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Volkelt-Brief 18/2016

Volkelt-FB-01Geschäfts­füh­rer-Haf­tung: Neu­es Urteil nennt kon­kre­te GF-Pflich­ten + Stress-Job „Geschäfts­füh­rer“: Neu­es­te Erkennt­nis­se zum Stress­ab­bau + GmbH-Finan­zen: 0‑Zins blo­ckiert Fir­men-Ver­käu­fe – was tun? + Neu­es BGH-Urteil: Der GmbH-Gesell­schaf­ter hat Stimm­rechts-Hoheit + Neu­es BGH-Urteil: Der Gesell­schaf­ter hat Stimm­rechts-Hoheit + GmbH-Recht: Neue Urtei­le zur „Gesell­schaft­er­lis­te“ + GF-Finan­zen: Gehalts-Ober­gren­ze wird Wahl­kampf­the­ma + Mit­ar­bei­ter: Ers­te Schlupf­lö­cher im AGGBISS

 

 

 

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Frei­burg 29. April 2016

Sehr geehrte Geschäftsführer-Kollegin, sehr geehrter Kollege,

wenn Sie Ihre eige­ne Fir­ma an die Wand fah­ren, beschränkt sich Ihre per­sön­li­che Haf­tung aus Ihrer Geschäfts­füh­rungs-Tätig­keit auf Geset­zes­ver­stö­ße – also z. B. das Vor­ent­hal­ten von Steu­ern oder Sozi­al­bei­trä­gen. Für den Geschäfts­füh­rer ohne Betei­li­gung an der GmbH (Fremd-Geschäf­te­füh­rer) ist die Sache kom­pli­zier­ter. Sie ver­wal­ten frem­des Ver­mö­gen und soll­ten sich dar­auf ein­rich­ten, dass dane­ben auch die Gesell­schaf­ter selbst bei einem Ver­mö­gens­ver­lust gezielt nach Feh­ler suchen – nach Ihren Fehlern.

Dazu gibt es jetzt ein neu­es Urteil (OLG Schles­wig, Urteil vom 17.2.2016, 9 U 58/15), das Sie ken­nen müs­sen. Danach ist der Geschäfts­füh­rer ver­pflich­tet, das unter­neh­me­ri­sche Han­deln auf eine sorg­fäl­ti­ge Ermitt­lung der Ent­schei­dungs­grund­la­gen zu stüt­zen, alle ver­füg­ba­ren Infor­ma­ti­ons­quel­len aus­zu­schöp­fen und auf­grund des­sen die Vor- und Nach­tei­le der bestehen­den Hand­lungs­mög­lich­kei­ten sorg­fäl­tig abzu­schät­zen und so den erkenn­ba­ren Risi­ken Rech­nung zu tra­gen. Kon­kret: Ori­en­tiert sich der Geschäfts­füh­rer bei sei­ner Ent­schei­dung z. B. an einer Mach­bar­keits­stu­die, die 3 ½ Jah­re alt ist und die bei den zu erwar­ten­den Besu­cher­zah­len deut­lich von den tat­säch­lich erreich­ten Besu­cher­zah­len abweicht, kann er sich scha­dens­er­satz­pflich­tig machen.

Wei­ter­füh­rend: vgl. dazu auch Nr. 33/2010 bzw. OLG Schles­wig, Urteil vom 11.2.2010, 5 U 60/09 (Han­dels- und steu­er­recht­li­che Pflicht-Kennt­nis­se des GmbH-Geschäftsführers).

Damit führt das Gericht aus, was unter der „Sorg­falts­pflicht“ des Geschäfts­füh­rers kon­kret gemeint ist. Es genügt also in kei­nem Fall, sich auf die Papier­form zu ver­las­sen. Sie müs­sen Plau­si­bi­li­tä­ten erken­nen, wis­sen, wo wel­che Zusatz­in­for­ma­tio­nen not­wen­dig sind und sich im Zwei­fel Exper­ten­mei­nun­gen ein­ho­len (vgl. OLG Olden­burg, Urteil vom 22.6.2006, 1 U 34/03). ACHTUNG: Beson­ders für uner­fah­re­ne Geschäfts­führer ist es ein gro­ßes Risi­ko, wenn Sie sich auf die Vor­la­gen von Mit­ar­­­beitern ver­las­sen, deren Qua­li­fi­ka­tio­nen und Inter­es­sen­la­ge sie (noch) nicht ein­schät­zen können.

