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Volkelt-Brief 43/2016

Volkelt-FB-01Unter­neh­mer-Ant­wort: Glei­che Leis­tung für glei­chen Lohn – Prü­fen Sie Ihr Ver­gü­tungs­mo­dell + Kri­sen-Sze­na­rio: Angst ist kein Rat­ge­ber für Unter­neh­mer + Ter­min­sa­che: Letz­te Frist für den Jah­res­ab­schluss 2015 + Füh­rungs­auf­ga­be: Reden gegen den Still­stand + Steu­er: FG lässt Vor­steu­er­ab­zug trotz Feh­ler-Rech­nung zu + Mit­ar­bei­ter: Belei­di­gun­gen mit Emo­ti­cons + BISS

 

 

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Frei­burg 21. Okto­ber 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

die meis­ten Kol­le­gen, mit denen ich über das jetzt ange­kün­dig­te Lohn­gleich­heits­ge­setz gespro­chen habe, sind ent­setzt. Zum einen, weil sie das als einen unzu­läs­si­gen Ein­griff in ihre Ver­trags­frei­heit betrach­ten. Und, weil jetzt auch schon Unter­neh­men ab 200 und mehr Mit­ar­bei­tern (bis­her geplant: 500) von den neu­en gesetz­li­chen Vor­schrif­ten betrof­fen sein wer­den. Ganz prag­ma­tisch aber auch des­we­gen, weil Mit­ar­bei­ter, die jetzt schon zu glei­chen Löh­nen ein­ge­stuft sind, nicht unbe­dingt die glei­chen Leis­tun­gen brin­gen. Was tun?

Sicher­lich wird es noch eini­ge Zeit dau­ern, bis die­ses gesetz­li­che Vor­ha­ben auf den Weg gebracht ist. Womög­lich ent­puppt sich das Gan­ze als vor­wahl­kampf­mä­ßi­ges Getue. Den­noch: Je nach Regie­rungs­wech­sel (Rot/Rot/Grün) kann eine Umset­zung in 2017 sehr schnell kom­men. Dar­auf soll­ten Sie vor­be­rei­tet sein, wenn Ihr Unter­neh­men zu den betrof­fe­nen (> 200 Mit­ar­bei­ter) gehört. Um glei­chen Lohn für glei­che Leis­tung (equal pay) aus Unter­neh­mer­sicht zu rea­li­sie­ren, müs­sen Sie umor­ga­ni­sie­ren: Weg von der Bezah­lung nach Arbeits­zeit zur Bezah­lung nach Leis­tung. Dazu müs­sen objek­ti­ve Leis­tungs­an­for­de­run­gen (Stück­zah­len, Umsät­ze, Ver­trags­ab­schlüs­se usw.) defi­niert wer­den. Und zwar in allen betrieb­li­chen Berei­chen, in denen das mög­lich ist. Das bedeu­tet auch Ver­än­de­run­gen der Pro­zes­se bzw. der Ablauforganisation.

Haben die Mit­ar­bei­ter Anspruch auf Aus­kunft über die Löh­ne, wird das nicht nur zusätz­li­chen büro­kra­ti­schen Auf­wand, son­dern auch mehr Unru­he und latent stei­gen­de Lohn­­kosten brin­gen. Geeig­ne­te Maß­nah­men sind: Aus­grün­dung von Unter­neh­mens­tei­len auf selb­stän­di­ge (Toch­­­ter-) Unter­neh­men, Ver­la­ge­rung von Tätig­kei­ten auf freie Mit­ar­bei­ter oder Free­lan­cer, Leih­ar­beit­neh­mer usw., und eine gene­rel­le Umstel­lung der Ver­gü­tung auf Grund­lohn und leis­tungs­be­zo­ge­ne Ver­gü­tungs­be­stand­tei­le (Prä­mi­en, Umsatz- und/oder Gewinn­be­tei­li­gung). Fazit: Glei­che Leis­tung bei glei­chem Lohn.

