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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 36/2011

The­men heu­te: War­um Ihre Unter­schrift les­bar sein soll­te + Geschäfts­füh­rung: Sozia­le Kom­pe­tenz ist Übungs­sa­che + Zoll­fahn­dung setzt auf Face­book, Goog­le & Co. + Hand­werks-GmbH braucht auch in Zukunft einen Meis­ter als Betriebs­lei­ter + Ber­lin plant Geld­wä­sche-Beauf­trag­ten für Betrie­be mit mehr als 9 Mit­ar­bei­tern + Finanz­ge­richt darf ehe­ma­li­gen Geschäfts­füh­rer vor­la­den + BISS

36. KW 2011
Frei­tag, 9.9.2011

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

Sie ken­nen das sicher­lich von Ihren Arzt-Rezep­ten oder von einer der Ihnen vor­ge­leg­ten Krank­schrei­bun­gen. Die Hand­schrift dar­auf kann nie­mand ent­zif­fern und Sie kön­nen nur hof­fen, dass der Dro­ge­rist Ihnen im Zwei­fel das rich­ti­ge Medi­ka­ment verabreicht.

Das The­ma hat aber durch­aus einen sehr ernst­haf­ten Hin­ter­grund, den Sie ken­nen müs­sen. Und zwar dann, wenn Sie einem Mit­ar­bei­ter kün­di­gen. Gesetz­ge­ber und die Arbeits­ge­rich­te ver­lan­gen von Ihnen die Ein­hal­tung stren­ger Form­vor­schrif­ten und Form-Vor­­­ga­ben. Eine davon betrifft Ihre Unter­schrift unter das Kün­di­gungs­schrei­ben. Zum einen müs­sen Sie eigen­hän­dig unter­schrei­ben – als ver­tre­tungs­be­rech­tig­ter Geschäfts­füh­rer im Auf­trag des Arbeit­ge­bers. Mehr noch: Die Gerich­te ver­lan­gen, dass Sie das Kün­di­gungs­schrei­ben mit einer „erkenn­ba­ren“ Unter­schrift zeich­nen. Was das auch sein mag. Im neu­es­ten Urteil des Arbeits­ge­richts Ber­lin heißt es dazu: „Ein Hand­zei­chen oder ein Kür­zel sind nicht aus­rei­chend“. Die zu läs­sig abge­zeich­ne­te Kün­di­gung ist unwirk­sam (Arbeits­ge­richt Ber­lin, Urteil vom 28.6.2011, 8 Ca 3073/11). Auf eine Kor­rek­tur die­ser Rechts­la­ge durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt soll­ten Sie nicht hof­fen. Die Bun­des­rich­ter sehen das nicht anders. So zuletzt im Grund­satz­ur­teil vom 24.1.2008, 6 AZR 519/07.

P.S.: Den­ken Sie auch an Ihre Mit­ar­bei­ter, wenn Sie die­se hand­schrift­lich infor­mie­ren wol­len oder wenn Sie – schlim­mer noch – eine Arbeits­an­wei­sung hand­schrift­lich aber unles­bar ertei­len. Ach­ten Sie dar­auf, dass selbst klei­ne Noti­zen selbst von einem schlech­ten Leser zwei­fels­frei ver­stan­den wer­den.

Geschäftsführung: Soziale Kompetenz ist Übungssache

Als Geschäfts­füh­rer müs­sen Sie die Stra­te­gie vor­ge­ben, Zie­le set­zen, Netz­wer­ke knüp­fen, Mit­ar­bei­ter anlei­ten und die Liqui­di­täts- und Ertrags­si­tua­ti­on des Unter­neh­mens steu­ern. Um nur eini­ge der Auf­ga­ben zu nen­nen, die eine erfolg­rei­che Geschäfts­füh­rung aus­ma­chen. Im Tages­ge­schäft – vie­le Kol­le­gen ken­nen das – ent­schei­det aber all­zu oft der rich­ti­ge Umgang mit dem Mit­ar­bei­ter, wie effek­tiv und ziel­be­zo­gen Vor­ga­ben oder neue Arbeits­ab­läu­fe umge­setzt wer­den. Das Stich­wort heißt sozia­le Kom­pe­tenz (Begriff  > hier ankli­cken).

