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Volkelt-Brief 48/2015

Volkelt-FB-018 Jah­re Pflicht­ver­öf­fent­li­chung: Noch viel mehr Büro­kra­tie als befürch­tet + Nach­fol­ge: Was die Gesell­schaf­ter vom Fremd-Geschäfts­füh­rer erwar­ten + Ein­zel­han­del-GmbHs: Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter im Abwärts-Trend + TTIP: Inves­ti­ti­ons­ge­richts­bar­keit statt unab­hän­gi­ger Schieds­ge­rich­te + Leiharbeit/Werkverträge: Ver­schlech­te­rung für nicht Tarif­ge­bun­de­ne + Geld/Finanzen: Erkennt­nis­se über Regis­trier­kas­sen-Mani­­­pu­la­tio­nen + BISS

 

 

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Frei­burg 27. Novem­ber 2015

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege

dass die Pflicht­ver­öf­fent­li­chung für GmbHs zu einem Büro­kra­tie­mons­ter ohne wirk­li­chen Erkennt­nis­ge­winn wer­den wür­de, war Insi­dern bereits bei der Ein­füh­rung zum 1.1.2008 klar. Auch wir haben an die­ser Stel­le regel­mä­ßig auf die Schwä­chen und Unge­reimt­hei­ten hin­ge­wie­sen (vgl. Nr. 13/2008 „GmbH-Publi­zi­tät kos­tet die Unter­neh­men jähr­lich 300 Mio. EUR). Jetzt lie­gen erst­mals belast­ba­re Zah­len dazu vor. Sie bele­gen, dass der Büro­kra­tie-Effekt sogar noch stär­ker ist als von den größ­ten Skep­ti­kern befürch­tet. Der Auf­wand für die Behör­den wur­de im Gesetz­ent­wurf noch auf „etwa 419.000 EUR geschätzt.

Tat­säch­lich wur­den die Kapa­zi­tä­ten des zustän­di­gen Bundes­amtes für Jus­tiz (BfJ) seit 2007 erheb­lich hoch­ge­fah­ren. Der Etat des BfJ stieg auf jähr­lich auf 40 Mio. EUR. 70 fest ange­stell­te Mit­ar­bei­ter und zahl­rei­che Aus­hil­fen kon­trol­lie­ren die Umset­zung der Pflicht­of­fen­le­gung. Die Zahl der Ordnungsgeld­verfahren stieg von 2010 mit 144.000 Ver­fah­ren, über 153.000 im Jahr 2013 auf 182.000 im letz­ten Jahr. Laut ursprüng­li­cher Pro­gno­se war man von einer sin­ken­den Fall­zahl aus­ge­gan­gen. Das Volu­men der seit 2007 fest­ge­setz­ten Buß­gel­der beträgt 1,228 Mrd. EUR. Im Jahr 2008 wur­den ledig­lich 73 Mio. Ordnungs­gelder fest­ge­setzt. 2014 waren es immer­hin schon 186 Mio. EUR. Die­se Zah­len hat der Düs­sel­dor­fer Rechts­an­walt Dr. Gre­gor Kunt­ze-Kauf­hold recher­chiert und jetzt ver­öf­fent­licht (Quel­le: GmbH-Rund­schau 2015, S. 1177 ff.).

Neben dem Büro­kra­tie-Effekt bleibt die Fra­ge: Wer hat denn eigent­lich einen Erkennt­nis­ge­winn aus einem ver­zö­gert ver­öf­fent­lich­ten Jah­res­ab­schluss? Nicht ver­ges­sen: Zum 31.12.2015 müs­sen Sie den Jah­res­ab­schluss 2014 Pflicht­ver­öf­fent­li­chen – Schnee von ges­tern. Die Steu­er­be­hör­den haben ohne­hin Ein­blick in alle Unter­la­gen von GmbHs und Unternehmergesellschaften.

Nachfolge: Was Gesellschafter vom Fremd-Geschäftsführer erwarten

Klei­ne­re und mit­tel­gro­ße Fami­li­en-GmbHs wer­den über­wie­gend von den Fami­li­en-Mit­­glie­dern selbst geführt. Auch in der zwei­ten und drit­ten Gene­ra­ti­on. Wächst das Unter­neh­men ste­tig, wird das anders. Schon beim Über­gang zur ers­ten Gene­ra­ti­on wer­den dann bereits oft Fremd-Geschäfts­füh­rer ein­be­zo­gen (Chan­ge-Manage­ment).