Krisen-Szenario: Angst ist kein Ratgeber für Unternehmer

Wer regel­mä­ßig die Medi­en ver­folgt, liest der­zeit selbst in den Eta­blier­tes­ten Über­schrif­ten wie: Angst vor der nächs­ten Kri­se (HB), Was wird aus der Ren­te(FAZ) oder Das End­spiel der Ban­ken­kri­se hat begon­nen (Deut­sche Wirt­schafts­nach­rich­ten). Die Stim­mung unter den Kol­le­gen ist aller­dings deut­lich gelas­se­ner. Der IfO-Gschäfts­­kli­ma-Index erreich­te zuletzt mit 109,5 Punk­ten einen Jah­res-Höchst­stand (vgl. Nr. 41/2016). Selbst die Bun­des­re­gie­rung kor­ri­gier­te das deut­sche Wachs­tums­po­ten­ti­al für 2016 um 0,1% auf 1,8 % nach oben. Die kon­junk­tu­rel­len Eck­da­ten für die deut­sche Wirt­schaft sind gut. Den­noch: Auf­ge­scho­ben ist nicht auf­ge­ho­ben. Eini­ge Kri­sen­her­de haben es in sich:

  1. EU-Finan­zen: Weder die grie­chi­sche Kri­se noch die Ver­schul­dungs- und Wachs­tums­kri­sen der süd­eu­ro­päi­schen Län­der sind unter Kon­trol­le. Bereits eine gering­fü­gi­ge Er­höhung des Zins­ni­veaus kann den Kol­laps einleiten.
  2. Finanz­wirt­schaft: Die nied­ri­gen Zin­sen machen Ban­ken und Ver­si­che­run­gen zu schaf­fen. Neue Geschäfts­mo­del­le sind nicht in Sicht. Die EZB sieht kei­nen Hand­lungs­be­darf – auch um die maro­den Staats­fi­nan­zen zu schonen.
  3. Infra­struk­tur: In vie­len Städ­ten und Regio­nen ist der Ver­kehrs­kol­laps All­tag. Anspruch und Wirk­lich­keit beim Breit­band-Aus­bau lie­gen aus­ein­an­der und wer­den immer mehr zum Wett­be­werbs­nach­teil für ein­zel­ne Regionen.
  4. Mobi­li­tät: Die deut­sche Wirt­schaft lebt vom Auto. Der Umstieg auf Elek­tro-Mobi­li­tät belas­tet jetzt schon vie­le mit­tel­stän­di­sche Zulie­fe­rer. Die meis­ten müs­sen ihren Platz in den neu­en Tech­no­lo­gie-Lie­fer­ket­ten erst noch finden.
  5. Ener­gie­kos­ten: Die Rech­nung für den Umstieg auf die erneu­er­ba­ren Ener­gien und neue Net­ze ist noch nicht gemacht. Exper­ten rech­nen mit­tel­fris­tig mit stark stei­gen­den Prei­sen (CO2-Zuschlag) – auch für die Wirt­schaft (ab 2020).
  6. Arbeits­kos­ten: Der Wett­be­werb um immer weni­ger Arbeits­kräf­te und die stei­gen­den Kos­ten für Krank­heit und Ren­ten erhö­hen per­ma­nent den Druck auf die Lohn- und Lohnnebenkosten.
  7. Dazu kom­men die wirt­schaft­li­chen Risi­ken aus den Glo­ba­len Märk­ten, z. B. die tat­säch­li­chen Wir­kun­gen des Brexit oder die Ent­wick­lung in Chi­na. Auch poli­ti­sche Ent­wick­lun­gen (ara­bi­sche Welt, Bra­si­li­en, Argen­ti­ni­en, Russ­land) sind nicht aus­ge­stan­den. Auch die Wah­len in den USA und Deutsch­land dürf­ten aus Unter­neh­mer­sicht noch eini­ges Über­ra­schungs­po­ten­ti­al ent­hal­ten. Als Unter­neh­mer sind Sie es gewohnt, mit Unbe­kann­ten zu leben und zu arbeiten.
Nach den der­zei­ti­gen Pro­gno­sen für die Bun­des­tags­wahl 2017 kön­nen Unter­neh­mer davon aus­ge­hen, dass ten­den­zi­ell mehr für eine Fort­set­zung der Gro­ßen Koali­ti­on als für eine Mehr­heit von Rot/Rot/Grün spricht. Vor­teil aus Unter­neh­mer­sicht: Mit wirk­lich unlieb­sa­men Über­ra­schun­gen (Ver­mö­gens­steu­er, Belas­tung des Spit­zen­steu­er­zah­ler) müs­sen Sie dann nicht rech­nen. Nach­teil: Die Mehr­heit einer neu­en Gro­ßen Koali­ti­on könn­te eine Reform der Ren­ten­ver­si­che­rung anpa­cken und beschlie­ßen – mit wei­ter stei­gen­den Bei­trä­gen zu den Sozi­al­kas­sen und weit rei­chen­den finan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen auch für Gesell­schaf­ter-Ge­­schäfts­­­füh­rer (vgl. Nr. 41/2016). Als Geschäfts­füh­rer sind Sie gefor­dert, mit Rea­lis­mus zu agieren.

