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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 39/2017

Nach­le­se: Die Her­aus­for­de­rung bleibt die Digi­ta­li­sie­rung & Co. + GmbH und Recht: Wich­ti­ge neue Urtei­le für den GmbH-Geschäfts­füh­rer + Steu­er­po­li­tik: Nach­zah­lungs­zin­sen nicht zu bean­stan­den + Pflicht­ver­öf­fent­li­chung: Unter­las­sungs­er­klä­rung zieht nicht

BISS die Wirt­schaft-Sati­re

 

 

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Frei­burg, 29. Sep­tem­ber 2017

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

dass die Bun­des­tags­wahl 2017 kei­ne grö­ße­ren Über­ra­schun­gen brin­gen wür­de, war zu erwar­ten. Auch, dass die Regie­rungs­bil­dung eine Men­ge Zeit in Anspruch neh­men wird und dass die von den Koali­ti­ons­part­nern zu ste­cken­den Zie­le – wie immer – weit hin­ter den Erwar­tun­gen an die Par­tei­en und hin­ter den Ankün­di­gun­gen der Par­tei­en selbst zurück­blei­ben wer­den, wird Kei­nen über­ra­schen. Aus Unter­neh­mer­sicht ist zumin­dest zu begrü­ßen, dass es kaum zu einer Ver­schlech­te­rung der Rah­men­be­din­gun­gen kom­men dürf­te. Das ist dann aber auch schon Alles, was wir nach der Wahl mit Beru­hi­gung zur Kennt­nis neh­men können.

Beun­ru­hi­gen muss aller­dings die Vor­stel­lung, dass Mit­tel­stands­po­li­tik auch in den nächs­ten 4 Jah­ren wie­der im „Abwar­ten“ besteht. Der­weil die (glo­ba­le) Digi­ta­li­sie­rung die Spiel­re­geln für die Wirt­schaft und ins­be­son­de­re für den Mit­tel­stand neu schreibt, der Takt für Inno­va­tio­nen immer schnel­ler und bedroh­li­cher schlägt und die Ver­weil­dau­er für erfolg­rei­che Geschäfts­mo­del­le kür­zer und kür­zer wird. Poli­ti­sche Visio­nen zur Beglei­tung die­ser enor­men Umwäl­zun­gen sind jeden­falls bis­lang kaum in Sicht. Aber Ban­ge machen gilt für Sie als Unter­neh­mer ja nicht. Wie steht es um Ihre Visio­nen, die­se Her­aus­for­de­run­gen als Chan­cen für sich und Ihre GmbH zu nutzen?

Mit der Digi­ta­li­sie­rung ist dabei ledig­lich ein Teil des Ver­än­de­rungs­pro­zes­ses der nächs­ten Jah­re beschrie­ben. Es geht auch um die The­men Stra­te­gie, Geschäfts­mo­dell, Finan­zie­run­gen, Orga­ni­sa­ti­on des Betrie­bes, Mit­ar­bei­ter-Akqui­se und Füh­rung. Also The­men, zu denen wir an die­ser Stel­le regel­mä­ßig und in Kurz­form berich­ten. Ich wer­de die nächs­ten 4 Jah­re jeden­falls dazu nut­zen, Ihnen noch mehr prak­ti­sche Bei­spie­le und gute Ideen mitzugeben.

 

GmbH und Recht: Wichtige neue Urteile für den GmbH-Geschäftsführer

Spä­tes­tens mit dem „Fall Mid­del­hoff“ (vgl. dazu aus­führ­lich im Han­dels­blatt vom 15.9.2017) müs­sen Sie als Geschäfts­füh­rer einer GmbH bzw. als deren ver­ant­wort­li­cher Ver­mö­gens­ver­wal­ter damit rech­nen, dass in der wirt­schaft­li­chen Kri­se der GmbH von dem vom Amts­ge­richt ein­ge­setz­ten Insol­venz­ver­wal­ter höchst kri­tisch geprüft wird, ob Ihnen nach­träg­lich Pflicht­ver­let­zun­gen vor­ge­wor­fen wer­den und die­se gericht­lich durch­ge­setzt wer­den kön­nen. Nicht zuletzt aus die­sem Grun­de berich­ten wir an die­ser Stel­le regel­mä­ßig zu ent­spre­chen­den Ver­fah­ren, die Vor­ga­ben für die Pra­xis ent­hal­ten (vgl. dazu zuletzt Nr. 37/2017).

