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Archiv: Volkelt-Briefe

Volkelt-Brief 11/2012

The­men heu­te: Geschäfts­füh­rer muss Gehalt in der Kri­se kür­zen – aber es gibt auch Aus­nah­men und das FA darf dar­aus kei­ne vGA machen + NEU: Steu­er­an­mel­dun­gen unbe­dingt pünkt­lich abge­ben – sonst wird die Steu­er­fahn­dung benach­rich­tigt + Geschäfts­füh­rer: Vor­sicht bei Wie­der­bel­bung einer still­gelg­ten GmbH (auch: Man­tel­kauf mit Ver­lust­vor­trag) + 1 Monats­frist für Kla­ge gegen Gesell­schaf­ter­be­schluss muss im Ein­zel­fall geprüft wer­den + Geschäfts­füh­rer muss AGG aus­hän­gen oder ins Intra­net stel­len + BISS .…

 

 

11. KW 2012 Frei­tag, 16.3.2012

Sehr geehr­te Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gin, sehr geehr­ter Kollege,

ganz gleich ob Fremd- oder Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer: Geht es der GmbH wirt­schaft­lich schlecht, muss der Geschäfts­füh­rer eine Gehalts­kür­zung hin­neh­men. Das ergibt sich aus sei­ner „Organ­stel­lung“ und der damit ver­bun­de­nen Treue­pflicht zu sei­ner Gesell­schaft. Auch die Gerich­te sehen das so (vgl. BGH mit Urteil vom 15.6.1992, II  ZR 88/91).

Eini­ge Insol­venz­ver­wal­ter nut­zen die­se Rechts­la­ge in der Pra­xis fast schon regel­mä­ßig dazu, bereits aus­ge­zahl­tes Geschäfts­füh­rer-Gehalt zurück­zu­ver­lan­gen, um damit Schul­den der GmbH zu beglei­chen. Aber ganz so ein­fach geht es nicht. Mit aktu­el­lem Urteil hat das Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf fest­ge­stellt: Wird das Gehalt auf der Grund­la­ge eines Anstel­lungs­ver­tra­ges gezahlt (was üblich ist) und ent­spricht die Ver­gü­tung markt­üb­li­chen Bedin­gun­gen, kann der Insol­venz­ver­wal­ter eine Gehalts­rück­zah­lung nicht ver­lan­gen (OLG Düs­sel­dorf, Urteil vom 7.12.2011, 16 U 19/10).

Für die Pra­xis: Das hat auch Aus­wir­kun­gen auf die steu­er­li­che Behand­lung beim Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer. So kann das Finanz­amt nicht mehr ein­fach eine nicht durch­ge­führ­te Gehalts­kür­zung als ver­deck­te Gewinn­aus­schüt­tung besteu­ern. Steht dem Geschäfts­füh­rer die Gehalts­zah­lung näm­lich recht­lich zu,  ist auch das Finanz­amt an die zivil­recht­li­che Beur­tei­lung gebun­den. Den­noch: Gera­de als Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer soll­ten Sie in der wirt­schaft­li­che Kri­se sehr vor­beu­gend han­deln und Ihr Gehalt immer dann nach unten anpas­sen, wenn die GmbH über eine län­ge­re Pha­se Ver­lus­te erwirt­schaf­tet. Faust­re­gel: ab dem 3 Ver­lust­jahr in Fol­ge. Im Ein­zel­fall soll­ten Sie sich unbe­dingt mit dem Steu­er­be­ra­ter abstim­men.

NEU: Steuer-Meldungen unbedingt pünktlich erledigen 

Die inter­nen Anwei­sun­gen für das Straf- bzw. Buß­geld­ver­fah­ren (AStBV), in denen gere­gelt ist, wie sich die Steu­er­be­hör­den unter­ein­an­der infor­mie­ren müs­sen, wur­den behör­den-intern neu gere­gelt bzw. ver­schärft. Bis­her gab es einen Ermes­sens­spiel­raum, ob die Finanz­äm­ter die Straf­sa­chen­stel­len über ver­spä­te­te Steu­er­an­mel­dun­gen infor­mie­ren. In der Regel wur­de davon erst bei mehr­ma­li­gen Ver­säum­nis­sen Gebrauch gemacht. In der Neu­fas­sung der AStBV (Quel­le: BStBl 2011 Teil I, S. 1000) ist von einem Ermes­senspiel­raum kei­ne Rede mehr. Im Klar­text: Die Finanz­äm­ter müs­sen ab sofort bei Frist­über­schrei­tun­gen auch die Steu­er­straf­stel­le benach­rich­ti­gen. Die­se ent­schei­det dann dar­über, ob sie das Ver­säum­nis –  u. U. sogar das erst­ma­li­ge Ver­säum­nis – einer recht­zei­ti­gen Steu­er­mel­dung zum Anlass neh­men will, z. B. eine Betriebs­prü­fung anzuordnen.

