Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 37/2013

Volkelt-BriefThe­men heu­te : Der Fall „Prak­ti­ker” – zu Tode bera­ten – ken­nen Sie das? + Stra­te­gi­sche Pla­nung: Neu­er Anlauf für ein­heit­li­che Euro­pa-Ein­per­so­nen-GmbH Ver­kaufs-Ver­hand­lun­gen: Wie Sie die Zukunft Ihrer GmbH ins rech­te Licht rücken Per­so­nal-Ange­le­gen­hei­ten: XING wird immer wich­ti­ger für geziel­tes Per­so­nal-Recrui­ting + GmbH-Recht: „Durch-num­me­rier­te” GmbHs sind nicht zu bean­stan­den + Geschäfts­füh­rer pri­vat: Flug ver­passt – Deutsch­land muss zah­len + BISS

Download-Button

 

 

 Nr. 37/2013 vom 14.9.2013

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

zu Tode bera­ten“. So die Ein­schät­zung nicht weni­ger Exper­ten zur Insol­venz der Prak­ti­ker-Märk­te. Es gibt schwer­wie­gen­de Vor­wür­fe gegen Vor­stand und Auf­sichts­rat (vgl. Capi­tal Nr. 9/2013). Fakt ist: In den Kri­sen­jah­ren seit 2011 hat der Kon­zern ins­ge­samt 175 Mio. EUR auf dem Kapi­tal­markt für die Sanie­rung auf­ge­nom­men. Davon flos­sen rund 80 Mio. EUR direkt in die Taschen der Bera­tungs­un­ter­neh­men Fresh­fields, Roland Ber­ger, Bos­ton Con­sul­ting Group und McK­in­sey. Nach­träg­li­che Ein­sicht des Vor­stand­vor­sit­zen­den: „Die Akti­on 20 % auf Alles hat uns das Genick gebro­chen“Da hät­te man auch ohne auf­wän­dige exter­ne Bera­tung drauf kom­men kön­nen.

In der Tat han­delt es sich wohl um einen wei­te­ren Fall von Inter­es­sen­ver­qui­ckung zwi­schen Bera­tungs-Dienst­leis­tern und Manage­ment. Wie schon in den Fäl­len Märk­lin (Bera­ter Alix & Part­ner, vgl. Nr. 2/2012) oder Kun­ert (Bera­ter Alix & Part­ner, vgl. Nr. 34/2008) und eini­gen ande­ren spek­ta­ku­lä­ren Fäl­len bleibt der Ein­druck von Miss-Manage­ment und Berei­che­rung. Auch wenn das in den anschlie­ßen­den gericht­li­chen Ver­fah­ren gegen Vor­stand, Geschäfts­füh­rung und Auf­sichts­gre­mi­en nie ding­fest gemacht wer­den konn­te. Wer die Bericht­erstat­tung in den Wirt­schafts-Medi­en regel­mä­ßig ver­folgt, weiß auch, dass vie­le der ande­ren gro­ßen Bera­tungs-Dienst­lei­ter (sie­he oben) auch immer wie­der in undurch­sich­ti­ges Finanz­ge­ba­ren ver­wi­ckelt sind.

Für die Pra­xis: Für die meis­ten Kol­le­gen, die klei­ne­re bis mit­tel­gro­ße GmbHs füh­ren, sind die oben genann­ten Zah­len zwar astro­no­misch. Aber auch hier kennt man das Phä­no­men der „Über­be­ra­tung“ –  also die Angst davor, dass einem exter­ne Bera­ter das „Heft des Han­delns aus der Hand neh­men“. Dabei gilt: Kei­ne Bera­tung ohne per­sön­lich nach­ge­prüf­te Refe­ren­zen. Und zwar nicht nur per tele­fo­ni­scher Kurzaus­kunft, son­dern im aus­führ­li­chen Erfah­rungs­aus­tausch. Zusätz­li­che Ideen, Impul­se und Lösun­gen gibt es in der Regel immer auch von den eige­nen Mit­ar­bei­tern. In der Regel weiß die Geschäfts­füh­rung auch, wer dafür in Fra­ge kommt. Es liegt an Ihnen, die ent­spre­chen­den Pro­jekt­grup­pen mit erfah­re­nen und enga­gier­ten Mit­ar­bei­tern aufzurüsten.

