Kategorien
Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 38/2011

Aus für die Euro­pa-GmbH – Aber Vor­sicht: Neue Risi­ken für Limi­t­eds (neu­es BGH-Urteil) + ACHTUNG: Bank darf Kre­di­te kün­di­gen, wenn Sie kei­ne Unter­la­gen vor­le­gen + EuGH: Neue Vor­ga­ben für Urlaubs­geld-Anspruch des Arbeit­neh­mers + Kar­tell-Recht: Kron­zeu­gen-Rege­lung nur noch „unter Vor­be­halt” + BISS …

The­men heu­te: Aus für die Euro­pa-GmbH – Aber Vor­sicht: Neue Risi­ken für Limi­t­eds (neu­es BGH-Urteil) + ACHTUNG: Bank darf Kre­di­te kün­di­gen, wenn Sie kei­ne Unter­la­gen vor­le­gen + EuGH: Neue Vor­ga­ben für Urlaubs­geld-Anspruch des Arbeit­neh­mers + Kar­tell-Recht: Kron­zeu­gen-Rege­lung nur noch „unter Vor­be­halt” + BISS

 

38. KW 2011
Frei­tag, 23.9.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

nach dem vor­läu­fi­gen „Aus“ für die Euro­pa-GmbH (offi­zi­ell: SPE) meh­ren sich die Stim­men aus den Bera­ter­krei­sen, die für euro­pa­wei­te geschäft­li­che Akti­vi­tä­ten die eng­li­sche „Limi­t­ed“ emp­feh­len (vgl. Vol­kelt-Brief Nr. 26/2011). Neben der Haf­tungs­be­schrän­kung wer­den dazu vor allem Vor­tei­le bei der Nie­der­las­sungs­frei­heit bzw. im Besteue­rungs­ver­fah­ren her­aus­ge­stellt. Aber noch immer sind vie­le Rechts­fra­gen zur Limi­t­ed mit Nie­der­las­sung in Deutsch­land oder einem ande­ren euro­päi­schen Staat außer­halb Eng­lands unge­klärt, so z. B. Fra­gen der Rech­nungs­le­gung (Stan­dards, Sprach­wahl, Prü­fung, Ver­öf­fent­li­chung, Arbeit­neh­mer­rech­te). Alle die Fra­gen soll­ten aber – zusam­men mit dem Bera­ter – geklärt sein, bevor Sie sich zu einem geschäft­li­chen Enga­ge­ment in Euro­pa in der Rechts­form einer Limi­t­ed“ einlassen.

Ach­tung: Wenn Sie pla­nen, euro­pa­wei­te geschäft­li­che Akti­vi­tä­ten in einer Limi­t­ed bzw. in einem Ver­bund von Limi­t­eds zu orga­ni­sie­ren, müs­sen Sie ein aktu­el­les Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) zur gericht­li­chen Zustän­dig­keit bei Strei­tig­kei­ten zwi­schen den Gesell­schaf­tern der Limi­t­ed ken­nen.

Laut BGH ist dann das eng­li­sche Gericht, bei dem die Limi­t­ed ange­mel­det und ein­ge­tra­gen wur­de, zustän­dig für sol­che Strei­tig­kei­ten. Das bedeu­tet:  Auch wenn die Limi­t­ed nur in Deutsch­land (oder Frank­reich usw.) tätig ist, müs­sen die Gesell­schaf­ter ihre Strei­tig­kei­ten not­falls vor einem eng­li­schen Gericht aus­tra­gen. Und zwar auch dann, wenn die Gesell­schaf­ter für sol­che Strei­tig­kei­ten aus­drück­lich per Gesell­schafts­ver­trag ein deut­sches Gericht für zustän­dig bestimmt haben (BGH, Urteil vom 12.7.2011, II ZR 28/10).

Für die Pra­xis: Abge­se­hen von dem orga­ni­sa­to­ri­schen Auf­wand (Rei­sen, Über­set­zun­gen), der  mit einem aus­län­di­schen Gerichts­stand ver­bun­den ist, bedeu­tet das auch, dass Strei­tig­kei­ten nach einem ande­ren Rechts­ver­ständ­nis ent­schie­den wer­den und u. U. Ver­ein­ba­run­gen, die Sie mit den Gesell­schaf­tern in Ihrem Gesell­schafts­ver­trag beschlos­sen haben, nicht mehr gül­tig sind (z. B. Ein­schrän­kun­gen beim Aus­schluss, Abfin­dungs­re­ge­lun­gen usw.). Damit unter­lie­gen auch alle Strei­tig­kei­ten über die Beschluss­fas­sung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung eng­li­schem Recht. Es emp­fiehlt sich also unbe­dingt, vor Unter­zeich­nung eines Limi­t­ed-Gesell­schafts­ver­tra­ges sich über die Grund­re­geln des eng­li­schen Gesell­schafts­rechts zu informieren. 