Für die Pra­xis: Das betrifft alle Steu­er­mel­dun­gen – also die Lohn­steu­er, die Umsatz­steu­er, Kör­per­schaft­steu­er und Soli­da­ri­täts­zu­schlag, aber auch Ver­säum­nis­se bei den Vor­aus­zah­lun­gen auf die Ein­kom­men­steu­er und ggf. die Gewer­be­steu­er. Wei­sen Sie die zustän­di­gen Mit­ar­bei­ter an, Steu­er-Ter­mi­ne pünkt­lich ein­zu­hal­ten. Ver­wei­sen Sie dabei auf die neue Rechts­la­ge. Unver­än­dert gilt: Fällt der Mel­de­ter­min auf das Wochen­en­de (z. B. der 10. ist ein Sams­tag, Sonn­tag) muss die Mel­dung bzw. der Zah­lungs­ein­gang bis zum nächs­ten Wochen­tag, in der Regel dem Mon­tag erfolgen.

Immer mehr Kartellverfahren gegen mittelständische Unternehmen

Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Röß­ler hat ange­kün­digt, das Kar­tell­recht zu über­prü­fen. Ziel ist dabei aller­dings nicht, das umstrit­te­ne Ver­fah­rens­recht (vgl. dazu Vol­kelt-Brief 1/2012) zu ver­ein­fa­chen und die umstrit­te­ne Kron­zeu­gen­re­ge­lung auf den Prüf­stand zu stel­len. Der FDP-Minis­ter for­dert sogar eine wei­te­re Ver­schär­fung mit dem Ziel, die inter­na­tio­na­len Ölkon­zer­ne ins­be­son­de­re den Ben­zin- und Die­sel­preis stär­ker kon­trol­lie­ren zu können.

Unter­des­sen setzt sich in Deutsch­land der Trend fort, dass die Kar­tell­be­hör­den ver­stärkt sog. Nischen­märk­te unter die Lupe neh­men. Das betrifft alle Märk­te, in denen Son­der­pro­duk­te von weni­gen Anbie­tern ver­trie­ben wer­den. Zuletzt haben die deut­schen Kar­tell­be­hör­den ein Buß­geld von 30 Mio. € gegen die Her­stel­ler von Lösch­fahr­zeu­gen (eine Ive­co-Toch­ter und 3 Wett­be­wer­ber) ver­hängt. Zusätz­li­cher Effekt: Damit sind die Vor­aus­sat­zun­gen auch für einen Scha­dens­er­satz der betrof­fe­nen Kun­den geschaf­fen. Vie­le Kom­mu­nen haben bereits ange­kün­digt, dass sie zusätz­lich Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen stel­len werden.

Für die Pra­xis: Neh­men Sie regel­mä­ßig an Bran­chen-Erfa-Tref­fen teil, müs­sen Sie auf­pas­sen. Auch, wenn Sie sich nur mit einem oder weni­gen Wett­be­wer­bern zu einem Bran­chen­ge­spräch ver­ab­re­den, z. B. um die Umset­zung einer neu­en gesetz­li­chen Vor­schrift gemein­sam zu bespre­chen. Vor­sicht mit Pro­to­kol­len und ande­ren schrift­li­chen Auf­zeich­nun­gen. Ach­ten Sie dar­auf, was pro­to­kol­liert wird und dass kei­ne geschäft­li­chen Unter­la­gen wie Kal­ku­la­tio­nen, Ver­triebs­stra­te­gien usw. (etwa per eMail) an nicht auto­ri­sier­te Fir­men oder Per­so­nen her­aus­ge­hen. Wei­sen Sie alle Mit­ar­bei­ter ent­spre­chend ein.

Geschäftsführer muss „Wiederbelebung“ einer GmbH dem Handelsregister melden

Wer­den die Geschäf­te  einer still­ge­leg­ten GmbH nach Beschluss der Gesell­schaf­ter mit einem neu­en Unter­neh­mens­ge­gen­stand und einem neu bestell­ten Geschäfts­füh­rer fort­ge­setzt, han­delt es sich um eine wirt­schaft­li­che Neu­grün­dung. Das muss der Geschäfts­füh­rer dem Han­dels­re­gis­ter auch so mel­den (Neu­grün­dung). Unter­lässt er das, gel­ten die Haf­tungs­be­stim­mun­gen wie bei einer Neu­grün­dung. Dann kann es also dazu kom­men, dass die Gesell­schaf­ter die Ein­la­ge noch­mals erbrin­gen müs­sen (BGH, Urteil vom 6.3.2012, II ZR 56/10).