Strategische Planung: Neuer Anlauf für einheitliche Europa-Einpersonen-GmbH

Nach dem (kläg­li­chen) Schei­tern einer ein­heit­li­chen euro­päi­schen „GmbH“ (hier: SPE = Socie­tas Pri­vata Euro­paea) hat die EU-Kom­mis­si­on jetzt einen neu­en Vor­stoß in Sachen ein­heit­li­ches Gesell­schafts­recht für klei­ne­re und mit­tel­gro­ße Unter­neh­men auf den Weg gebracht. Ziel ist eine ein­heit­li­che haf­tungs­be­schränk­te Rechts­form für Ein­per­so­nen-Gesel­l­­schaf­ten, die eine Num­mer klei­ner als die Euro­pa-AG aus­fällt und spe­zi­ell auf klei­ne­re Unter­neh­men oder die Grün­dung von Toch­ter­ge­sell­schaf­ten zuge­schnit­ten ist. Also wenig Auf­wand (schnel­le und unbü­ro­kra­ti­sche Grün­dung), wenig Eigen­ka­pi­tal (1 €) und deut­lich weni­ger Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten als z. B. nach dem deut­schen Recht für Unter­neh­men mit mehr als 10 Mit­ar­bei­tern vor­ge­schrie­ben sind.

Durch­set­zen wol­len die EU-Behör­den die neue Rechts­form mit einem Trick. Die Umset­zung der SPE schei­ter­te, weil die­se ein­stim­mig beschlos­sen wer­den muss­te. Die „Sin­gle Mem­ber Com­pa­ny“ (SMC) kann mit einer qua­li­fi­zier­ten Mehr­heit beschlos­sen werden.

Für die Pra­xis: Auch wenn die Büro­kra­tie mit der neu­en Rechts­form nur sehr schlep­pend vor­an­kommt: Für klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men, die über die natio­na­len Gren­zen hin­aus tätig wer­den, bedeu­tet eine sol­che ein­heit­li­che Rechts­form eine enor­me orga­ni­sa­to­ri­sche und kos­ten­mä­ßi­ge Erleich­te­rung. Wün­schens­wert wäre, wenn bei die­sem Ver­such die Bun­des­re­gie­rung mit­zie­hen wür­de und nicht wie­der den Blo­ckie­rer spielt.

Verkaufs-Verhandlungen: Wie Sie die Zukunft Ihrer GmbH ins rechte Licht rücken

Ob Ban­ken, pri­va­te Inves­to­ren oder Geschäfts­part­ner für neue Pro­jek­te: Außer einer guten Bilanz erwar­ten Ihre Geschäfts­part­ner, dass Sie die gesam­te Zukunfts­per­spek­ti­ve Ihrer GmbH trans­pa­rent machen. Gro­ße GmbHs ver­öf­fent­li­chen die­se Fak­ten im Anhang zum Geschäfts­be­richt. Als Geschäfts­füh­rer einer klei­ne­ren oder mit­tel­gro­ßen GmbH soll­ten Sie sich an der in der Pra­xis bewähr­ten Dar­stel­lungs­form ori­en­tie­ren. Üblich ist die fol­gen­de Gliederung:

  1. Anga­ben zum Geschäfts­ver­lauf der GmbH: Bei der Beschrei­bung des Geschäfts­ver­laufs soll dar­ge­stellt wer­den, wie sich die GmbH im Lau­fe des Geschäfts­jah­res ent­wi­ckelt hat und wel­che Umstän­de zu die­ser Ent­wick­lung geführt haben. Dazu bie­tet es sich an, zunächst einen all­ge­mei­nen Über­blick über die His­to­rie der GmbH zu geben, wobei auch die Geschäfts­fel­der der GmbH auf­ge­führt wer­den soll­ten. In die­sen kur­zen all­ge­mei­nen Über­blick kön­nen auch gesamt­wirt­schaft­li­che Rah­men­da­ten des Geschäfts­jah­res mit ein­be­zo­gen wer­den. Anschlie­ßend ist dann über den kon­kre­ten Ablauf des Geschäfts­jah­res zu infor­mie­ren, wobei es z. B. mög­lich ist, sich an den ein­zel­nen Schrit­ten der Leis­tungs­er­stel­lung in der GmbH zu orientieren.
  2. Anga­ben zur Lage der GmbH: Anga­ben zur Lage der GmbH bezie­hen sich vor allem auf deren Vermögens‑, Finanz- und Ertrags­la­ge. Sach­lo­gisch schlie­ßen die­se Anga­ben unmit­tel­bar an die Ent­wick­lung im vor­an­ge­gan­ge­nen Geschäfts­jahr an.
  3. Anga­ben zu Vor­gän­gen von beson­de­rer Bedeu­tung nach Schluss des Geschäfts­jah­res: Die­se Anga­ben betref­fen Vor­gän­ge, die zwi­schen dem Abschluss­stich­tag und dem Zeit­punkt der Bericht­erstat­tung ein­ge­tre­ten sind. Dabei ist nur auf wesent­li­che Vor­gän­ge ein­zu­ge­hen, die z. B. für die Beur­tei­lung der Exis­tenz der GmbH und für ihre zukünf­ti­gen Erfolgs­aus­sich­ten erheb­lich sind.
  4. Anga­ben zur vor­aus­sicht­li­chen Ent­wick­lung der GmbH: Auch hier schreibt das Gesetz nicht vor, wel­che Anga­ben im Ein­zel­nen zu machen sind. Daher kommt es auf die Ein­schät­zung der Geschäfts­füh­rung an, wie die künf­ti­ge Ent­wick­lung der GmbH  gese­hen wird. Die­se Pro­gno­se kann sich auf fol­gen­de Berei­che bezie­hen: die Ent­wick­lungs­ten­den­zen inner­halb der GmbH, z. B. hin­sicht­lich Pro­duk­ti­on, Absatz, Per­so­nal, Fer­ti­gungs­an­la­gen, For­schung und Ent­wick­lung oder auf die Ent­wick­lungs­ten­den­zen außer­halb der GmbH, z. B. auf Absatz- und Beschaf­fungs­märk­ten usw.
  5. Anga­ben zu For­schung und Ent­wick­lung: Die­se kön­nen sich dar­auf bezie­hen, wel­che For­schungs­ein­rich­tun­gen die GmbH unter­hält, wie vie­le Mit­ar­bei­ter in die­sem Bereich ein­ge­setzt wer­den und mit wel­chen Ziel­set­zun­gen die For­schung und Ent­wick­lung betrie­ben wird. Anga­ben über die Höhe der Auf­wen­dun­gen für For­schung und Ent­wick­lung sind nicht erforderlich.

Personal-Angelegenheiten: XING wird immer wichtiger für gezieltes Personal-Recruiting

Laut Social Media Report prü­fen 59 % der Unter­neh­men die Online-Repu­­ta­ti­on eines Bewer­bers. 18 % der Per­so­nal­ab­tei­lun­gen nut­zen einen Twit­ter-Account. 53 % der Unter­neh­men haben ihr Bud­get für Social Media in den letz­ten Jah­ren lau­fend erhöht (zu Las­ten von Anzei­gen in Zei­tun­gen, Head­hun­tern und Per­so­nal­be­ra­tern) und 45 % der Unter­neh­men inves­tie­ren immer mehr Geld in ihre Kar­rie­re-Web­sei­ten. Auch das Busi­ness-Por­tal XING mel­det für das ers­te Halb­jahr 2013 einen um 43 % stei­gen­den Umsatz aus den ent­spre­chen­den Per­so­nal-Akqui­se-Ange­bo­ten.

Was für eine Rol­le spie­len Sozia­le Netz­wer­ke für Ihre Per­so­nal-Akqui­se? Nutzt Ihr Per­so­nal­bü­ro die Web­sites für Stel­len­aus­schrei­bun­gen? Wie aktu­ell sind die­se Stel­len­aus­schrei­bun­gen? Sind die Tex­te und Bil­der anspre­chend? Gibt es einen direk­ten Ansprech­partner, der Fra­gen zur Stel­len­aus­schrei­bung schnell beant­wor­tet? Sam­meln Sie Kon­takt­da­ten von Initia­tiv-Bewer­bern –von den Anfra­gern, die sich ohne Stel­len­aus­schrei­bung bei Ihnen mel­den? Denn – das wis­sen Sie – wenn Per­so­nal fehlt, muss es immer schnell gehen. Je mehr Mög­lich­kei­ten Sie haben, umso schnel­ler und geziel­ter kön­nen Sie reagieren.

