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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 29/2016

Volkelt-FB-01Chef­sa­che: Die Start­Ups aus den eige­nen Rei­hen + Neu­es Urteil: Gehalts­er­hö­hung des Geschäfts­füh­rers + CMS: Die wich­tigs­ten Com­pli­ance-Vor­ga­ben für Mar­ke­ting und Ver­trieb (IV) + Geschäfts­füh­rer-Haf­tung: D&O‑Versicherer müs­sen schnel­ler zah­len + Per­so­nal: So schüt­zen Sie Ihre Fir­ma gegen AGG-Miss­brau­cher  + Stra­te­gie: Indi­en-Invest wird ein­fa­cher + BISS

 

 

 

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Frei­burg 15. Juli 2016

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

seit 2007 wird von ZDF/Stern/Porsche und den Spar­kas­sen der Deut­sche Grün­der­preis auch an erfolgs­träch­ti­ge Start­Ups ver­lie­hen. Mit unter­schied­li­chem Erfolg. Eini­ge Start­Ups haben sich zu einem erfolg­rei­chen Unter­neh­men ent­wi­ckelt, ande­re wur­den auf­ge­kauft und eini­ge sind in der Ver­sen­kung ver­schwun­den. Für 2016 wur­de jetzt eine Mischung aus Sen­sor-Tech­nik und digi­ta­lem Know-How belohnt.

Den 1. Preis gab es für einen Sen­sor-Chip, mit dem kleins­te Ver­än­de­run­gen im Mate­ri­al fest­ge­stellt und gemel­det wer­den – geeig­net z. B. für die Erfas­sung der Mate­ri­al­be­schaf­fen­heit in Wind­rä­dern unter Dau­er­be­las­tung, aber auch im Brü­cken­bau oder in der Gebäu­de­tech­nik. Ent­wi­ckelt von der Würz­bur­ger Fir­ma iNDT­act GmbH und ver­mark­tet unter dem Cla­im „Bau­tei­le, die füh­len“. Auf­fäl­lig ist, dass vie­le der erfolg­rei­chen Start­Ups genau genom­men Aus­grün­dun­gen sind. Die Grün­der haben bei ihren Ex-Arbeit­ge­bern genau hin­ge­schaut und dort vor­ge­fun­de­ne Inno­va­ti­ons­lü­cken kon­se­quent genutzt.

Fakt ist auch, dass in vie­len mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men stän­dig erfun­den und Neu­es getes­tet wird und die so ent­wi­ckel­ten Inno­va­tio­nen über­nom­men oder ver­wor­fen wer­den. Meist ohne Sub­ven­tio­nen. Vor­wärts getrie­ben von enga­gier­ten Mit­ar­bei­tern. Pin-Wän­de für Anre­gun­gen, regel­mä­ßi­ge Mit­ar­bei­ter-Run­den für´s Ideen-Manage­ment, betrieb­li­ches Vor­schlags­we­sen (BVW) oder die Imple­men­tie­rung des kon­ti­nu­ier­li­chen Ver­bes­se­rungs­pro­zes­ses (KVP) gehö­ren in vie­len Unter­neh­men zur Tages­ord­nung. Umso wich­ti­ger ist es, die krea­ti­ven Köp­fe in den Abtei­lun­gen zu iden­ti­fi­zie­ren und zu bin­den. Das ist Chefsache.

Neues Urteil: Gehaltserhöhung des Geschäftsführers 

Dass die Finanz­be­hör­den bei der Gehalts­er­hö­hung für den Geschäfts­füh­rer ganz genau hin­schau­en ist bekannt. Form­mängel (feh­len­der Gesell­schaf­ter-Beschluss, kei­ne ein­deu­ti­ge Bemes­sungs­grund­la­ge) füh­ren beim Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer zu einer ver­deck­ten Gewinn­aus­schüt­tung mit ent­spre­chen­den Steu­er­fol­gen. Der Bun­des­ge­richts­hof hat einen Fall ent­schie­den, der den Finanz­be­hör­den nicht gefal­len dürf­te. Es gilt: Der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­­­füh­rer der GmbH & Co. KG kann allei­ne über sei­ne Gehalts­er­hö­hung bestim­men – und zwar auch dann, wenn er laut dem GmbH-Gesell­schafts­ver­trag NICHT vom Ver­bot des Selbstkontra­hierens (§ 181 BGB) befreit ist (BGH, Urteil vom 15.3.2016, II ZR 114/15).