Stress-Job „Geschäftsführer“: Neueste Erkenntnisse zum Stressabbau

Hart­mut Meh­dorn, Ex-Air­bus, ‑DB und BER-Chef, fin­det: „Wich­tig ist, dass man Neh­mer­qua­li­tä­ten hat“. Fakt ist, dass Geschäfts­füh­rer in der Regel 60 Stun­den und mehr in der Woche arbei­ten, viel unter­wegs sind, wenig Zeit zum Rege­ne­rie­ren haben und sich kei­ne Feh­ler leis­ten dür­fen. Aller­dings hat sich die Inten­si­tät die­ser Belas­tungs­fak­to­ren in den letz­ten Jah­ren ver­viel­facht. Vie­le Kol­le­gen haben in en letz­ten Jah­ren ihren eige­nen Rhyth­mus aus Rege­ne­ra­ti­on, Kör­per­lich­keit und men­ta­ler Ent­span­nung gefunden.

Vie­le Kol­le­gen müs­sen fest­stellen, dass die Belas­tun­gen nicht weni­ger wer­den. Zwar ist der gute Wil­le zur Ver­än­de­rung da. In der Pra­xis hilft das aber nicht wirk­lich wei­ter. Neu­es­te Stu­di­en bele­gen: 18 % aller Arbeit­neh­mer (auch Füh­rungs­kräf­te) sto­ßen regel­mä­ßig an ihre Leis­tungs­gren­zen, 23 % schaf­fen es nicht mehr, dem ste­ten Druck zu ent­rin­nen (Bertelsmann/Barmer GEK). Unter hoher Belas­tung wer­den weni­ger Kalo­rien ver­braucht und der Insu­lin­pe­gel steigt an (Ohio Sta­te Uni­ver­si­ty). 27 % der Mana­ger sind bis kurz vor dem Schla­fen „online“. Vier von zehn Chefs trin­ken abends in der Regel mehr als ein Glas Wein oder Bier.

Jeder muss sei­ne eige­ne „Mit­te“ fin­den. Das gilt für Arbeits- und Rege­ne­ra­ti­ons­zei­ten, für die sport­li­che Belas­tungs­gren­ze wie für den rich­ti­gen Umgang mit ande­ren sozia­len Fak­to­ren (Fami­lie, Freun­de, Hob­by). Als gesun­de Faust­re­gel soll­ten Sie sich aber an der unter­des­sen von (fast) allen Medi­zi­nern ver­tre­te­nen 7‑Stun­den-Regel ori­en­tie­ren: Ach­ten Sie dar­auf, dass Sie durch­schnitt­lich 7 Stun­den schla­fen. Weni­ger ist auf Dau­er gesund­heits­schäd­lich. Aber auch, wer regel­mä­ßig mehr als sie­ben Stun­den schläft, ver­kürzt sei­ne Lebens­er­war­tung (Quel­le: Curt Diehm, Chef­arzt und Direk­tor Max Grun­dig Kli­nik, Baden-Baden).

GmbH-Finanzen: 0‑Zins blockiert Firmen-Verkäufe – was tun?

Die Null­zins-Poli­tik der EZB bringt auch GmbH-Finanz­chefs in die Bre­douil­le. Was tun mit dem ange­spar­ten GmbH-Ver­mö­gen ohne ins Risi­ko zu inves­tie­ren? (vgl. Nr. 8/2016). Die Null­zins-Poli­tik zeigt auch Wir­kung auf Fir­men-Ver­käu­fe. Vie­le Kol­le­gen zie­hen den Ver­kauf ihrer GmbH in die Län­ge, weil sie nicht wis­sen, wie Sie den erziel­ten Ver­kaufs­preis wirt­schaft­lich sinn­voll und risi­ko-resis­tent anle­gen kön­nen. Die Indus AG, Deutsch­lands größ­te Mit­tel­stands-Hol­dings-Gesell­schaft, mel­det weni­ger Fir­men-Akqui­sen. Auch die auf Fir­men­käu­fe spe­zia­li­sier­te Kanz­lei Rödl & Part­ner mel­det Sta­gna­ti­on. Bei Indus hat man sich neue Ein­kaufs-Stra­te­gien ein­fal­len las­sen, von denen ver­kaufs­wil­li­ge Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer pro­fi­tie­ren. Fol­gen­de Gestal­tun­gen sind der­zeit gut durchsetzbar:

  • Sie ver­kau­fen an einen Mit­tel­stands-Inves­tor, der einen Teil als Kauf­preis in bar zahlt und einen ande­ren Teil des Kauf­prei­ses als Betei­li­gung in Akti­en aus­gibt. Vor­teil: Sie pro­fi­tie­ren wei­ter­hin von der guten Ren­di­te des Unter­neh­mens, die Wei­ter­füh­rung des Unter­neh­mens ist sicher gestellt und die Nach­fol­ge kann ohne zins­be­ding­te Ver­zö­ge­rung umge­setzt werden.
  • Ande­re Mit­tel­stands-Inves­to­ren legen Wert dar­auf, dass der Fir­men­in­ha­ber – sprich ehe­ma­li­ge Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer – wei­ter an Bord bleibt, um die Fir­men­kul­tur zu wah­ren bzw. fort­zu­füh­ren und das vor­han­de­ne Know-how wei­ter ein­zu­bin­den. In der Pra­xis sind hier gut dotier­te und abge­si­cher­te Ver­trags­ge­stal­tun­gen mög­lich – etwa als Anstel­lungs­ver­trag (inkl. Abfin­dungs­ver­ein­ba­rung und nach­ver­trag­li­chem Wett­be­werbs­ver­bot gegen eine gute Karenzzahlung).
Unter­des­sen gibt es zahl­rei­che Mit­tel­stands-Hol­dings, unter deren Dach klei­ne­re und klei­ne mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, die sich fach­lich und bran­chen­be­zo­gen sinn­voll ergän­zen, Syn­er­gien bil­den. Eini­ge haben sich aus Manage­ment-Buy-Outs ent­wi­ckelt, ande­re aus Ban­kern oder M&A‑Managern, die erkannt haben, dass klei­ne­re mit­tel­stän­di­sche Fir­men ein inter­es­san­tes Port­fo­lio haben und auch wegen der klei­ne­ren Betriebs­grö­ße eine gute Ren­di­te ablie­fern. Je bes­ser Ihre GmbH in einen sol­chen Unter­neh­mens­ver­bund passt, umso bes­se­re Chan­cen haben Sie bei der Rea­li­sie­rung eines guten Kauf­prei­ses bzw. eine Ihren Inter­es­sen ent­ge­gen­kom­men­de Ver­trags­ge­stal­tung. Es gilt: Kein Enga­ge­ment ohne nach­ge­prüf­te Referenzen.

Neues BGH-Urteil: Der GmbH-Gesellschafter hat Stimmrechts-Hoheit

Im Ver­fah­ren der Media-Markt-Grün­dungs­ge­sell­schaf­ter mit der Metro-Grup­pe hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) jetzt abschlie­ßend ent­schie­den. Strit­tig waren Beschlüs­se der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zur Ver­trags­ge­stal­tung mit den Toch­ter- und Enkel-Unter­neh­men. Die Grün­dungs­ge­sell­schaf­ter hal­ten 21,62 % der Antei­le und beru­fen sich dar­auf, dass die im Gesell­schafts­ver­trag vor­ge­se­he­ne Beschluss-Mehr­heit von 80 % für eine wirk­sa­me Beschluss­fas­sung ohne ihre Stim­men nicht erreicht wer­den kann.

Dazu der BGH: „Der Gesell­schaf­ter ist in sei­nem Abstim­mungs­ver­hal­ten grund­sätz­lich frei“ (BGH, Urteil vom 12.4.2016, II ZR 275/14). Nur wenn es zur Erhal­tung der geschaf­fe­nen Wer­te objek­tiv unab­weis­bar erfor­der­lich ist und es den Gesell­schaf­tern unter Berück­sich­ti­gung ihrer eige­nen schutz­wür­di­gen Belan­ge zumut­bar ist, kann er zur Zustim­mung zu einer bestimm­ten Maß­nah­me ver­pflich­tet sein.

Müs­sen die Gesell­schaf­ter einen Beschluss gegen den Wil­len eines Gesell­schaf­ters durch­set­zen, ist dies ohne gut­ach­ter­li­che Stel­lung­nah­me (etwa den Steu­er­be­ra­ter oder Wirt­schafts­prü­fer) kaum zu errei­chen. Das ist z. B. dann ange­ra­ten, wenn die GmbH ohne Beschluss­maß­nah­men in eine Insol­venz­si­tua­ti­on gera­ten wür­de (hier: Zustim­mung zu einer Kapi­tal­erhö­hung). Wol­len die Gesell­schaf­ter ledig­lich eine Maß­nah­me beschlie­ßen, die z. B. zur Erhö­hung der EK-Ren­di­te führt, dürf­te das nicht genü­gen, um den Gesell­schaf­ter zur Zustim­mung zu einer sol­chen Ent­schei­dung gericht­lich zu zwingen.