  • Beson­ders dras­tisch ist eine jetzt ver­öf­fent­lich­te Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) aus dem März die­sen Jah­res. Danach macht sich der Geschäfts­füh­rer u. U. sogar straf­bar (Bank­rott), wenn er ein kapi­talerset­zen­des Dar­le­hen an einen Gesell­schaf­ter zurück­zahlt (BGH, Urteil v. 9.3.2017, 3 StR 424/16). Im Urteils­fall hat­te sich der Geschäfts­füh­rer sein Dar­le­hen an die GmbH wie ver­trag­lich ver­ein­bart frist­ge­recht zurück­ge­zahlt. Das aller­dings führ­te zur Insol­venz bzw. zur Schmä­le­rung der Mas­se. Der BGH hält das zumin­dest für einen betrü­ge­ri­schen Bank­rott gemäß § 283 Straf­ge­setz­buch mit dem dafür vor­ge­se­he­nem Straf­maß – bis zu 5 Jah­ren Gefäng­nis. Pro­ble­ma­tisch ist das in der Pra­xis immer dann, wenn Sie ein Dar­le­hen, das Sie Ihrer GmbH geben, zurück­zah­len und wenn der GmbH anschlie­ßend im Lau­fe des nächs­ten Jah­res eine Insol­venz droht. Sie müs­sen bei einer Dar­le­hens­ver­ga­be an die eige­ne GmbH zumin­dest immer die mit­tel­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve des Unter­neh­mens im Auge behal­ten. Als Instru­ment der Kri­sen­be­wäl­ti­gung ist ein Gesell­schaf­ter-Dar­le­hen dem­entspre­chend nur noch zu emp­feh­len, wenn die Sanie­rungs­aus­sich­ten gut bis sehr gut sind und die Sanie­rung ver­trag­lich abge­si­chert ist.
  • Für die Pra­xis inter­es­sant ist auch ein Urteil des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Frank­furt, dass den über­teu­er­ten Kauf einer GbR durch die GmbH nach­träg­lich als mas­se­schmä­lern­de Maß­nah­me des Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rers monier­te und sich einen Teil des Kauf­prei­ses von die­sem erset­zen ließ (OLG Frank­furt, Urteil v. 2.6.2017, 25 U 107/13). Sach­ver­halt: Die GmbH hat­te eine Patent-bean­tra­gen­de GbR zum Preis von 30.000 EUR erwor­ben – kon­kret gezahlt wur­den 4.540 EUR für Gegen­stän­de des Anla­ge­ver­mö­gens und 25.460 EUR für den Fir­men­wert – so stand es im Kauf­ver­trag. Das Patent wur­de aller­dings nicht bean­tragt und auch nicht wei­ter­ent­wi­ckelt. Dazu das OLG: „Der Kauf­preis für den Fir­men­wert ist eine nicht zu ver­ant­wor­ten­de Min­de­rung des geld­wer­ten Gesell­schafts­ver­mö­gens der GmbH“. Dafür muss der Geschäfts­füh­rer nach­träg­lich gera­de ste­hen. An die­sem Fall kön­nen Sie deut­lich erken­nen, wie gründ­lich jede Zah­lung in der wirt­schaft­li­chen Kri­se der GmbH vom Insol­venz­ge­richt nach­voll­zo­gen und auf­ge­ar­bei­tet wird.
  • Ein wei­te­res recht­li­ches Schlupf­loch in Sachen mas­se­schmä­lern­de Aus­zah­lun­gen in der wirt­schaft­li­chen Kri­se der GmbH hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) jetzt geschlos­sen. Danach gilt: Zahlt der GmbH-Geschäfts­füh­rer nach Ablauf der Drei­wo­chen­frist wei­ter Gehäl­ter und offe­ne Rech­nun­gen, ohne den not­wen­di­gen Insol­venz­an­trag zu stel­len, kann er das nicht damit recht­fer­ti­gen, dass er dafür eine Gegen­leis­tung (Arbeits­leis­tung, Strom) erhal­ten hat, so dass die Mas­se nicht geschmä­lert wur­de. Das zählt nicht. Der BGH stellt klar, dass eine sol­che spitz­fin­di­ge Argu­men­ta­ti­on vor Gericht kei­nen Bestand hat. Der Geschäfts­füh­rer haf­tet für die­se Aus­zah­lun­gen mit sei­nem pri­va­ten Ver­mö­gen (BGH, Urteil v. 4.7.2017, II ZR 319/15).
  • Auch in einem Ver­fah­ren vor dem Kam­mer­ge­richt (KG) Ber­lin ging es um die straf­recht­li­che Ver­ant­wor­tung des Geschäfts­füh­rers. Dabei ging es um die unter­las­se­ne bzw. ver­spä­te­te Abga­be von Steu­er­erklä­run­gen für die GmbH. Dazu stellt das Gericht klar: „Hat Ihr Vor­gän­ger im Amt des Geschäfts­füh­rers Steu­er­erklä­run­gen nicht oder ver­spä­tet abge­ge­ben, kön­nen Sie dafür nicht straf­recht­lich belangt wer­den – etwa gemäß den Fol­gen aus § 370 Abga­ben­ord­nung mit 5 Jah­ren Haft“. Vor­aus­set­zung: Sie sor­gen umge­hend dafür, dass die feh­len­den Steu­er­erklä­run­gen erle­digt und ein­ge­reicht wer­den (KG Ber­lin, Beschluss v. 24.11.2016, 121 Ss 169/16, rechts­kräf­tig). Sie sind also gut bera­ten, sofort nach einer Amts­über­nah­me bzw. Neu­be­stel­lung zum Geschäfts­füh­rer, sich mit dem Steu­er­be­ra­ter zusam­men­zu­set­zen und zu prü­fen, ob Ihr Vor­gän­ger sei­ne Steu­er­pflich­ten erle­digt hat, bzw. anzu­wei­sen, dass aus­ste­hen­de Steu­er­erklä­run­gen (KSt, GewSt, LSt, USt und ev. GrErwSt) umge­hend erstellt und abge­ge­ben wer­den. Ach­ten Sie dar­auf, dass die ent­spre­chen­de Anwei­sung an den Steu­er­be­ra­ter schrift­lich doku­men­tiert ist.

