Gesellschaft mit beschränkter Haftung”, Roman von Nora Bossong

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Der GmbH-Geschäfts­füh­rer, der sich zwi­schen drei Ter­mi­nen oder vor dem Ein­schla­fen im Busi­ness-Hotel das biss­chen Zeit nimmt, um in den Roman Die Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung hin­ein zu lesen, hat schon gewon­nen. Näm­lich „Zeit zum Inne­hal­ten“. Kurt Tiet­jen, Frot­tee-Unter­neh­mer der drit­ten Gene­ra­ti­on aus Essen, nimmt sich sei­ne Zeit und steigt aus sei­nem Hams­ter­rad aus – und lan­det mit­ten in Man­hat­ten. Er erlebt das bun­te, zer­ris­se­ne und zer­stö­re­ri­sche Leben die­ser Stadt in sto­ckend ein­fa­chen Sät­zen, unvoll­stän­dig wie Wer­be­bot­schaf­ten, denen die See­le fehlt. Genau die­ses Gefühl ist es, das der rast­lo­se Unter­neh­mer in sich trägt und für das er ein Leben lang nach Wor­ten sucht.

Nora Bossong gibt die­sem Lebens­ge­fühl ihre Spra­che. Schnör­kel­los kur­ze Sät­ze. Jeder Geschäfts­füh­rer kann sich den­je­ni­gen her­aus­pi­cken, der genau in sei­nen Gedan­ken zwi­schen die Argu­men­te des Geschäfts­part­ners passt: „Sie wol­len alle nur mein Geld“. Dia­lo­ge in lyri­scher Umgangs­spra­che: „Man­che Men­schen suchen die Nähe von Macht wie Rat­ten den Müll“. Der Roman wan­delt zur Unter­neh­mens-Bio­gra­phie. Grün­der Jus­tus belie­fert die Offi­zie­re der Reichs­wehr mit wei­chem Frot­tee. Er baut Arbei­ter­häu­ser und eine Pracht­vil­la für die Fami­lie (Krupp lässt grü­ßen!). Die Söh­ne Karl und Kurt sind weni­ger lie­be­vol­le Geschwis­ter denn Riva­len um die Nach­fol­ge. Samt Ehe­frau­en sind sie Buddenbrooks.

Spä­tes­tens jetzt spürt der Leser, dass das auch sein All­tags-Kri­mi sein könn­te. Von der Steu­er­fahn­dung und der Zoll­prü­fung ist es nur ein klei­ner Schritt bis zum Sub­ven­ti­ons­be­trug und zur Kor­rup­ti­on. Beglei­tet von einer Pres­se, die jeden Miss­brauch mit Scha­den­freu­de zele­briert, um die Auf­la­ge zu stei­gern. Und dazu die Erkennt­nis, dass deut­sche Hams­ter­rä­der im Ver­gleich mit den chi­ne­si­schen Pro­duk­ti­ons­müh­len nur im Schne­cken­tem­po mah­len. Tiet­jen spürt, wie der Sog ihn nach unten reißt. Noch eine Gene­ra­ti­on spä­ter sind wir da ange­kom­men, wo die meis­ten der Nach­kriegs-Fir­men­grün­dun­gen heu­te ste­hen. Enke­lin Lui­se hat Alles auf den Schul­tern. Den Fir­men­stress samt Glo­ba­li­sie­rung, Ent­las­sun­gen und eine sprach- und heil­los zer­strit­te­ne Familie.

Dabei ergeht es ihr kaum anders als den jähr­lich fast 4.000 GmbHs, in denen man­gels Mas­se noch nicht ein­mal ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net wird. Als einer der rund 1,2 Mio. deut­schen Geschäfts­füh­rer, die selbst eine Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung füh­ren, und von Amts wegen nur wenig Zeit zum Lesen haben, wer­den Sie nach der Lek­tü­re spü­ren, was Lite­ra­tur haben kann: Einen dicken Zusatz­nut­zen in Form eines Ratio­na­li­sie­rungs­ge­winns, der ent­steht, weil Sie gleich zwei Bücher lesen. Nora Bossongs Roman und par­al­lel dazu die eige­ne Fami­li­en- und Lebens­ge­schich­te im Kopf. Aber auch Lese­rat­ten, die sich einen Roman lang auf den schma­len Grat zwi­schen Erfolg und Abgrund in einem Fami­li­en-Unter­neh­men machen wol­len, wer­den mit Erkennt­nis­ge­winn belohnt: Wie wir alle sind auch Fir­men­chefs und Che­fin­nen nur ein­fa­che Mit­glie­der einer Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung. Also genau die rich­ti­ge Lek­tü­re für besinn­li­che Tage oder das pas­sen­de Geschenk für einen gestress­ten Kollegen.

Roman von Nora Bossong, Han­ser Ver­lag 2012 (gut geeig­net auch als Weih­nachts­ge­schenk für Geschäfts­füh­rer-Kol­le­gen/­Kol­le­gin­nen)

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