Den­noch sind Sie als (Gesell­schaf­ter-) Geschäfts­füh­rer nicht nur in der GmbH & Co. KG son­dern auch in der Nur-GmbH/UG gut bera­ten, vor der nächs­ten Gehalts­er­hö­hung zu prü­fen, inwie­weit Sie von der Beschrän­kung des Selbst­kon­tra­hie­rens befreit sind (aus­drück­li­cher Hin­weis auf § 181 BGB im Gesell­schafts­ver­trag oder als geson­der­ter Beschluss der Gesell­schaf­ter, der zum Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen ist). Dann sind Sie auf jeden Fall gegen­über dem Finanz­amt aus dem Schnei­der. Haben Sie den Gesell­schafts­ver­trag nicht zur Hand, kön­nen Sie ihren GmbH-Gesell­schafts­­­ver­trag – nach Regis­trie­rung – im zen­tra­len elek­tro­ni­schen Han­dels­re­gis­ter unter www.handelsregister.de einsehen.

CMS: Die wichtigsten Compliance-Vorgaben für Marketing und Vertrieb

Neben den all­ge­mei­nen Vor­ga­ben (vgl. Nr. 28/2016) für alle Mit­ar­bei­ter des Unter­neh­mens, ist es wich­tig, beson­de­re Leit­li­ni­en für die ein­zel­nen Berei­che vor­zu­ge­ben. Ver­wei­sen Sie dabei auf die spe­zi­el­len zusätz­li­chen gesetz­li­chen Vor­schrif­ten, die dort im Arbeits­pro­zess beach­tet wer­den müs­sen. Das betrifft auch die Berei­che Mar­ke­ting und Ver­trieb. Da hier in der Regel vie­le Außen­kon­tak­te ent­ste­hen und das Unter­neh­men „im öffent­li­chen Raum“ statt­fin­det, ist es wich­tig kei­ne Angriffs­flä­chen zu bie­ten. In der Pra­xis des klei­ne­ren Unter­neh­mens sind das 5 Regelungspunkte:

  • Ver­pflich­tun­gen im Umgang mit Kun­den und Geschäfts­part­nern: Wei­sen Sie Ihre Mit­ar­bei­ter mit exter­nen Kon­tak­ten expli­zit dar­auf hin, dass Sie einen jeder­zeit kor­rek­ten, fai­ren und höf­li­chen Umgang mit Kun­den und Geschäfts­part­nern erwarten
  • Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung wett­be­werbs­recht­li­cher Vor­schrif­ten: Das sind in der Regel die Vor­schrif­ten über Prei­se (Preis­AngG), Vor­ga­ben für die Wer­bung (UWG), Anga­ben auf Geschäfts­brie­fen (§ 35a GmbHG), Ver­weis auf Wider­rufs­rech­te (TMG) und der Hin­weis auf die gel­ten­den All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB).
  • Anzei­ge­pflicht für unan­stän­di­ge Ange­bo­te: Wei­sen Sie Ihre Mit­ar­bei­ter dar­auf hin, dass Geschäfts-unüb­lich Ange­bo­te der vor­ge­setz­ten Stel­le ange­zeigt wer­den. Das sind z. B. Ange­bo­te für Schmier­gel­der, Ein­la­dun­gen für ansons­ten kos­ten­pflich­ti­ge Ange­bote (Rei­sen, Semi­na­re, Kon­zer­te, Sport-Events).
  • Gren­zen für Geschen­ke von Geschäfts­part­nern: Legen Sie Gren­zen fest, ab deren Wert Geschen­ke von Geschäfts­part­nern ange­zeigt wer­den müs­sen (z. B. ab 10 €) bzw. ab der Geschen­ke nicht ange­nom­men wer­den dür­fen (z. B. ab 35 €).
  • Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung von kar­tell­recht­li­chen Vor­ga­ben: Wei­sen Sie Ihre Mit­ar­bei­ter (Ver­trieb) aus­drück­lich dar­auf hin, dass die Preis- und Kon­di­tio­nen-Poli­tik des Unter­neh­mens Geschäfts­ge­heim­nis ist. Von den offi­zi­el­len Prei­sen abwei­chen­de Ver­ein­ba­run­gen sind mit der Geschäfts­lei­tung abzusprechen.
Nicht immer reicht der Ver­stoß eines Mit­ar­bei­ters gegen gel­ten­des Recht für eine (frist­lo­se) Kün­di­gung. Wenn Sie die­se Com­pli­ance-Leit­li­ni­en in den Arbeits­ver­trä­gen der Mit­ar­bei­ter aus den Berei­chen Mar­ke­ting und Ver­trieb ver­ein­ba­ren, dann kann ein Ver­stoß vom Arbeits­ge­richt als eine Ver­let­zung der Neben­pflich­ten aus dem Arbeits­ver­trag für eine ver­hal­tens­be­ding­te Kün­di­gung aus­rei­chen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Beauf­tra­gen Sie Ihren Rechts­be­ra­ter beim nächs­ten Ver­trags-Upgrade, ent­spre­chen­de For­mu­lie­run­gen zu den 5 oben genann­ten Punk­ten einzuarbeiten.