Digitalisierung: Auch der Chef muss sich neu erfinden

Es gibt vie­le Eigen­schaf­ten und Aus­prä­gun­gen, die dem moder­nen Chef unter­scho­ben wer­den, wenn er die Her­aus­for­de­run­gen der digi­ta­len Wirt­schaft bewäl­ti­gen will: Er nimmt sich zurück. Er stellt die rich­ti­gen Fra­gen. Er denkt nicht in Plan­erfül­lung, son­dern deckt Schwach­stel­len auf. Am bes­ten gefällt mir: „Die Füh­rungs­kraft der Zukunft kennt nicht die Lösung, son­dern orga­ni­siert den Pro­zess, der zum Fin­den der Lösung führt“ (Quel­le: DGFP Kon­gress, Ber­lin 2016). Eine Aus­sa­ge mit höchs­tem Anspruch. Zugleich das Ende der fach­li­chen Über­le­gen­heit des Chefs – auch in klei­ne­ren Unternehmen.

Der Sprin­ger-Digi­ta­li­sie­rungs­be­auf­trag­te Chris­toph Kee­se wid­met in sei­nem inter­es­san­ten Buch Sili­kon Ger­ma­ny dem The­ma erfolg­rei­che Cha­rak­te­re von Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten in der Digi­ta­li­sie­rung gleich ein gan­zes Kapi­tel. So beschreibt er aus­führ­lich den Net­flix-Chef Reed Has­tings als büro­lo­sen Dau­er-Kom­mu­ni­ka­tor, Moti­va­tor und Netz­wer­ker, der in sei­nen Unter­neh­men alles nur Denk­ba­re ver­an­lasst, damit sich sei­ne krea­ti­ven Mit­ar­bei­ter ohne jeg­li­che Fir­men-inter­ne Büro­kra­tie auf die Pro­dukt­ent­wick­lung kon­zen­trie­ren kön­nen. Sein Cre­do: „Wir begeg­nen dem Wachs­tums­cha­os nicht durch mehr Regeln, son­dern durch mehr krea­ti­ve Köp­fe“. In den meis­ten klei­ne­ren deut­schen Unter­neh­men geht es natür­lich nicht um den gro­ßen tech­no­lo­gi­schen Wurf, son­dern regel­mä­ßig um die feh­ler­freie und pünkt­li­che Erbrin­gung von Leis­tun­gen – also dar­um, dass eine gut ein­ge­üb­te Orga­ni­sa­ti­on ihre Auf­ga­ben sys­te­ma­tisch und zuver­läs­sig erbringt. Dafür steht der Chef und sei­ne Fähig­keit, sein Unter­neh­men auf einem hohen Stan­dard zu halten.