Terminsache: Letzte Frist für den Jahresabschluss 2015

Klei­ne GmbHs haben noch 6 Wochen Zeit, den Gesell­schaf­tern der GmbH den Jah­res­ab­schluss für das abge­lau­fe­ne Geschäfts­jahr 2015 vor­zu­le­gen, die­sen fest­stel­len und beschlie­ßen zu las­sen (Frist: 30.11.2016 gemäß § 42a GmbH-Gesetz). Für Sie als Geschäfts­füh­rer ist zusätz­lich wich­tig: Las­sen Sie den Beschluss über Ihre Ent­las­tung fas­sen. Pla­nen Sie die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung recht­zei­tig und fas­sen Sie alle Beschluss for­mal kor­rekt. Das bedeutet:

  • Als Geschäfts­füh­rer sind Sie dafür ver­ant­wort­lich, dass die Frist zur Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses ein­ge­hal­ten wird. Dazu muss der Ter­min für die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung spä­tes­tens in der 48. Kalen­der­wo­che lie­gen. Defi­ni­tiv letz­ter Werk­tag ist Mon­tag, der 30. November.
  • Für die Ein­la­dung zur Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung gilt die Frist von 1 Woche, wenn der Gesell­schafts­ver­trag nichts ande­res bestimmt. Danach ergibt sich fol­gen­de Frist­be­rech­nung: Spä­tes­ter Ver­sand­tag der Ein­la­dung zur Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung: Sams­tag 19. Novem­ber. (Zustel­lung + Sonn­tag + 2 Tage): 22.11. Wochen­frist (+ 7 Tage ab Zugang). Tag der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung am nächs­ten Tag: Mitt­woch 30.11.2016).

Die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung gilt nur dann als ord­nungs­ge­mäß ein­be­ru­fen, wenn den Gesell­schaf­tern die Tages­ord­nung voll­stän­dig mit­ge­teilt wird. Für die TOPs der Gesellschafter­versammlung sind die­se For­mu­lie­run­gen üblich:

  1. Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses des Jah­res 2015 (Gewinn- und Ver­lust­rech­nung, Bilanz, Lage­be­richt, Anhang)
  2. Beschluss über die Gewinn­ver­wen­dung (Aus­schüt­tung an die Gesell­schaf­ter bzw. Ein­stel­lung in Rück­la­gen) und
  3. Beschluss der Gesell­schaf­ter über die Ent­las­tung der Geschäftsführer.
Wir emp­feh­len die exak­te Ein­hal­tung der Ter­mi­ne für alle Fäl­le, in denen es mit den Gesell­schaf­tern zu Unstim­mig­kei­ten kom­men kann, z. B. bei Fami­li­en­ge­sell­schaf­ten mit kon­kur­rie­ren­den Fami­li­en oder bei GmbHs mit unter­schied­li­chen Inter­es­sen der Gesell­schaf­ter, z. B. Kapi­tal­an­le­gern. Aber auch GmbHs mit Fremd-Geschäfts­füh­rern ohne Betei­li­gung an der GmbH ist eine kor­rek­te Umset­zung der for­ma­len Vor­schrif­ten anzu­ra­ten. Nur wenn der Beschluss über die Ent­las­tung der Geschäfts­füh­rung durch­ge­setzt wird, ist sicher­ge­stellt, dass kei­ne Ersatz­an­sprü­che gegen den Geschäfts­füh­rer gel­tend gemacht werden.

Führungsaufgabe: Reden gegen den Stillstand

Als Chef reden Sie mit Ihren Mit­ar­bei­tern. Täg­lich über die ope­ra­ti­ven Geschäf­te. Fei­er­abends über Pri­va­tes, übers Wohl­be­fin­den oder über Lebens­si­tua­tio­nen. Ein­mal jähr­lich oder sogar öfter über die Zie­le Ihres Unter­neh­mens. Über quan­ti­fi­zier­ba­re Ziel­ver­ein­ba­run­gen – über Umsät­ze oder die Anzahl der Kun­den­be­su­che. Auch über qua­li­ta­ti­ve Zie­le muss man mit den Mit­a­bei­tern reden. Also z. B. dann, wenn der Mit­ar­bei­ter sein bestimm­tes Know-how ver­bes­sern soll, wenn neue Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren ges­tes­tet wer­den sol­len oder wenn das Mar­ke­ting stra­te­gisch neu aus­ge­rich­tet wird.

