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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 36/2017

Der Fall „TM”: Zwi­schen Haf­tung, Risi­ko und Gefäng­nis + Geschäfts­füh­rer-Pflicht­ver­si­che­rung: Gericht schließt wei­te­res Schlupf­loch + Bun­des­tags­wahl: Wer bringt den Unter­neh­men kon­kret weni­ger Büro­kra­tie? + GmbH-Finan­zen: Neue Finanz­part­ner für das rund­erneu­er­te Geschäfts­mo­dell + Geschäfts­füh­rer pri­vat: Gerich­te ver­steht kei­nen Spaß bei Han­dy-Nut­zung im Auto + Steu­er­pla­nung für die Nach­fol­ge: Geschäfts­füh­rer-Ver­sor­gungs­ren­te als Sonderausgaben

BISS die Wirt­schaft-Sati­re

 

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Frei­burg, 8. Sep­tem­ber 2017

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

über den Fall TMTho­mas Mid­del­hoff – haben wir an die­ser Stel­le aus­führ­lich berich­tet (vgl. zuletzt Nr. 48/2014). Der Fall stand und steht für (un-)verantwortliches Unter­neh­mer­han­deln, für den (un-)sorgfältigen Umgang mit Unter­neh­mens­ver­mö­gen und  für die schwie­ri­ge Grat­wan­de­rung zwi­schen unter­neh­me­ri­schem Risi­ko und gesetz­li­chen Pflich­ten der Geschäfts­füh­rung. Sei­ne Sicht der Din­ge wird man dem­nächst unter dem Titel „A 115 – Der Sturz” nach­le­sen können.

TM” steht aber auch für den Umgang der Jus­tiz mit einem Unein­sich­ti­gen. So liegt man sicher­lich nicht ganz falsch, wenn man einen Zusam­men­hang zwi­schen dem feh­len­den Schuld­ein­ge­ständ­nis und dem Straf­maß unter­stellt. Weil Mid­del­hoff bis zuletzt sei­ne Unschuld beteu­er­te, muss­te er schluss­end­lich für drei Jah­re ins Gefäng­nis. Die­sen Zusam­men­hang ken­nen wir auch aus vie­len, wesent­lich unspek­ta­ku­lä­ren Fäl­len des All­tags, in denen sich Geschäfts­füh­rer vor Gericht ver­ant­wor­ten müs­sen. Häu­figs­te Fäl­le: Sozi­al­ver­si­che­rungs- und Steu­er­ver­ge­hen. Auch ris­kan­te Geschäfts­mo­del­le und Anla­ge­ver­ge­hen sind auf dem Vor­marsch. Auf des Mes­sers Schnei­de zur Beur­tei­lung von Fehl­hand­lun­gen des Geschäfts­füh­rers ste­hen dann Fahr­läs­sig­keit, gro­be Fahr­läs­sig­keit und/oder Vor­satz. Unwis­sen­heit ist vor Gericht jeden­falls kein Argument.

Auch immer mehr Wirt­schafts­straf­ver­fah­ren wer­den unter­des­sen im Ver­gleich bei­gelegt. Vor­aus­set­zung: Die Bereit­schaft des Beklag­ten bei der Klä­rung der umstrit­te­nen Sach­ver­hal­te kon­struk­tiv mit­zu­wir­ken und even­tu­el­le Fehl­hand­lun­gen ein­zu­ge­ste­hen. Unein­sich­tig­keit ist somit ein Hin­der­nis für eine „opti­ma­le” recht­li­che Lösung eines Kon­flikt­fal­les rund um die kor­rek­te Geschäftsführung.