Vor­teil: Der Seni­or kann in Ruhe „los­las­sen“. Auch dann, wenn der Juni­or die Geschäf­te noch nicht selbst voll­stän­dig über­neh­men kann – sei es, weil er die not­wen­di­ge Aus­bil­dung nicht abge­schlos­sen hat oder weil ihm noch not­wen­di­ge prak­ti­sche Erfah­run­gen feh­len. Rund 60% der Unter­neh­men, die einen Fremd-Geschäfts­füh­rer (auf Zeit) ein­ge­stellt haben, haben damit gute Erfah­run­gen gemacht. Nur 4% geben an, mit dem Fremd-Geschäfts­­­füh­rer schlech­te oder nicht so gute Erfah­run­gen gemacht zu haben (Quel­le: INTES-Stu­die „Fremd-Manage­ment in Fami­li­en-Unter­neh­men“). Auf die Fra­ge nach dem Anfor­de­rungs­pro­fil, die der Fremd-Geschäfts­füh­rer mit­brin­gen soll­te, ergibt sich eine kla­re Prioritätenliste:

  • am häu­figs­ten genannt wer­den Fach­kennt­nis­se und Fach­kom­pe­tenz,
  • erst an zwei­ter Stel­le ste­hen die Bran­chen­kennt­nis­se,
  • als per­sön­li­che Eigen­schaft ist Sozi­al­kom­pe­tenz ausschlaggebend,
  • aber auch ein hoher Grad an Loya­li­tät und Inte­gri­tät.
Wenn Sie sich für den Job des (Fremd-) Geschäfts­füh­rers in einem Fami­li­en-Unter­­neh­men inter­es­sie­ren, kommt es in ers­ter Linie auf Refe­ren­zen und aus­sa­ge­kräf­ti­ge Zeug­nis­se an. Wenn Sie bis­her ledig­lich als Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer im eige­nen Unter­neh­men tätig waren und Sie des­we­gen sol­che Emp­feh­lun­gen nicht nach­wei­sen kön­nen, sind Sie gut bera­ten, den Ein­stieg in die Fremd-Geschäfts­füh­rer-Posi­ti­on über eine renom­mier­te Per­so­nal-Bera­tung zu wäh­len. U. U. kön­nen Sie dort auch noch geziel­te Per­sön­lich­keits­ent­wick­lungs-Bau­stei­ne trai­nie­ren und sich so wei­ter zu qualifizieren.

Sen­si­bels­ter Punkt in der Zusam­men­ar­beit zwi­schen Fami­li­en-Gesell­schaf­tern und dem Fremd-Geschäfts­­­füh­rer ist und bleibt aber die „Che­mie“. Für den Fremd-Geschäfts­füh­rer kommt es dar­auf an, sich gut auf die Inter­es­sen­la­ge der Fami­li­en-Mit­glie­der ein­stel­len zu kön­nen (z. B. kul­tu­rel­le Inter­es­sen, Spon­so­ring, gesellschaft­liches Enga­ge­ment). Passt die­ses Umfeld zur Per­sön­lich­keit des Fremd-Geschäfts­­­füh­rers, ste­hen die Chan­cen für eine erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit gut.

Einzelhandel-GmbHs: Geschäftsführer-Gehälter im Abwärts-Trend

Die BBE-Media hat die neu­es­ten Zah­len zur Geschäfts­füh­rer-Ver­gü­tung vor­ge­legt. Heu­te neh­men wir die Zah­len für Ein­zel­han­dels-GmbHs etwas genau­er unter die Lupe. Im Ver­gleich zum Vor­jahr fällt auf:

  • Die Gehalts-Ent­wick­lung stellt sich sehr unter­schied­lich dar. Unse­res Erach­tens ist die laut BBE fest­ge­stell­te brei­te Abwärts­ent­wick­lung so nicht nach­zu­voll­zie­hen. Wir gehen davon aus, dass sich bei einer klei­nen Daten­ba­sis bereits eini­ge Abwei­chun­gen bei weni­gen gro­ßen Fir­men deut­lich auf das Gesamt­ergeb­nis auswirken.
  • Nimmt man den (gewich­te­ten) Ein­zel­han­dels-Durch­schnitt gibt nur in der Gesamt­sicht einen leich­ten Auf­wärts­trend. Das Durch­schnitts-Fest­ge­halt sank aber 2015 im Durch­schnitt von 71.000 € auf 85.000 €. Das ist eine Abwei­chung gegen­über 2014 um – 16,5 %.
  • Auf­fäl­lig: Die durch­schnitt­lich im Ein­zel­han­del gezahl­te Tan­tie­me stieg 2015 auf durch­schnitt­lich 30.000 € (2014: 14.000 €) und damit gegen­über dem Vor­jahr um sat­te 214 %. Damit gehört der Ein­zel­han­del zu der Bran­che, in der mit Abstand der größ­te Teil des Geschäfts­füh­rer-Gehalts am Erfolg ori­en­tiert aus­ge­zahlt wird.