Fakt ist, dass die Anfor­de­rung an die sozia­le Kom­pe­tenz von Füh­rungs­kräf­ten in den letz­ten Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich gestie­gen ist und sich auch die Geschäfts­füh­rer von klei­ne­ren Fir­men an den neu­en Maß­stä­ben ori­en­tie­ren müs­sen, wenn sie im Wett­be­werb um qua­li­fi­zier­te Arbeit­neh­mer mit­hal­ten wol­len. Hier eini­ge Grundregeln:

  • Vie­le Feh­ler wer­den bei der über­eil­ten Umset­zung von schnell und kurz­fris­ti­gen Erkennt­nis­sen gemacht, die sich die Füh­rungs­kraft auf einem Semi­nar erwor­ben hat und sofort umset­zen will („pro­bie­ren Sie das am bes­ten gleich aus“). Ganz unab­hän­gig von der Qua­li­tät der jewei­li­gen Wei­ter­bil­dungs­ver­an­stal­tung gilt: Übung – sich selbst neu aus­pro­bie­ren – macht den Meis­ter, wobei die Übung in aller Regel bereits als Ernst­fall statt­fin­det. Prü­fen Sie vor­her, ob das Gelern­te in der Situa­ti­on tat­säch­lich passt.
  • Wer nur auf weni­gen gesell­schaft­li­chen Fel­dern sozia­le Kom­pe­tenz sam­melt, neigt dazu, Auf­ga­ben, die im eige­nen Unter­neh­men erle­digt wer­den müs­sen, falsch zu gewich­ten oder über zu bewer­ten. Üben Sie neue sozia­le Rol­len und neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men (Fra­gen, Zuhö­ren) auch in ande­ren Lebens­si­tua­tio­nen ein (Fami­lie, Ver­bands­tref­fen, Netz­wer­ke, Teil­nah­me am öffent­li­chen Leben).
  • Weni­ger ist of mehr: Die Kunst der kom­mu­ni­ka­ti­ven Füh­rung liegt nicht dar­in, selbst mög­lichst viel zu tun oder zu gestal­ten, son­dern ande­re dazu zu ani­mie­ren, betrieb­li­che und orga­ni­sa­to­ri­sche Pro­ble­me zu arti­ku­lie­ren und eige­ne Lösungs­vor­schlä­ge zu erar­bei­ten, durch­zu­set­zen und in der Pra­xis zu kontrollieren.
  • Sei­en Sie sich dar­über bewusst, dass Mit­ar­bei­ter Stil­fra­gen einen hohen Stel­len­wert ein­räu­men. Eine fal­sche Ent­schei­dung wird eher akzep­tiert als eine pole­mi­sche Flos­kel, die auf Kos­ten eines Mit­ar­bei­ters geht.
  • In jedem Unter­neh­men bestehen vie­le par­al­le­le Infor­ma­ti­ons-Netz­wer­ke, in denen „Betriebs­po­li­tik“ dis­ku­tiert und bewer­tet wird. Gehen Sie davon aus, dass grund­sätz­lich alle Ihrer Aus­sa­gen auf die Gold­waa­ge gelegt wer­den. Wider­sprü­che wer­den gna­den­los auf­ge­deckt und pole­mi­sche Äuße­run­gen soweit inter­pre­tiert und ver­zerrt, bis sie schluss­end­lich mehr Scha­den anrich­ten als nutzen.

Als Geschäfts­füh­rer ste­hen Sie an der Front und müs­sen alle – gele­gent­lich auch unan­ge­neh­me – Inhal­te gegen­über den Mit­ar­bei­tern ver­tre­ten, etwa Umstruk­tu­rie­run­gen, die Ver­wei­ge­rung von Lohn­er­hö­hun­gen oder Abmah­nun­gen. Für vie­le Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gen machen gera­de die­se Auf­ga­ben den Stress-Fak­tor aus. Den­noch: Kol­le­gen, die Ihre sozia­le Kom­pe­tenz gezielt geschult haben, sind immer wie­der erstaunt dar­über, wie posi­tiv sich das auf die Effi­zi­enz und das gesam­te Betriebs­kli­ma auswirkt.

Zollfahndung setzt auf Facebook, Google & Co. 

Auf Anfra­ge teil­te die Bun­des­re­gie­rung jetzt offi­zi­ell mit, dass neben dem BKA und der Bun­des­po­li­zei auch die Zoll­fahn­dung fall­be­zo­gen offen zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen aus dem Inter­net für ihre Arbeit nutzt.

Wer­den Aus­hil­fen, Gering­ver­die­ner, 1- oder 2‑EU­RO-Job­ber beschäf­tigt, muss damit gerech­net wer­den, dass die Behör­den unter den gemel­de­ten Namen der Beschäf­tig­ten in den sozia­len Netz­wer­ken (Face­book, Goog­le, Xing usw.) gezielt nach Infor­ma­tio­nen über das Arbeits­ver­hält­nis oder die Fir­ma suchen. Unbe­dach­te Blog-Bei­trä­ge die­ser Per­so­nen sind dann leicht dazu geeig­net, die Fir­ma in Erklä­rungs­not zu brin­gen oder dass Sie sich gegen (unbe­rech­tig­te) Vor­wür­fe mit Bele­gen und Bewei­sen weh­ren müssen. 