 

Geschäftsführer-Pflichtversicherung: Gericht schließt weiteres Schlupfloch

Nach eini­gen Urtei­len des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (BSG) zur Pflicht­ver­si­che­rung des GmbH-Gesell­schaf­ter-Geschäfts­­­füh­rers (vgl. Nr. 11/2017) wer­den die dort auf­ge­stell­ten Rechts­grund­sät­ze kon­se­quent im sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus­fest­stel­lungs­ver­fah­ren umgesetzt. Ten­denz: Nur noch beherr­schen­de Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer kön­nen damit rech­nen, rechts­ver­bind­lich – also bis zum Ende Ihrer Geschäfts­füh­rer-Tätig­keit – als nicht ver­si­che­rungs­pflich­tig ein­ge­stuft zu wer­den. Ent­schei­dend ist die Höhe der Kapi­tal­be­tei­li­gung: Ent­we­der hält der Geschäfts­füh­rer mehr als 50 % der Antei­le oder er kann auf­grund einer Vor­ga­be im GmbH-Gesell­schafts­ver­trag Beschlüs­se gegen sich ver­hin­dern (Sperr­mi­no­ri­tät).

Aller­dings gibt es immer wie­der Fäl­le, in denen betrof­fe­ne Geschäfts­füh­rer Ihre Sta­tus­fest­stel­lung gericht­lich über­prü­fen las­sen, z. B., weil der Geschäfts­füh­rer zusätz­li­che Pri­vi­le­gi­en genießt – er etwa als ein­zi­ger der Gesell­schaf­ter über fun­dier­te Bran­chen­kennt­nis­se ver­fügt. Dazu das Sozi­al­ge­richt (SG) Stutt­gart in einem jetzt ver­öf­fent­lich­ten Urteil: „Auch wenn der Geschäfts­füh­rer einer Stand­ort der GmbH völ­lig eigen­ver­ant­wort­lich lei­tet, ist das kein Indiz dafür, das für eine Befrei­ung von der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht berech­tigt” (SG Stutt­gart, Urteil v. 18.8.2016, S 17 R 747/14, PM des Gerichts vom 16.8.2017).

Damit ist ein wei­te­res Schlupf­loch geschlos­sen. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass sich die Gerich­te in zukünf­ti­gen Prüf­ver­fah­ren aus­schließ­lich an der Höhe der Betei­li­gung ori­en­tie­ren wer­den. Wich­tig ist das für GmbH-Grün­der (Toch­ter­ge­sell­schaf­ten) und deren Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer – eine Befrei­ung von der Pflicht­ver­si­che­rung gibt es nur bei einer Betei­li­gung grö­ßer 50 %.

Wich­ti­ger Hin­weis für Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer, die bis­her noch nicht im offi­zi­el­len Sta­tus-Fest­stel­lungs­ver­fah­ren geprüft und beschie­den wur­den. Das betrifft Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer, die ihre Tätig­keit in der GmbH vor 2003 auf­ge­nom­men haben. Spä­tes­tens wenn Sie den Ren­ten­an­trag stel­len (z. B. weil Ansprü­che aus einem vor­he­ri­gen Arbeits­ver­hält­nis bestehen), prüft der gesetz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rungs­trä­ger, bei dem Sie zuletzt gemel­det waren (z. B. AOK, BE), ob Sie Pflicht­mit­glied in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung für Rent­ner (KVdR) sind bzw. wer­den. Ach­tung: Even­tu­ell wird dann ihr sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Sta­tus nach­träg­lich geprüft. Im schlech­tes­ten Fall müs­sen Sie dann Bei­trä­ge für 4 Jah­re nach­zah­len. Sie sind also gut bera­ten, wenn Sie noch vor dem Ren­ten­an­trag die Wei­sungs­rech­te in der GmbH ent­spre­chend regeln. Ach­tung auch, wenn Sie Ihre GmbH ver­kau­fen und wei­ter als Geschäfts­füh­rer tätig blei­ben wol­len: Ab Ver­kauf besteht Ver­si­che­rungs­pflicht. Bes­ser ist es, wenn Sie für Ihre „ehe­ma­li­ge” GmbH wei­ter als Bera­ter tätig sind und Ein­künf­te aus selb­stän­di­ger Tätig­keit (Hono­rar) beziehen.

 

Bundestagswahl: Wer bringt den Unternehmen konkret weniger Bürokratie?