Den­noch ergibt sich aus den BBE-Zah­len ein Trend für 2015: Gegen­über dem Vor­jahr gibt es nur einen klei­nen und kaum merk­li­chen Auf­wärts­strend. Das Gesamt-Niveau bleibt zufrie­den stel­lend bis gut. Das deckt sich auch mit unse­ren Erfah­run­gen und den Gesprä­chen mit den Kol­le­gen. Hier die aktu­el­len Ver­gleichs­zah­len zur Gesamt­ver­gü­tung der Geschäfts­füh­rer in eini­gen aus­ge­wähl­ten Einzelhandels-Bereichen:

Ein­zel­han­del Gehalt 2014/2015 Gehalt 2013/2014 Dif­fe­renz
Schu­he 158.000 € 153.000 € + 3,2 %
Lebensmittel/Reformhäuser 155.000 € 172.000 € - 9,9 %
Sport-/Spiel­wa­ren 150.000 € 168.000 € - 10,8 %
Bekleidung/Lederwaren 141.000 € 136.000 € + 3,6 %
Möbel/Küchen 133.000 € 126.000 € + 5,5 %
Heimwerker/Gartencenter 125.000 € 129.000 € - 3,2 %
Online-Han­del 123.000 € 119.000 € + 3,3 %
Kfz-Han­del 116.000 € 115.000 € + 0,8 %
Raumausstattung/Wohntextilien 116.000 € 142.000 € - 18,4 %
Elek­tro-/Un­ter­hal­tungs­elek­tro­nik 113.000 € 117.000 € - 3,5 %
Sons­ti­ger Einzelhandel 101.000 € 100.000 € + 1,0 %

Beträ­ge auf vol­le Tau­send gerun­det. Quel­len: BBE Media Gehalts­um­fra­ge 2014/2015, eige­ne Analysen

Zusätz­li­che Ori­en­tie­rungs­hil­fe für die Geschäfts­füh­rer von Ein­zel­han­del-GmbHs lie­fern die sog. Karls­ru­her Tabel­len – das sind die offi­zi­el­len Ver­gleichs­zah­len der Finanz­be­hör­den zur Ange­mes­sen­heits­prü­fung der Geschäfts­füh­rer-Gehäl­ter. Auch hier bestä­tigt der Blick in die Zah­len: Für klei­ne­re Ein­zel­han­del-GmbHs mit einem Umsatz von bis zu 2,5 Mio. EUR hal­ten die Finanz­be­hör­den eine Spann­wei­te von 120.000 bis 150.000 € als Gesamt­ge­halt in der Regel für ange­mes­sen. Nur wer hier deut­lich nach oben aus­bricht muss damit rech­nen, dass eine ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung (vGA) unter­stellt wer­den kann. In Ein­zel­han­del-GmbHs mit 2,5 bis 5 Mio. € Umsatz liegt das bezo­ge­ne Ver­gleichs­ge­halt bereits zwi­schen 130.000 und 180.000 €. In Ein­zel­han­del-GmbHs mit 5 bis 25 Mio. € Umsatz liegt das bezo­ge­ne Ver­gleichs­ge­halt zwi­schen 180.000 € und 210.000 €. In Ein­zel­han­del-GmbHs mit 25 bis 50 Mio. € Umsatz liegt das bezo­ge­ne Ver­gleichs­ge­halt zwi­schen 210.000 € und 440.000 € (Quel­le: OFD Karls­ru­he vom 4.3.2009, S 2742/84 – St 221 Karls­ru­her Tabel­len). Die von der BBE-Media jetzt ermit­tel­ten Ver­gleich­zah­len bele­gen, dass in vie­len GmbHs längst nicht bis zu „Ange­mes­sen­heits­gren­ze“ ver­dient wird. Was im Ein­zel­fall auch Sinn macht, weil die Lohn­steu­er­be­las­tung für das Geschäfts­füh­rer-Gehalt z. B. bei 200.000 € schon rund 40 % beträgt.