ACHTUNG: Bank darf bei fehlenden Unterlagen Kredite kündigen

Gewährt die Bank Kre­di­te von mehr als 750.000 €, ist sie ver­pflich­tet, sich vom Kre­dit­neh­mer – also auch von Ihrer GmbH – die wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se regel­mä­ßig offen legen zu las­sen. Das kann gesche­hen z. B. durch die Vor­la­ge des Jah­res­ab­schlus­ses. Die die Bank ist dazu sogar gesetz­lich ver­pflich­tet (§ 18 Kreditwesengesetz).

Ein Geschäfts­füh­rer-Kol­le­ge aus Hes­sen ließ es jetzt dar­auf ankom­men. Er ver­wei­ger­te der Bank kon­ti­nu­ier­lich die Vor­la­ge ent­spre­chen­der wirt­schaft­li­cher Nach­wei­se. Fol­ge: Die Bank kün­dig­te aus die­sem Grund alle bestehen­den Dar­le­hen der GmbH. Der Kol­le­ge woll­te das nicht auf sich sit­zen las­sen und ließ die Sache gericht­lich prü­fen. Das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Frank­furt ent­schied jetzt dazu. Danach bekam die Bank Recht. Der Geschäfts­füh­rer muss­te die Kre­di­te der GmbH umge­hend zurück­zah­len. Neue Kre­di­te wur­den nicht gewährt (OLG Frank­furt, Urteil vom 25.3.2011, 19 U 173/10).

Wich­tig zu wis­sen für alle Geschäftsführer-Kollegen:

  • Die Bank ist auch dann zur Kün­di­gung von Kre­di­ten berech­tigt, wenn die Kre­dit­sum­me unter dem oben genann­ten kri­ti­schen Betrag laut KWG liegt. Ent­schei­dend ist, ob die Bank in ihren AGB auf die bestehen­den Vor­la­ge­pflich­ten laut KWG ver­wie­sen hat. Ist das der Fall, soll­ten Sie die Vor­la­ge­pflich­ten kor­rekt und von sich aus – also ohne wei­te­re Auf­for­de­rung – erfül­len und den Jah­res­ab­schluss und ande­re ange­for­der­te Unter­la­gen ter­min­ge­recht vorlegen.
  • Die Bank kann die Kre­di­te selbst dann kün­di­gen, wenn das Kre­dit­kon­to nicht oder nie im Soll war und selbst dann, wenn Sie als Kre­dit­neh­mer die Til­gung stets regel­mä­ßig gezahlt haben.

Für die Pra­xis: Neh­men Sie die klein­ge­druck­ten Bank-Kon­di­tio­nen auf kei­nen Fall auf die leich­te Schul­ter. Selbst dann, wenn die Bank die im Ver­trag genann­ten Vor­la­gen nicht noch­mals aus­drück­lich ein­for­dert, kann sie ein sol­ches außer­or­dent­li­ches Kün­di­gungs­recht durch­set­zen. Wei­sen Sie die zustän­di­gen Mitarbeiter/Abteilungen an, die in den Kre­dit­ver­trä­gen ange­for­der­ten Unter­la­gen zeit­nah an die Bank wei­ter­zu­ge­ben. P.S.: Nut­zen Sie die Über­ga­be der Unter­la­gen (Jah­res­ab­schluss, Geschäfts­be­richt) dazu, den per­sön­li­chen Kon­takt zu Ihrer Haus­bank zu aktua­li­sie­ren und die Bank – ver­trau­ens­bil­dend – über Ihre wei­te­ren Pla­nun­gen zu informieren.

Europäischer Gerichtshof macht strengere Vorgaben für Urlaubsgeld

Immer mehr recht­li­che Vor­ga­ben kom­men von der EU. So auch jetzt vom Euro­päi­schen Gerichts­hof (EuGH) zur Bemes­sungs­grund­la­ge von Urlaubs­geld des Arbeit­neh­mers. Als „über­ge­ord­ne­tes“ Recht sind die Vor­ga­ben des EuGH in der Regel auch für alle natio­na­len Gerich­te verbindlich.

Die Rechts­la­ge: Der EuGH macht Vor­ga­ben dazu, wel­che Bestand­tei­le ein vom Arbeit­ge­ber zu zah­len­des Urlaubs­geld umfasst. Danach gilt: Zula­gen kön­nen bei der Berech­nung des einem Arbeit­neh­mer zuste­hen­den Urlaubs­ent­gelts zu berück­sich­ti­gen sein. Grund­sätz­lich gilt, dass Arbeit­neh­mern wäh­rend ihres Urlaubs das gewöhn­li­che Ent­gelt wei­ter­zu­zah­len ist. Für Zula­gen gilt:

  • Zula­gen, mit denen eine Unan­nehm­lich­keit abge­gol­ten wird, die untrenn­bar mit der Erfül­lung der dem Arbeit­neh­mer nach sei­nem Arbeits­ver­trag oblie­gen­den Auf­ga­ben ver­bun­den ist, sind bei der Berech­nung des Urlaubs­ent­gelts zu berück­sich­ti­gen (Etwa:  regel­mä­ßi­ge Zula­ge für plan­mä­ßi­ge Arbeitszeiten).
  • Wäh­rend des Urlaubs fort­zu­zah­len sind auch alle die Gehalts­be­stand­tei­le, die an die per­sön­li­che und beruf­li­che Stel­lung des Arbeit­neh­mers anknüp­fen (z. B. Zula­gen für eine lei­ten­de Posi­ti­on, für die  Dau­er der Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit oder für die beruf­li­che Qualifikation).