90 % aller deut­schen Unter­neh­men sind „klei­ne­re” Unter­neh­men ohne eige­ne Rechts- und Steu­er­ab­tei­lung. Für sie bedeu­tet jede büro­kra­ti­sche Hür­de zusätz­li­che Bera­tungs­kos­ten. Prüft man die Wahl­pro­gram­me der Par­tei­en auf eine sol­che Mit­tel­stands­kom­po­nen­te, gibt es für Unter­neh­men die­se Ansagen:

  • Selbst­stän­di­ge, freie Beru­fe, Hand­werk und Mit­tel­stand schaf­fen mit Abstand die meis­ten Arbeits- und Aus­bil­dungs­plät­ze und leis­ten einen wich­ti­gen Bei­trag zum All­ge­mein­wohl. Wir wol­len ihre Leis­tung künf­tig noch stär­ker öffent­lich aner­ken­nen und för­dern (CDU).
  • Klei­ne­re und mit­tel­gro­ße Unter­neh­men wol­len wir durch einen „For­schungs­bo­nus“ finan­zi­ell unter­stüt­zen, wenn sie Per­so­nal für For­schung und Ent­wick­lung ein­stel­len. Wir wer­den Unter­neh­men von Statistik‑, Buch­füh­rungs- und Auf­zeich­nungs­pflich­ten befrei­en. Ein gutes Bei­spiel für Büro­kra­tie­ent­las­tung und Inves­ti­ti­ons­er­leich­te­rung ist die von uns durch­ge­setz­te Erhö­hung der steu­er­li­chen Sofort­ab­schrei­bung gering­wer­ti­ger Wirt­schafts­gü­ter (SPD).
  • Rück­nah­me der Vor­fäl­lig­keit der Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge, Aus­wei­tung der Ist-Besteue­rung bei der Umsatz­steu­er, Ein­füh­rung eines „Small-ticket” für Her­mes-Bürg­schaf­ten für Auf­trä­ge unter 5 Mio. EUR (FDP).
  • Absen­kung der Mehr­wert­steu­er um 7 Pro­zent­punk­te sowie die Ein­füh­rung einer all­ge­mei­nen Abga­ben­brem­se (für Steu­ern, Bei­trä­ge und Gebüh­ren (AfD).

Auf­fäl­lig ist die gene­rel­le pro­gram­ma­ti­sche Zurück­hal­tung zu kon­kre­ten und pra­xis­taug­li­chen Lösun­gen für den Mit­tel­stand. Alle Wahl­pro­gram­me im Über­blick gibt es > Hier ankli­cken.

GmbH-Finanzen: Neue Finanzpartner für das runderneuerte Geschäftsmodell

Es gibt und ich ken­ne vie­le Unter­neh­mer-Kol­le­gen, die wis­sen, dass Sie eigent­lich viel mehr in die Digi­ta­li­sie­rung Ihrer Pro­duk­te oder Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se inves­tie­ren müss­ten, sich aber nicht gut bei der Finan­zie­rung durch die Haus­bank füh­len. Die zei­gen sich sehr zurück­hal­tend und ste­hen einer Erweiterung/Veränderung des bis­he­ri­gen Geschäfts­mo­dells grund­sätz­lich skep­tisch gegen­über. Moti­vie­ren­der Zuspruch ist eher sel­ten. Oft fehlt auch der Sach­ver­stand, auf Haus­bank-Ebe­ne geschäft­li­che Pro­jek­te rich­tig ein­schät­zen zu kön­nen. Immer mehr der Kol­le­gen sind unter die­sen Umstän­den sehr auf­ge­schlos­sen gegen­über pri­va­ten Finan­zie­run­gen. Ein brei­tes Ange­bot gibt es auf der Web­site des Bun­des­ver­ban­des Deut­scher Kapi­tal­be­tei­li­gungs­ge­sell­schaf­ten (VDK) – der Dach­or­ga­ni­sa­ti­on pri­va­ter Anlage-Gesellschaften.