TTIP: Investitionsgerichtsbarkeit statt unabhängiger Schiedsgerichte 

Größ­ter Knack­punkt der bis­he­ri­gen Ver­hand­lun­gen um ein trans­at­lan­ti­sches Han­dels­ab­kom­men zwi­schen den USA und der Euro­päi­schen Uni­on ist die Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit. Kon­kret geht es hier um die Schlich­tung bzw. die zustän­di­ge Gerichts­bar­keit. Die USA pochen hier auf kur­ze Wege und bevor­zu­gen das in den USA prak­ti­zier­te Modell der unab­hän­gi­gen Schieds­ge­rich­te. Ein sol­ches Modell ist aber am Wider­stand eini­ger euro­päi­scher Staa­ten wohl nicht durchzusetzen.

Jetzt hat die EU-Kom­mis­si­on einen Ver­mitt­lungs­vor­schlag unter­brei­tet. Danach soll eine neue staat­li­che Inves­ti­ti­ons­ge­richts­bar­keit geschaf­fen wer­den. Damit soll gewähr­leis­tet sein, dass das Gerichts­ver­fah­ren nicht nur unab­hän­gig, son­dern auch – wie von den Euro­pä­ern gefor­dert – demo­kra­tisch legi­ti­miert durch­ge­führt wird (Vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on zum Inves­ti­ti­ons­schutz vom 12.11.2015).

Damit lässt sich das TTIP-Abkom­men den Kri­ti­kern deut­lich bes­ser ver­kau­fen. Offen ist noch, wie der zwei­te Knack­punkt aus dem Weg geräumt wer­den kann. Dabei geht es um die euro­päi­schen Arbeit­neh­mer-Stan­dards. Eine rea­lis­ti­sche Aus­sa­ge, wann Han­dels­er­leich­te­run­gen kom­men, wie die kon­kret aus­se­hen und wel­che Vor­tei­le sich tat­säch­lich für deut­sche Unter­neh­men erge­ben wer­den ist wei­ter­hin nicht abzusehen.

Leiharbeit/Werkverträge: Verschlechterung für nicht Tarifgebundene

Nach dem jetzt vor­lie­gen­den Gesetz­ent­wurf aus dem Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­um (BMAS) zur Zukunft der Leih­ar­beit will Minis­te­rin Andrea Nah­les (SPD) Tarif­ge­bun­den­heit von Unter­neh­men beloh­nen. Danach soll die Leih­ar­beit für nicht tarif­ge­bun­de­ne Unter­neh­men auf 18 Mona­te beschränkt wer­den. Tarif­ge­bun­de­ne Unter­neh­men kön­nen Leih­ar­bei­ter auch län­ger ein­stel­len, ohne dass sie befürch­ten zu müs­sen, dass sie zusätz­li­che Abga­ben bezah­len müs­sen und/oder stren­ge­re Regeln für den Kün­di­gungs­schutz gel­ten (Gesetz zu Werk­ver­trä­gen und Leih­ar­beit).

Geld/Finanzen: Erkenntnisse über Registrierkassen-Manipulationen

Laut Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um gibt es aus den Betriebs­prü­fun­gen kei­ne belast­ba­ren Erkennt­nis­se über die Höhe der Steu­er­aus­fäl­le, die auf­grund von Mani­pu­la­tio­nen an Regis­trier­kas­sen ent­ste­hen. Eben­so wenig gibt es Erkennt­nis­se über bestimm­te Bran­chen, in denen bevor­zugt mani­pu­liert wird. Der­zeit arbei­tet das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um gemein­sam mit den Län­dern an den Vor­ga­ben, die an mani­pu­la­ti­ons­si­che­re Kas­sen­sys­te­me (INSIKA) gestellt wer­den sol­len. Ein Zeit­fens­ter für die Umset­zung gibt es aller­dings noch nicht (Heu­te im Bun­des­tag Nr. 573).

Wer sich genau­er mit dem The­ma „mani­pu­la­ti­ons­si­che­re Kas­sen­sys­te­me“ und der Ein­stel­lung des Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums zur Sache infor­mie­ren will (muss), kann die höchst infor­ma­ti­ven Aus­füh­run­gen des BMF im Ori­gi­nal nach­le­sen in der Bun­des­tags-Druck­sa­che Nr. 18/6481 unter > https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/064/1806481.pdf.

 

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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