Schwie­ri­ger wird es, wenn Sie über Ihre unter­neh­me­ri­sche Visi­on reden. Aber – glau­ben Sie mir – auch dar­über kann man mit den Mit­ar­bei­tern reden. Dabei wer­den Sie nur all­zu oft fest­stel­len, dass sol­che Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che Ihnen mehr brin­gen als dem Mit­ar­bei­ter. Das Reden dar­über trägt dazu bei, dass sich Ihre Vor­stel­lun­gen von der Zukunft Ihres Unter­neh­mens stän­dig kon­kre­ti­sie­ren und prä­zi­sie­ren. Ach­ten Sie aber dar­auf, dass das Reden dar­über nicht im Mono­log endet. Da hilft nur die Neu­gier dar­auf zu wis­sen, was die Mit­ar­bei­ter von Ihren Ideen halten.

Erfolg­rei­che Unter­neh­mer, die die „Kom­mu­ni­ka­ti­on im Unter­neh­men“ kon­se­quent anwen­den, wis­sen, dass es irgend­wann für jeden Mit­ar­bei­ter die­sen Punkt gibt, ab dem er anfängt „mit­zu­den­ken“. Vor­aus­set­zung: Prak­ti­zier­te Bei­spie­le am Arbeits­platz. Sie sind gefor­dert. Ihr Ziel erreicht haben Sie aber erst, wenn die Mit­ar­bei­ter selbst und unter­ein­an­der über die Visi­on, die Stra­te­gie und über die quan­ti­fi­zier­ba­ren Ziel­ver­ein­ba­run­gen aus dem Tages­ge­schäft reden, Feed­back geben und Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge machen. Bis dahin müs­sen Sie Vor­bild sein im „Reden“.

Steuer: FG lässt Vorsteuerabzug trotz Fehler-Rechnung zu

Stellt Ihnen eine Brief­kas­ten­fir­ma einen Rech­nungs­be­trag inkl. Vor­steu­er in Rech­nung und wird die­se vom Finanz­amt nicht aner­kannt, ist die Vor­steu­er nicht ver­lo­ren. Laut Finanz­ge­richt ist ein Vor­steu­er­ab­zug aber mög­lich (FG Baden-Würt­tem­berg, Urteil vom 21.4.2016, 1 K 1148/14).

Der aus­län­di­sche Lie­fe­rant hat­te Rech­nun­gen unter der Anschrift eines inlän­di­schen Rechts­an­walts­bü­ros erstellt. Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) wird den Sach­ver­halt noch­mals prü­fen (Akten­zei­chen: V R 28/16). Erwar­tet wird eine end­gül­ti­ge Klä­rung der Fra­ge der „voll­stän­di­gen Anschrift“ durch den Euro­päi­schen Gerichts­hof (EuGH). Das kann aller­dings dauern.

Mitarbeiter: Beleidigungen mit Emoticons

Belei­digt ein Mit­ar­bei­ter sei­nen Vor­ge­setz­ten (Geschäfts­füh­rer) auf sei­nem öffent­li­chen Face­book-Account mit Emo­ti­cons (Bild­zei­chen, die Stim­mungs- und Gefühls­zu­stän­de aus­drü­cken), kann das eine frist­lo­se Kün­di­gung recht­fer­ti­gen. Auf der siche­ren Sei­te sind Sie, wenn Sie zunächst abmah­nen und erst bei der nächs­ten Ver­un­glimp­fung kün­di­gen (Landes­arbeitsgericht Baden-Würt­tem­berg, Urteil vom 22.6.2016, 4 Sa 5/16).

Das Gericht bil­ligt den Mit­ar­bei­tern auf Face­book aus­drück­lich einen grö­ße­ren Dar­stel­lungs-Spiel­raum ein – auch wenn es um den Aus­druck von Ver­är­ge­rung oder Wut geht. Dazu: „In den Sozia­len Netz­wer­ken wird deut­lich hef­ti­ger vom Leder gezo­gen“. Wir emp­feh­len vor­beu­gend zu han­deln und Miss­brauch zunächst schrift­lich abzumahnen.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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