Für die Pra­xis: Das gilt auch rück­wir­kend. Also zum Bei­spiel dann, wenn es erst Jah­re nach der Wie­der­be­le­bung einer still geleg­ten GmbH zu einer Insol­venz kommt. Sie müs­sen davon aus­ge­hen, dass der Insol­venz­ver­wal­ter den gesam­ten Lebens­lauf der GmbH prü­fen wird, um nach­träg­lich fest­zu­stel­len, ob noch Ein­la­ge­for­de­run­gen gegen die Gesell­schaf­ter bestehen.  Das gilt auch z. B. für einen Man­tel­kauf, wenn anschlie­ßend der Unter­neh­mens­ge­gen­stand   geän­dert wird, neu­es Kapi­tal zuge­führt wird und nicht alle Ein­la­gen ord­nungs­ge­mäß erbracht wer­den. Haben Sie Beden­ken, ob eine Neu­grün­dung vor­lie­gen könn­te, soll­ten Sie sicher­heits­hal­ber einen Anwalt für Wirt­schafts­recht hinzuziehen.

Frist für Klage gegen Gesellschafterbeschluss muss im Einzelfall geprüft werden

Will einer der Gesell­schaf­ter gegen einen Beschluss sei­ner Mit-Gesel­l­­schaf­ter kla­gen, muss er das inner­halb einer bestimm­ten Frist tun. In der Regel ori­en­tie­ren sich die Gerich­te bei sol­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen am Akti­en­ge­setz, hier § 246 AKtG. Danach muss die Kla­ge inner­halb eines Monats nach der Beschluss­fas­sung ein­ge­reicht wer­den. Das ist aber kei­ne star­re Vor­ga­be. Laut LG Des­sau muss im Ein­zel­fall geprüft wer­den, ob eine Frist­über­schrei­tung gewährt wer­den muss (LG Des­sau-Roß­lau, Urteil vom 26.8.2011, 3 O 6/11, Quel­le: GmbH-Rund­schau 2012, R 50).

Für die Pra­xis: Anfech­tungs­kla­gen gegen Gesell­schaf­ter-Beschlüs­se müs­sen in der Regel zunächst sorg­fäl­tig auf mög­li­che Anfech­tungs­grün­de und Erfolgs­aus­sich­ten geprüft wer­den. Das ist u. U. auf­wen­dig und zeit­in­ten­siv, so dass die Monats­frist schnell über­schrit­ten wird. Das ist aber kein Grund, die Kla­ge allei­ne des­we­gen schon abzu­wei­sen. Im Zwei­fels­fall soll­ten Sie aber den­noch inner­halb der Frist Kla­ge ein­rei­chen. Dann soll­ten Sie das Gericht aber dar­über infor­mie­ren, dass die Kla­ge­be­grün­dung erst spä­ter ein­ge­reicht wird (Ter­min­vor­ga­be ver­ein­ba­ren, bis zum <DATUM>).

Arbeitgeber hat Bekanntmachungspflicht für AGG

Ein Arbeit­ge­ber erfüllt sei­ne Bekannt­ma­chungs­pflicht zum All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (§ 12 Abs. 5 AGG), wenn er den Text des AGG und des § 61b ArbGG betriebs­üb­lich in das Intra­net ein­ge­stellt. Er ist dar­über hin­aus nicht ver­pflich­tet, abge­lehn­ten exter­nen Bewer­bern, die kei­ne Zugriffs­mög­lich­keit auf das Intra­net haben, die Geset­zes­tex­te geson­dert zukom­men zu las­sen (ArbG Stutt­gart, Urteil 18.1.2012, 20 Ca 1059/11).

Für die Pra­xis: Unter­lässt die GmbH die Bekannt­ma­chun­gen zum AGG (per Aus­hang oder im Intra­net) ris­kiert er, dass abge­wie­se­ne Arbeit­neh­mer die­sen Ver­stoß als Auf­hän­ger für eine Kla­ge bzw. für eine Ent­schä­di­gungs­zah­lung aus­nut­zen. Prü­fen Sie gele­gent­lich, wie das Per­so­nal-Office Ihrer GmbH Bekannt­ma­chungs­ver­pflich­tun­gen (Aus­hang­ge­set­ze) umsetzt. Bei Ver­stö­ßen droht zusätz­lich Buß­geld bis zu 2.500 EUR.

Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) weiter auf dem Vormarsch

Zum 15.1.2012 gibt es in Deutsch­land hoch­ge­rech­net  62.000 Unter­neh­mer­ge­sell­schaf­ten, das sind Mini-GmbH, die mit einem Stamm­ka­pi­tal von weni­ger als 25.000 EUR aus­ge­stat­tet sind. Damit wur­de inner­halb von knapp 3 Jah­ren die eng­li­sche Limi­t­ed abge­löst, mit der vie­le deut­sche Unter­neh­mer eine Haf­tungs­be­schrän­kung mit gerin­ger EK-Aus­stat­tung errei­chen woll­ten (Quel­le: Schät­zung der Uni Jena, Fach­be­reich Gesell­schafts­recht).

Mit bes­ten Grü­ßen Ihr

Lothar Vol­kelt

Dipl. Volks­wirt, Her­aus­ge­ber + Chef­re­dak­teur Volkelt-Brief

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