Wich­tig ist, dass auch in klei­ne­ren Unter­neh­men Kapa­zi­tä­ten vor­han­den sind, die den gewohn­ten Geschäfts­be­trieb hin­ter­fra­gen, den Markt stän­dig beob­ach­ten und neue Ent­wick­lun­gen in die Fir­ma ein­brin­gen. Das kann nicht mehr allei­ne Chef­sa­che sein und abzu­war­ten bis der/die Junior/in fri­schen digi­ta­len Wind in die Fir­ma bringt, dau­ert zu lan­ge. Das gilt nicht mehr nur für gestan­de­ne, älte­re Kol­le­gen, son­dern für alle Alters­stu­fen – der Wan­del ist gegen­wär­tig, stän­dig und gene­ra­ti­ons­über­grei­fend. Sie sind also gut bera­ten, sich einen krea­ti­ven Mit­ar­bei­ter zu leis­ten und den dazu zu ani­mie­ren, quer zu den­ken und ihn das auch aus­spre­chen zu lassen.

So ver­ständ­lich es ist, ein­ge­üb­te und bewähr­te Ver­hal­tens­mus­ter nicht zu ändern, so (über­le­bens-) wich­tig ist es für Unter­neh­mer, sich stän­dig neu zu erfin­den. Aber: Es gibt kein Erfolgs-Mus­ter, wie Sie die­se Her­aus­for­de­run­gen schaf­fen. Bes­te Vor­aus­set­zun­gen zum Über­le­ben sind: Neu­gier, kon­trol­lier­te Risi­ko­be­reit­schaft, stän­di­ges Lear­ning und die per­ma­nen­te Bele­bung Ihres beruf­li­chen Netz­werks. Beson­ders betrof­fen sind Bran­chen, die jetzt noch beson­de­ren recht­li­chen Schutz genie­ßen (Hand­werks-Beru­fe, sons­ti­ge zulas­sungs­pflich­ti­ge Gewer­be, freie Beru­fe, auch geschütz­te Märk­te vgl. Flix­bus, Uber), sta­tio­nä­re Ein­zel­händ­ler mit über­wie­gen­dem Fremd-Sor­ti­ment, Fran­chise-Unter­neh­men und zulie­fern­de pro­du­zie­ren­de Unternehmen.

 

Steuerpolitik: Nachzahlungszinsen nicht zu beanstanden

Säu­mi­ge Steu­er­zah­ler müs­sen 6 % Nach­zah­lungs­zin­sen zah­len. Dazu das Finanz­ge­richt (FG) Müns­ter: „Aus Grün­den der Prak­ti­ka­bi­li­tät und der Rechts­kon­ti­nui­tät ist ein fes­ter Zins­satz zuläs­sig, auch wenn es zwi­schen­zeit­lich zu erheb­li­chen Schwan­kun­gen des Markt­zin­ses kommt. Die­ses gesetz­ge­be­ri­sche Kon­zept ist zuläs­sig“ (FG Müns­ter, Urteil v. 17.8.2017, 10 K 2472/16).

 
 
 
 

Pflichtveröffentlichung: Unterlassungserklärung zieht nicht

Will ein Anwalt die Pflicht­ver­öf­fent­li­chung eines Jah­res­ab­schlus­ses – z. B. den der Kon­kur­renz – gericht­lich durch­set­zen, ist die Unter­las­sungs­er­klä­rung gemäß UWG nicht das rich­ti­ge Rechts­mit­tel. Kon­kret: Per Unter­las­sung kann nicht die Vor­nah­me einer Hand­lung ein­ge­for­dert bzw. durch­ge­setzt wer­den (OLG Köln, rechts­kräf­ti­ges Urteil v. 28.4.2017, 6 U 152/16).

Stel­len Sie fest, dass ein Wett­be­wer­ber mit der Ver­öf­fent­li­chung sei­nes Jah­res­ab­schlus­ses in Ver­zug gera­ten ist, sind Sie bes­ser bera­ten, wenn Sie dies dem Bun­des­amt für Jus­tiz (BMJ) direkt mel­den. Die­ses wird dann gemäß der gesetz­li­chen Vor­ga­ben „von Amts wegen“ tätig und die Ver­öf­fent­li­chung der feh­len­den Jah­res­ab­schlüs­se ein­for­dern und ggf. gegen Buß­geld­an­dro­hung durchsetzen.

 

Eine infor­ma­ti­ve Lek­tü­re wünscht

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Geschäftsführer-Fachinformationsdienst

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