GmbH-Recht: Neue Urteile zur „Gesellschafterliste“

Als Geschäfts­füh­rer der GmbH sind Sie ver­ant­wort­lich dafür, dass die beim Regis­ter­ge­richt hin­ter­leg­te Lis­te der Gesell­schaf­ter kor­rekt geführt ist. Falsch­ein­trä­ge gehen zur Ihren las­ten, z. B. wenn der Erwer­ber eines GmbH-Anteils fest­stel­len muss, dass der Kauf nicht recht­mä­ßig war. Jetzt gibt es 2 neue Urtei­le dazu, die Sie ken­nen müssen:

  1. Ist ein Gesell­schaf­ter in der Gesell­schaft­er­lis­te ein­ge­tra­gen, gewährt ihm das einen vor­läu­fi­gen Recht­schutz in strit­ti­gen Ein­zie­hungs­ver­fah­ren. Damit ist sicher­ge­stellt, dass er bis zum gericht­li­chen Ent­scheid in der Sache sei­ne vol­len Gesell­schaf­ter­rech­te (z. B. das Gewinn­be­zugs­recht) behält (KG Ber­lin, Beschluss vom 24.8.2015, 23 U 20/15).
  2. Als Geschäfts­füh­rer kön­nen Sie die Ein­tra­gung eines neu­en Gesell­schaf­ters in die Gesell­schaft­er­lis­te nur dann gericht­lich durch­set­zen, wenn ein anhän­gi­ger Rechts­streit zwi­schen der GmbH und einem ihrer Gesell­schaf­ter abschlie­ßend ent­schie­den ist (KG Ber­lin, Urteil vom 10.12.2015, 23 U 99/15).
Gibt es in der GmbH und/oder zwi­schen den GmbH-Gesell­schaf­tern Zer­würf­nis­se um die Gesell­schaf­ter­ei­gen­schaft (Ein­zie­hung eines GmbH-Anteils, Aus­schluss eines Gesell­schaf­ters) hält sich das Regis­ter­ge­richt her­aus. Ein Ein­trag in die Gesell­schaft­er­lis­te wird nur vor­ge­nom­men, wenn das gericht­li­che Ver­fah­ren end­gül­tig abge­schlos­sen ist. „Tat­sa­chen Schaf­fen“ mit einer mani­pu­lier­ten Gesell­schaft­er­lis­te ist danach kaum mög­lich und bringt in der Pra­xis nicht wirk­lich etwas.

GF-Finanzen: Gehalts-Obergrenze wird Wahlkampfthema

Gegen das schlech­te Abschnei­den bei den Land­tags­wah­len ver­sucht die SPD neue The­men zu beset­zen. Wie schon im Bun­des­tags­wahl­kampf 2013 wird die Mana­ger-Gehalts­de­bat­te gepuscht – die Dis­kus­sio­nen um die Boni-Ansprü­che des (gestrau­chel­ten) VW-Vor­stand lie­fern dazu der­zeit das pas­sen­de PR-Umfeld. 2013 waren SPD und GRÜNE mit der For­de­rung nach einer Gehalts­ober­gren­ze von 500.000 € ange­tre­ten. Das soll­te zunächst nur für Geschäfts­füh­rer und Vor­stän­de in öffent­lich-recht­li­chen Unter­neh­men gelten.

Noch wei­ter gehen­de Vor­schlä­ge lagen aller­dings auch schon damals in den Schub­la­den – und damit wären dann auch gut ver­die­nen­de GmbH-Geschäfts­füh­rer betrof­fen. Danach soll­ten die Gehäl­ter von Füh­rungs­kräf­ten gene­rell nur noch bis zu 500.000 € jähr­lich zum Betriebs­aus­ga­ben­ab­zug zuge­las­sen werden.

Mitarbeiter: Erste Schlupflöcher im AGG

Laut ArbG Köln darf ein Arbeit­ge­ber eine Arbeit­neh­me­rin suchen, wenn er sein Ser­vice-Team mit Frau­en und Män­nern beset­zen will und er nur männ­li­che Ange­stell­te beschäf­tigt. Dann han­delt es sich bei der geschlechts­spe­zi­fi­schen Suche nicht um einen Ver­stoß gegen das AGG (Urteil vom 10.2.2016, 9 Ca 4843/17).

Das Gericht betont die Aus­nah­me­si­tua­ti­on die­ser Ent­schei­dung. Für die Pra­xis ist wich­tig, dass Sie – nach die­sem Urteil – im begrün­de­ten Fall ganz gezielt nach einer/m weiblichen/männlichen Bewerber/in aus­schrei­ben dür­fen, ohne dass Sie sofort mit einem Rechts­ver­stoß inkl. Abmahn­kos­ten und/oder Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen bedroht sind. Bes­ter Grund für eine geschlechts­spe­zi­fi­sche Aus­schrei­bung: Sie wol­len für Ihre Kun­den ganz bewusst männ­li­che und weib­li­che Kun­den­be­ra­ter einsetzen.

 

Mit bes­ten Grüßen

Lothar Volkelt

Her­aus­ge­ber + Chefredakteur

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