Geschäftsführer-Haftung: D&O‑Versicherer müssen schneller zahlen 

Gute Nach­richt für alle Fir­men, die für ihre Geschäfts­lei­tun­gen eine D&O‑Versicherung abge­schlos­sen haben und die einen Scha­dens­fall abwi­ckeln müs­sen: Bis­her konn­te das Jah­re dau­ern, z. B. dann, wenn das Ver­fah­ren durch meh­re­re Instan­zen geführt wer­den muss­te. Grund: Es muss­ten zwei getrenn­te Gerichts­ver­fah­ren geführt wer­den. Eines, um gegen den Geschäfts­füh­rer Ansprü­che durch­zu­set­zen und zum ande­ren um zu klä­ren, ob der Scha­den ein Ver­si­che­rungs­fall ist. Dazu gibt es jetzt ein wich­ti­ges Urteil des Bundes­gerichtshofs (BGH). Danach kön­nen in Zukunft bei­de Ver­fah­ren zu einem ein­heit­li­chen Ver­fah­ren zusammen­gefasst wer­den. Die BGH-Rich­ter machen die­sen Weg mög­lich, indem Sie eine Abtre­tung der Ansprü­che des Geschäfts­füh­rers an das Unter­neh­men jetzt aus­drück­lich zuge­las­sen haben (BGH, Urtei­le vom 13.4.2016, IV ZR 304/13, IV ZR 51/14).

Fast alle D&O‑Versicherer haben ein sol­ches Abtre­tungs­ver­bot (auch: Ver­pfän­dungs­ver­bot) in ihren All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB) vor­ge­ge­ben. Das ist aber aus Sicht des BGH nicht halt­bar. Es han­delt sich um einen sog. Inn­haf­tungs-Fall. Für Unter­neh­men, die nach einem Scha­dens­fall mit dem feh­ler­be­haf­te­ten Geschäfts­füh­rer den­noch wei­ter machen wol­len, ist das höchst erfreu­lich: Sie müs­sen nicht extra gegen ihren Mana­ger kla­gen – mit den damit ver­bun­de­nen Frik­tio­nen und nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen im und auf das All­tags­ge­schäft. Zu befürch­ten ist aller­dings, dass eini­ge der D&O‑Versicherer die neue Rechts­la­ge dazu nut­zen wer­den, ihre Ver­si­che­rungs-Poli­cen unter den geän­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen neu zu kal­ku­lie­ren. Dann dürf­ten die ohne­hin schon teu­ren Prä­mi­en für die Mana­ger-Ver­si­che­run­gen wei­ter stei­gen. Für die Geschäfts­füh­run­gen klei­ne­rer und mit­tel­gro­ßer, inha­ber­ge­führ­ter Unter­neh­men ist die D&O in Deutsch­land ohne­hin kei­ne wirk­li­che Option.

Personal: So schützen Sie Ihre Firma gegen AGG-Missbraucher 

Unter­des­sen gilt das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) seit 10 Jah­ren. Zur befürch­te­ten Flut von gericht­li­chen Ver­fah­ren ist es aber nicht gekom­men. Den­noch gibt es immer wie­der Ver­su­che von Bewer­bern, Ent­schä­di­gun­gen zu erstrei­ten. Nach wie vor wer­den – was in Inter­net-Zei­ten ein­fach ist – Stel­len­aus­schrei­bun­gen sys­te­ma­tisch auf Feh­ler recher­chiert. Umge­kehrt ist in man­cher Per­so­nal­ab­tei­lung (wenn nur sel­ten aus­ge­schrie­ben wird) der Leicht­sinn ein­ge­kehrt. Ver­meid­ba­re Feh­ler sind:

  • In der Stel­len­aus­schrei­bung: Auf jeden Fall geschlechts­neu­tral (Sachbearbeiter/in), Vor­sicht bei Sprach­kennt­nis­sen (rich­tig: Gute deut­sche Sprach­kennt­nis­se; falsch: Mut­ter­spra­che Deutsch) und – Feh­ler-Ten­denz zuneh­mend – Vor­sicht bei Alters­vor­ga­ben (nicht: Jun­ges Team) und bei der Anfor­de­rung eines Bewerbungsfotos.
  • Im Bewer­bungs­ge­spräch: Kei­ne unzu­läs­si­gen Fra­gen (Schwan­ger­schaft, Behin­de­rung, Pri­vat­le­ben, Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit), kei­ne dis­kri­mi­nie­ren­den Äuße­run­gen im Gespräch (Hal­ten Sie sich zurück mit Bemer­kun­gen zu allen Diskriminierungs­kriterien wie Alter, Geschlecht, Reli­gi­on usw.). Blei­ben Sie stets sach­lich und las­sen Sie sich nicht zu spon­ta­nen Aus­sa­gen verleiten.
  • Im Ableh­nungs-Schrei­ben: Auf der siche­ren Sei­te sind Sie, wenn Sie kei­ne Begrün­dung für die Ableh­nung geben, auch nicht anschlie­ßend auf tele­fo­ni­sche Nach­fra­ge – dar­auf müs­sen alle mit der Bewer­bung befass­ten Mit­ar­bei­ter aus­drück­lich hin­ge­wie­sen wer­den. Es genügt, wenn Sie sich für die Bewer­bung bedan­ken und die Unter­la­gen zu Ihrer Ent­las­tung kom­men­tar­los – höchs­tens ver­se­hen mit der Bemer­kung: „Wir haben die Stel­le unter­des­sen besetzt“ – zurückreichen.
Zur­zeit steht erst­mals ein sog. AGG-Hop­per (hier: RA Nils Krat­zer) selbst vor dem OLG Mün­chen. Vor­wurf: „gewerbs­mä­ßi­ger Betrug“. Das wird span­nend. Im abschlie­ßen­den Urteil dürf­ten eini­ge Grund­sät­ze auf­ge­stellt wer­den, nach denen sich Unter­neh­men gegen miss­bräuch­li­che Bewer­bun­gen schüt­zen kön­nen. Wir hal­ten Sie auf dem Lau­fen­den. Bis dahin soll­ten Sie Stel­len­aus­schrei­bun­gen und das anschlie­ßen­de Bewer­bungs­ver­fah­ren sehr sen­si­bel und vor­beu­gend ange­hen. Dazu gehört auch, dass Sie zum Bewer­bungs­ge­spräch grund­sätz­lich einen Zeu­gen teil­neh­men las­sen (z. B. für die Protokollführung).

Strategie: Indien-Invest wird einfacher

Aus­län­di­sche Inves­to­ren dür­fen jetzt die Mehr­heit an einem in Indi­en ansäs­si­gen und täti­gen Unter­neh­men erwer­ben. Danach wer­den die Ober­gren­zen für aus­län­di­sche Direkt­in­ves­ti­tio­nen in meh­re­ren Bran­chen (Flug­li­nie, Phar­ma) erwei­tert oder ganz abge­schafft. Außer­dem wird der Markt­zu­gang für Unter­neh­men, die nur eine Mar­ke ver­kau­fen (z. B. Apple, aber auch: Aus­stat­ter-Mar­ken wie Adi­das oder Mode-Labels), erleichtert.

Aus­führ­li­che Infor­ma­tio­nen zum Markt Indi­en gibt es auf den Inter­net-Sei­ten des Aus­wär­ti­gen Amtes unter www.auswaertiges-amt.de > Außen- und Euro­pa­po­li­tik > Län­der­in­for­ma­tio­nen > Indi­en > Wirt­schaft. Die oben ange­spro­che­nen Markt-Erleich­te­run­gen sind bereits der zwei­te Schritt zu einer glo­ba­len Öff­nung des indi­schen Mark­tes auch für aus­län­di­sche Inves­to­ren (Betei­li­gun­gen), für die Grün­dung von Toch­ter­ge­sell­schaf­ten oder die Ansied­lung von Nie­der­las­sun­gen oder Filialen.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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