Zum Bei­spiel die AdCa­pi­ta­l­AG aus Lein­fel­den. Dahin­ter ste­hen die Eig­ner der mit­tel­stän­di­schen Trumpf-Grup­pe – die sind auf­ge­schlos­sen für Betei­li­gun­gen an tech­ni­schen Unter­neh­men, Zulie­fe­rern, Umwelt­tech­nik. Es lohnt, sich hier mal genau umzu­se­hen. Unter https://www.bvkap.de > Mit­glie­der gibt es eine Lis­te aller ein­ge­tra­ge­nen Mit­glie­der. Hier kön­nen Sie davon aus­ge­hen, dass jedes Invest genau ange­schaut und geprüft wird (Inves­ti­ti­ons­bei­spie­le, Schwer­punkt-Bran­chen) und Sie es in der Regel mit einem seriö­sen Inves­tor zu tun haben – in pro­ble­ma­ti­schen Fäl­len soll­ten Sie sich den­noch mit den Mit­ar­bei­tern des Ver­ban­des kurz­schlie­ßen. Gezielt nach Betei­li­gungs­ka­pi­tal kön­nen Sie in der VDK-Daten­bank unter https://www.bvkap.de > Kapi­tal­su­che recher­chie­ren. U. E. eine hoch­in­ter­es­san­te Adres­se mit dem Zusatz-Effekt „Netzwerk”-Einbindung.

 

Geschäftsführer privat: Gerichte versteht keinen Spaß bei Handy-Nutzung im Auto

Begrün­den Sie Ihr Han­dy-Hal­ten im Auto damit, dass Sie ledig­lich kon­trol­lie­ren woll­ten, ob das Han­dy aus­ge­schal­tet ist, hilft Ihnen das nicht wei­ter. Ver­stoß bleibt Ver­stoß (OLG Hamm, Beschluss v. 29.12.2016, 1 RBs 170/16).

Bis­her wur­den alle „Aus­re­den”, die Fah­rer für ihre Han­dy-Nut­zung im Auto gericht­lich prü­fen lie­ßen, von den Gerich­ten kon­se­quent abge­lehnt. Nur wenn Sie das Mobil­te­le­fon bei ein­ge­schal­te­ter Frei­sprech­an­la­ge in der Hand hal­ten, hat das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Stutt­gart aus­nahms­wei­se von einer Stra­fe abge­se­hen (vgl. zuletzt Nr. 22/2016).

 

Steuerplanung für die Nachfolge: Geschäftsführer-Versorgungsrente als Sonderausgaben

Wird dem Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer, der sei­ne Betei­li­gung an einer GmbH & Co. KG auf den Juni­or über­tra­gen hat und wei­ter als Geschäfts­füh­rer tätig ist, eine Ver­sor­gungs­ren­te gezahlt, dann kann der die Ren­te zah­len­de Juni­or die­se Belas­tung nicht als Son­der­aus­ga­ben in sei­ner pri­va­ten Ein­kom­men­steu­er berück­sich­ti­gen (BFH, Urteil v. 20.3.2017, X R 35/16).

Vor­aus­set­zung für den Son­der­aus­ga­ben­ab­zug der Ver­sor­gungs­leis­tun­gen an den Seni­or ist dem­nach, dass die­ser nicht wei­ter als Geschäfts­füh­rer bestellt bzw. tätig ist. Der Juni­or zahl­te die Ver­sor­gungs­ren­te aus sei­nem Pri­vat­ver­mö­gen. Anders liegt der Fall, wenn die Ver­sor­gungs­ren­te aus den Ansprü­chen gegen die GmbH gezahlt wird. Hier spielt der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug kei­ne Rol­le. Beach­ten Sie die­se neue Rechts­la­ge z. B. in der Betriebs­auf­spal­tung, wenn die Ver­sor­gung von der Ver­mö­gens-GbR gezahlt wird. Hier kann der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug im Rah­men der ESt-Erklä­rung gel­tend gemacht werden.

 

Eine infor­ma­ti­ve Lek­tü­re wünscht

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst

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