affä­re Was­ser auf die Müh­len der Befür­wor­ter eines Unter­neh­mens­straf­rechts ist (vgl. zuletzt Nr. 31/2015). Ers­te Initia­ti­ven dahin gibt es bereits. Das Bun­des­land NRW hat dazu in 2014 einen ers­ten Gesetz­ent­wurf vor­ge­legt, der unter der Gro­ßen Koali­ti­on kei­ne Aus­sich­ten auf Umset­zung hat (Gesetz zur Ein­füh­rung der straf­recht­li­chen Ver­ant­wort­lich­keit von Unter­neh­men und sons­ti­gen Ver­bän­den). Das könn­te sich unter einer Rot-Grü­nen-Koal­ti­on aber schnell ändern.

Kaum noch Chancen gegen Fuhrpark-Rundfunkgebühren

Jetzt ist auch das letz­te grö­ße­re Auf­bäu­men gegen die neue Rund­funk­ge­büh­ren­ord­nung geschei­tert. Der Auto­ver­mie­ter Sixt AG woll­te zuletzt gericht­lich prü­fen las­sen, ob es zuläs­sig ist, dass für jedes der 91.000 Fahr­zeu­ge und für jede der 500 Betriebs­stät­ten auch zwangs­läu­fig Rund­funk­ge­büh­ren gezahlt wer­den müs­sen (Baye­ri­scher Ver­wal­tungs­ge­richts­hof, Urteil vom 27.5.2015, 7 Bv 15.344).

Das Urteil betrifft alle Fir­men, die einen Fuhr­park unter­hal­ten und für jedes mit Radio aus­ge­stat­tet Fahr­zeug Rund­funk­bei­trä­ge zah­len. Das Gericht hat Revi­si­on zuge­las­sen. Sixt ist gewillt, bis zum Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt durchzustreiten.

Steuer: Fünftelregelung hat Vorrang

Der ermä­ßig­te Steu­er­satz für Betriebs­auf­ga­be­ge­win­ne muss von den Finanz­be­hör­den auch dann zugrun­de gelegt wer­den, wenn ein Teil des Ver­äu­ße­rungs­er­lö­ses aus der Kapi­tal­ge­sell­schaft in eine (steu­er­be­frei­te) Rück­la­ge in einem Per­so­nen­un­ter­neh­men ein­ge­stellt wird. Die Anwen­dung der sog. Fünf­tel­re­ge­lung wird damit nicht aus­ge­schlos­sen. Eine Dop­pel­be­güns­ti­gung liegt nach Auf­fas­sung des Gerich­tes nicht vor (Finanz­ge­richt Müns­ter, Urteil vom 23.9.2015, 10 K 4079/14 F).

Die Müns­te­ra­ner Rich­ter haben Revi­si­on zuge­las­sen. Wir gehen davon aus, dass die Finanz­be­hör­den das nicht so ste­hen las­sen und eine Revi­si­on vor dem BFH anstre­ben – aller­dings nach unse­rer Auf­fas­sung mit gerin­gen Erfolgsaussichten.

Leiharbeit: Nach der Mitbestimmung ist vor dem Kündigungsschutz

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat ent­schei­den, dass Leih­ar­beit­neh­mer bei der Anwen­dung der Mit­be­stim­mung (ab 8.000 Mit­ar­bei­ter wer­den Auf­sichts­rä­te nach dem Dele­gier­ten-Wahl­ver­fah­ren gewählt) mit­zäh­len (BAG, Beschluss vom 4.11.2015, 7 ABR 42/13).

Immer noch nicht ein­heit­lich ist die Sicht­wei­se der Arbeits­ge­rich­te in Sachen Kün­di­gungs­schutz und Leih­ar­bei­ter. Aller­dings soll­ten Sie im Ein­zel­fall beach­ten, dass ein­zel­ne Arbeits­ge­rich­te ein­ge­setz­te Leih­ar­beit­neh­mer bei der Berech­nung der 10-Mit­ar­bei­ter-Schwel­le mit­zäh­len. Hier sind Sie gut bera­ten, wenn Sie vor einer Kün­di­gung zunächst eine auf Dau­er ange­leg­te Leih­ar­beit been­den (so z. B. BAG, Urteil vom 24.1.2013, 2 AZR 140/12).

 

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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