Zula­gen, die nur gele­gent­lich anfal­len­de Kos­ten oder Neben­kos­ten decken, oder die bei der Erfül­lung der dem Arbeit­neh­mer über­tra­ge­nen Auf­ga­ben ent­ste­hen, müs­sen Sie bei der Berech­nung des Urlaubs­ent­gelts dage­gen nicht berück­sich­ti­gen (EuGH, Urteil vom 15.9.2011, C‑155/10).

Für die Pra­xis: Betrof­fen sind die Arbeits­ver­trä­ge, in denen kein kla­re Bemes­sungs­grund­la­ge für das Urlaubs­geld ver­ein­bart ist. Prü­fen Sie auch, ob neben dem Fest­ge­halt regel­mä­ßig Zula­gen gezahlt wer­den, die nach den oben genann­ten Kri­te­ri­en in die Bemes­sungs­grund­la­ge ein­zu­be­zie­hen wären. Hier ist zu prü­fen, inwie­weit der Arbeit­neh­mer Anspruch auf zusätz­li­che Zah­lun­gen gericht­lich durch­set­zen könn­ten, ggf. soll­ten Sie hier eine ein­ver­nehm­li­che Lösung mit dem Arbeit­neh­mer, dem Betriebs­rat oder dem Tarif­part­ner suchen bzw. erar­bei­ten. Prü­fen Sie, inwie­weit die von Ihnen ver­wen­de­ten Mus­ter-Arbeits­ver­trä­ge geän­dert wer­den müssen.

Kronzeugen-Regelung: Straffreiheit nur noch „unter Vorbehalt“

Die Kron­zeu­gen­re­ge­lung, die in Kar­tell­ver­fah­ren prak­ti­ziert wird und wonach das zur Zusam­men­ar­beit mit den Kar­tell­be­hör­den mit­wir­ken­de Unter­neh­men straf­frei bleibt, ist recht­lich höchst umstrit­ten (vgl. Nr. 15/2011). Jetzt hat der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) dazu in einem Urteil Stel­lung genom­men. Wich­tig: Unter­neh­men, die den Behör­den den Kar­tell­ver­stoß mel­den, kön­nen sich nicht mehr sicher sein, tat­säch­lich straf­frei aus­zu­ge­hen (EuGH, Urteil vom 9.9.2011, T‑12/06).

Straf­frei­heit gibt es nur, wenn das Unter­neh­men die Pflich­ten zur Zusam­men­ar­beit mit den Behör­den voll­stän­dig erfüllt. Ver­stößt das Unter­neh­men dage­gen, kann die Behör­de auch gegen die­ses Unter­neh­men Buß­gel­der ver­hän­gen, even­tu­ell mit Nach­läs­sen (hier: 50 % Nach­lass). Im kon­kre­ten Fall hat­te ein ita­lie­ni­sches Tabak­un­ter­neh­men Kar­tell­ab­spra­chen ange­zeigt. Spä­ter hat­te das Unter­neh­men auf einer Sit­zung des Berufs­ver­ban­des die übri­gen Kar­tell­mit­glie­der über die Anzei­ge unter­rich­tet – ohne dies vor­her mit der Behör­de abzu­spre­chen und bevor die Behör­de eige­ne Ermitt­lun­gen anstel­len konn­te (kon­kret: es gab kei­ne Durch­su­chun­gen und Beschlag­nah­mung von Unter­la­gen usw.).

Für die Pra­xis: Damit ist die Hand­lungs­fä­hig­keit des anzei­gen­den Unter­neh­mens deut­lich ein­ge­schränkt. Nach der Anzei­ge ist jeder Kon­takt zu den vor­ma­li­gen Kar­tell-Teil­neh­mern / Wett­be­wer­bern ein Risi­ko, das die Straf­frei­heit gefähr­det. Den­noch: Gehen Sie davon aus, dass es auch wei­ter­hin „Kron­zeu­gen“ geben wird. Alle Info-Run­den, die auf Preis­ab­spra­chen hin­deu­ten (z. B. Aus­tausch von Unter­neh­mens­zah­len, Markt­ein­schät­zun­gen) soll­ten aus­schließ­lich in höchst ver­trau­li­chen Rah­men statt­fin­den und in kei­nem Fall schrift­lich doku­men­tiert wer­den. Bei Bran­chen­tref­fen ist höchs­te Zurück­hal­tung geboten.

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt 

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief

BISS > Die Wirt­schafts­sa­ti­re > https://www.gmbh-gf.de/biss/rettung

Schreibe einen Kommentar