Für die Pra­xis: Geschäfts­füh­rer in sen­si­blen Bran­chen sind gut bera­ten, ihre Mit­ar­bei­ter anzu­hal­ten, dass Infor­ma­tio­nen und Aus­künf­te über das Arbeits­ver­hält­nis nicht in die Öffent­lich­keit gehö­ren. Die Mit­ar­bei­ter soll­ten ent­spre­chend auf­ge­klärt und auf die Kon­se­quen­zen ver­wie­sen werden.

Handwerks-GmbH braucht weiterhin einen Meister

Laut Bundesverwaltungs­gericht (BVerwG) ist die Aus­übung von Hand­werks­be­ru­fen nur zuläs­sig, wenn das Hand­werk durch einen nach der Hand­werks­ord­nung zuge­las­se­ner Meis­ter bzw. durch eine nach der Gesel­len­re­ge­lung zuge­las­se­ne Per­son aus­ge­übt wird. Damit ist die Aus­übung von Hand­werks­be­ru­fen in der Rechts­form der GmbH wei­ter­hin nur mög­lich, wenn ein zuge­las­se­ner Meis­ter die Stel­lung eines ver­ant­wort­li­chen Betriebs­lei­ters in der GmbH hat (BVerwG, Urtei­le vom 31.8.2011, 8 C 8.10 und 8.C 9.10).

Für die Pra­xis: In zwei Ver­fah­ren woll­ten die Klä­ger mit abge­schlos­se­ner Gesel­len­prü­fung einen Fri­seur­sa­lon bzw. einen Dach­de­cker­be­trieb offi­zi­ell als Gewer­be­be­trieb anmel­den. Die Hand­werks­kam­mer ver­wei­ger­te dazu die Zustim­mung. Die Grund­satz­kla­ge gegen die Zuläs­sig­keit der Hand­werks­ord­nung bzw. der Zugangs­be­schrän­kung zu den Hand­werks­be­ru­fen blieb damit wie­der ein­mal ohne Erfolg.

Berlin plant Geldwäsche-Beauftragten für Unternehmen mit mehr als 9 Mitarbeitern

Wie bereits mit dem Daten­schutz­be­auf­trag­ten sol­len alle Unter­neh­men mit mehr als 9 Mit­ar­bei­tern dazu ver­pflich­tet wer­den, einen sog. Geld­wä­sche­be­auf­trag­ten zu bestel­len. War die­ses Vor­ha­ben zunächst nur auf die Bran­chen beschränkt, in denen sich Schwarz­geld­an­le­ger bewe­gen (Immo­bi­li­en, Finanz­an­la­gen usw.), sol­len alle Bran­chen (so z. B. auch der gesam­te Ein­zel­han­del) dazu ver­pflich­tet wer­den, bei auf­fäl­li­gen Geld­flüs­sen von sich aus die Behör­den ein­zu­schal­ten. Zusätz­lich soll die Mel­de­pflicht für Geld­ge­schäf­te ver­schärft wer­den. So müs­sen z. B. Ban­ken bei der Ein­zah­lung von Nicht-Kun­den ab Beträ­gen von 1.000 € alle Per­so­nen-Daten nach dem Geld­wä­sche­ge­setz erheben.

Für die Pra­xis: Die Bun­des­re­gie­rung hat jetzt einen ent­spre­chen­den Gesetz­ent­wurf auf den Weg gebracht. Die Mehr­kos­ten für Betrie­be wer­den dar­in mit ins­ge­samt nur rund 1 Mio. EUR   geschätzt. Nach Ein­schät­zung des DIHT müs­sen die Betrie­be aber mit ins­ge­samt deut­lich höhe­ren Kos­ten rechnen.

Finanzgericht darf ehemaligen Geschäftsführer vorladen

Das Finanz­ge­richt ist berech­tigt, den ehe­ma­li­gen Geschäfts­füh­rer einer insol­ven­ten GmbH zur Ver­hand­lung bzw. zur Beweis­auf­nah­me vor­zu­la­den. Das gilt auch dann, wenn gegen den Geschäfts­füh­rer selbst nicht ermit­telt wird. Das bedeu­tet: Erhält der Geschäfts­füh­rer eine sol­che Vor­la­dung, muss er die­se befol­gen. Andern­falls kann sei­ne Anwe­sen­heit mit Zwangs­geld durch­ge­setzt wer­den (BFH, Urteil vom 11.7.2011, XI B 91/10).

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr Lothar Vol­kelt 

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur der Volkelt-Brief 

BISS > Die Wirt­schafts­sa­ti­re > https://www.gmbh-gf.de/biss/rettung

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