Für die Pra­xis: Fakt ist, dass Unter­neh­men mit die­sen Instru­men­ten bei der Per­so­nal-Akqui­se enorm spa­ren – bei Stel­len­an­zei­gen, Per­so­nal­be­ra­tern, in der Ein­stel­lungs­bü­ro­kra­tie. Fakt ist auch, dass vie­le Initia­tiv­be­wer­bun­gen ganz gezielt nach Bran­che, Nei­gung  und Aus­bil­dung ein­ge­reicht wer­den – Sie also ohne grö­ße­ren Auf­wand gute Bewer­ber bekom­men kön­nen – prü­fen Sie ein­mal die Web­sites Ihres Unter­neh­mens mit den Augen eines poten­zi­el­len Bewer­bers. Schau­en Sie sich ein­mal ganz gezielt an, wie weit Ihre Kon­kur­ren­ten schon sind und erstel­len Sie eine to-do-Lis­te, was Ihre Per­so­nal­ab­tei­lung bzw. der zustän­di­ge Mit­ar­bei­ter bes­ser machen kann.

GmbH-Recht: „Durch-nummerierte” GmbHs sind nicht zu beanstanden

Grün­den Sie meh­re­re GmbHs und ver­wen­den dazu eine Fir­mie­rung mit Num­me­rie­rung (Schmidt IT 01 GmbH usw.), dann ist das zuläs­sig. Eine Unter­schei­dungs­wir­kung ist gege­ben. Das Regis­ter­ge­richt darf die Ein­tra­gung nicht ableh­nen (OLG Hamm, Urteil vom 19.6.2013, 27 W 52/13).

Für die Pra­xis: Die­se bei Pro­jekt­ge­sell­schaf­ten (z. B. im Immo­bi­li­en­ge­schäft, wenn für jede ein­zel­ne Immo­bi­lie eine eigen­stän­di­ge Ver­mark­tung vor­ge­nom­men wird, „Bau­pool-Pro­jekt 01 GmbH“) übli­che Pra­xis ist ohne Ein­schrän­kung zuläs­sig. Sichern Sie sich vor­ab per tele­fo­ni­scher Abfra­ge bei der IHK ab. Steht Ihrer Fir­mie­rung dann nichts im Wege, soll­te das Regis­ter­ge­richt die Ein­tra­gung ohne wei­te­re Prü­fung vornehmen.

Geschäftsführer privat: Flug verpasst – Deutschland muss zahlen

Ver­pas­sen Sie Ihren Flug, weil Sie an der Sicher­heits­kon­trol­le lan­ge auf­ge­hal­ten wer­den, haf­tet der Staat für den Scha­den. Er muss den Ersatz­flug zah­len, wenn die Ver­zö­ge­rung offen­sicht­lich unbe­grün­det ist (OLG Frank­furt am Main, Urteil vom 12.8.2013, 1 U 276/12).

Für die Pra­xis: Im kon­kre­ten Fall ließ die Sicher­heits­kon­trol­le einen Pas­sa­gier nicht pas­sie­ren, weil Sie im Ruck­sack der Per­son gefähr­li­che Gegen­stän­de ver­mu­te­te und zur genaue­ren Über­prü­fung die Ent­schär­fer­trup­pe der Bun­des­po­li­zei anfor­der­te. Bis zum Ein­tref­fen der Spe­zi­al­trup­pe dau­er­te es meh­re­re Stun­den, so dass der Flug­gast sei­nen Flug nicht antre­ten konn­te. Bei den Gegen­stän­den han­del­te es sich um eine Kame­ra, Lade­ge­rä­te, Han­dy und Beklei­dungs­stü­cke. Der Staat muss den Scha­den (neue Flug­ti­ckets) kom­plett zahlen.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

Schreibe einen Kommentar